OFD Frankfurt, Verfügung v. 13.9.2019, S 2405 A - 2 - St 54
Bezug: |
HMdF-Erlass vom 10.2.1993, S 2400 A – 51 – II A 11 |
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HMdF-Erlass vom 10.1.1994, S 2405 A – 1 – II A 11 |
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HMdF-Erlass vom 22.9.1997, S 2405 A – 4 |
1. Allgemeines
Nach § 44a Abs. 5 Satz 1 EStG ist bei Kapitalerträgen i.S. des § 43 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5 bis 7 und 8 bis 12 sowie Satz 2 EStG, die einem unbeschränkt oder beschränkt einkommensteuerpflichtigen Gläubiger zufließen, kein Steuerabzug vorzunehmen, wenn die Kapitalerträge Betriebseinnahmen des Gläubigers sind und die Kapitalertragsteuer bei ihm aufgrund der Art seiner Geschäfte auf Dauer höher wäre als die gesamte festzusetzende Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer (sog. „Dauerüberzahler”). Dies ist durch eine Bescheinigung des für den Gläubiger der Kapitalerträge zuständigen Finanzamts nachzuweisen (§ 44a Abs. 5 Satz 4).
Mit dieser Regelung wird eine zeitweilige Überbesteuerung bei solchen Unternehmen vermieden, die große Wertpapierbestände besitzen, aufgrund der Art ihrer Geschäfte aber auf Dauer weniger Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer zu zahlen haben, als ihnen in Gestalt der Kapitalertragsteuer von den Wertpapiererträgen einbehalten wird.
Als typischer Beispielsfall für einen derartigen Sachverhalt wird in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucksache 12/2501) der Abzug der Kapitalertragsteuer von Wertpapiererträgen der Lebensversicherungsunternehmen angeführt. Diese Wertpapiererträge werden größtenteils an die Versicherten weitergegeben. Die Vorbelastung der Versicherungsunternehmen durch den Kapitalertragsteuerabzug wäre folglich ständig höher als die letztlich für die Gewinne zu zahlende Körperschaftsteuer. Eine ähnliche Überbesteuerungsproblematik besteht bei Zinserträgen von Verwertungsgesellschaften gemäß Urheberrechtswahrnehmungsgesetz. Diese ausdrückliche Benennung von Unternehmen aus Bereichen, in denen regelmäßig Gewinn erzielt wird, zeigt, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 44a Abs. 5 EStG „Verlustbranchen” oder Unternehmen, die – auch für längere Zeit – Verluste machen, nicht generell vom Kapitalertragsteuerabzug befreien wollte.
Das Tatbestandsmerkmal „aufgrund der Art seiner Geschäfte” ist jedenfalls dann nicht erfüllt, wenn die Überzahlung auf der jeweiligen Marktsituation (z.B. Gewinnlosigkeit, Preisverfall, Insolvenz, schlechte Absatzlage) oder auf individuellen rechtlichen Gestaltungen (z.B. Gewinnabführungsvertrag mit der Folge der Organschaft) beruht. Im Einzelnen vgl. BFH-Urteil vom 20.12.1995, I R 118/94 (BStBl 1996 II S. 199), BFH-Urteil vom 10.7.1996, I R 84/95 (BStBl 1997 II S. 38) und BFH-Urteil vom 27.8.1997, I R 22/97 (BStBl 1997 II S. 817).
Unter dem Tatbestandsmerkmal „auf Dauer” ist ein bis zum Zeitpunkt der Beurteilung nicht feststehender und nicht absehbarer Zeitraum zu verstehen, vgl. o.a. BFH-Urteil vom 20.12.1995 – I R 118/94.
In der Regel erfüllen lediglich folgende Unternehmen die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG:
- Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen,
- Verwertungsgesellschaften nach dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz,
- Holdinggesellschaften, soweit diese nicht der Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG unterliegen und fast ausschließlich qualifizierte Beteiligungen halten (vgl. Einzelheiten unter Punkt 2 und 3a).
2. Holdinggesellschaften
Nach § 8b Abs. 1 und 2 KStG werden sowohl Beteiligungseinkünfte (vorbehaltlich § 8b Abs. 4 KStG) als auch Veräußerungsgewinne von Holdinggesellschaften nicht besteuert. Damit können Holdinggesellschaften die Voraussetzungen des § 44a Abs. 5 EStG erfüllen, wenn ihre Einkünfte ganz wesentlich durch steuerfreie Beteiligungseinkünfte geprägt werden. Geringe steuerpflichtige Gewinne aus anderer Tätigkeit (z.B. Zinseinnahmen) stehen der Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG nicht entgegen. Bei der Erteilung einer Bescheinigung nach § 44a Abs. 5 EStG bitte ich Folgendes zu beachten:
Durch das Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 sind seit dem 1.3.2013 Dividendenerträge bei einer Beteiligung von weniger als 10 % (sog. Streubesitz) nach § 8b Abs. 4 KStG steuerpflichtig. Trotz der Gesetzesänderung bleiben Holdinggesellschaften vom Anwendungsbereich des § 44a Abs. 5 EStG weiterhin grundsätzlich erfasst. Eine NV 2 – Bescheinigung kann jedoch nur dann erteilt werden, wenn eine Dauerüberzahlersituation insgesamt vorliegt.
Voraussetzung hierfür ist, dass die Kapitalertragsteuer auf Dauer höher als die gesamte festzusetzende Steuer ist. Das ist maßgeblich von der Beteiligungsstruktur der Holdinggesellschaft abhängig.
Daher ist vor Erteilung einer Bescheinigung genau zu prüfen, ob es sich um eine Holdinggesellschaft handelt, die qualifizierte Beteiligungen =10%) und keine Kleinbeteiligungen hält.
Die Beteiligungssituation sollte seitens der Steuerpflichtigen dargelegt werden. Dies dient dazu, den Ausfall der einzubehaltenden Kapitalertragsteuer auf Streubesitzdividenden auszuschließen.
Ferner sollte die Antragstellerin hierzu eine Erk...