Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Die erforderliche berufliche Tätigkeit "für" eine Kapitalgesellschaft setzt nach der bis Ende des Veranlagungszeitraums 2016 geltenden Fassung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG nicht voraus, dass der Gesellschafter unmittelbar für diejenige Kapitalgesellschaft tätig wird, für deren Kapitalerträge er den Antrag stellt.
Normenkette
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b; § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG
Sachverhalt
Der Kläger war als Geschäftsführer der H-GmbH tätig. Diese war eine Tochtergesellschaft der B-GmbH. Der Kläger war an der B-GmbH zu 5,75 % beteiligt. Zwischen der B-GmbH als Organträgerin und der H-GmbH als Organgesellschaft bestand im Streitjahr eine ertragsteuerliche Organschaft. Im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen den Gesellschaften wurde u.a. vereinbart, dass sich die Organgesellschaft der Leitung der Organträgerin unterstellt. Die Organträgerin war berechtigt, den Geschäftsführern der Organgesellschaft Weisungen für die Geschäftsführung zu erteilen.
Den Erwerb der Anteile an der B-GmbH und eine Einzahlung in deren Kapitalrücklage finanzierte der Kläger durch ein Darlehen. Diesbezüglich entstanden ihm im Streitjahr Aufwendungen für Schuldzinsen und Gebühren i.H.v. 10.593 EUR. In der Einkommensteuererklärung begehrte er, diese Aufwendungen unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG i.H.v. 60 % als Werbungskosten bei den tariflich zu besteuernden Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Er stellte diesbezüglich einen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG. Das FA lehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen ab. Das FG (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.12.2014, 3 K 2697/12, Haufe-Index 7560224, EFG 2015, 405) gab der hiergegen erhobenen Klage statt.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Der Steuerpflichtige kann nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG einen Antrag auf Ausschluss des Abgeltungssteuersatzes stellen. Der Antrag hat u.a. zur Folge, dass das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 EStG keine Anwendung findet und die Aufwendungen für die Beteiligung unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2 EStG i.H.v. 60 % bei den tariflich zu besteuernden Einkünften zu berücksichtigen sind. Denn § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG bestimmt für diesen Fall, dass § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG keine Anwendung findet. Zweck der Regelung ist, eine Übermaßbesteuerung aufgrund des Werbungskostenabzugsverbots bei einer unternehmerischen Beteiligung zu vermeiden.
2. Voraussetzung für den Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG in der Fassung des Streitjahres 2009 (a.F.) war, dass der Steuerpflichtige zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und "beruflich für diese tätig" war. Streitig war, ob im Falle der Beteiligung bei der Organträgerin eine berufliche Tätigkeit bei der Organgesellschaft ausreicht. Der BFH hat dies für das Streitjahr 2009 bejaht. Zwar ergibt sich dies nicht aus dem Tatbestandsmerkmal "mittelbar", das sich nur auf die Art der Beteiligung und nicht auf die berufliche Betätigung für die Kapitalgesellschaft bezieht.
Eine Tätigkeit wurde jedoch auch dann i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG a.F. "für" die Kapitalgesellschaft ausgeübt, wenn die berufliche Tätigkeit auf der Ebene der Tochtergesellschaft ausgeübt wurde. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass ein enger Zusammenhang zur Beteiligung an der Muttergesellschaft besteht. Diesbezüglich ist eine vertragliche Beziehung zu der Muttergesellschaft jedoch nicht erforderlich.
3. Zu beachten ist jedoch, dass sich die Rechtslage ab dem VZ 2016 geändert hat. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG n.F. dahin gehend verschärft, dass bei einer Beteiligung von zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft eine berufliche Tätigkeit erforderlich ist, durch die ein "maßgeblicher unternehmerischer Einfluss auf deren wirtschaftliche Tätigkeit" genommen werden kann. Fraglich ist, ob nach der Neuregelung die Voraussetzungen für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens im vorliegenden Fall noch gegeben wären.
4. Das Antragsrecht nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStGerfordert nicht, dass Kapitalerträge aus der Beteiligung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG tatsächlich erzielt werden. Ausreichend ist die abstrakte Möglichkeit, Kapitalerträge aus der jeweiligen Beteiligung erzielen zu können. Dies genügt, um die tatsächlich entstandenen Werbungskosten zu 60 % im Rahmen der Veranlagung abziehen zu können. Der Werbungskostenabzug ist jedoch ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Auflösungsverlust i.S.d. § 17 EStG geltend gemacht worden ist (BFH, Urteil vom 21.10.2014, VIII R 48/12, BFH/NV 2015, 552, BFH/PR 2015, 196).
5. Der VIII. Senat des BFH hat darauf hingewiesen, dass auch nach der Neuausrichtung des Anschaffungskostenbegriffs gemäß § 1...