Wegfall der Antragsvoraussetzungen nach Option zum Teileinkünfteverfahren
Hintergrund: Schuldzinsen, die auf Zeiträume nach Beendigung einer Beteiligung entfallen
Schuldzinsen für die Finanzierung der Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung, die auf Zeiträume nach Beendigung der Beteiligung entfallen, sind nach Auffassung des BFH grundsätzlich auch nach der Veräußerung der Beteiligung als Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG abzugsfähig, wenn sie mit den aus der Beteiligung erzielten früheren Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in einem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Durch die Beendigung der Einkünfteerzielung aus Kapitalvermögen wird dieser ursprüngliche Veranlassungszusammenhang nicht zwingend unterbrochen. Nachträgliche Schuldzinsen sind nach wie vor durch die zur Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen aufgenommenen Schulden ausgelöst, wenn diese Schulden bei der Veräußerung oder Aufgabe der Beteiligung aus dem Erlös oder der Abfindung nicht abgelöst werden können.
Sachverhalt: Option zum Teileinkünfteverfahren
Fraglich war im Urteilfalls ob § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG in den Fällen der Anteilsveräußerung oder des Auflösungsverlusts nach § 17 EStG als Fiktion für das Vorliegen der Antragvoraussetzungen während des gesamten dort bezeichneten Zeitraums auszulegen ist?
- Der Kläger war als Gesellschafter am Stammkapital der K-GmbH seit dem Anteilserwerb im Jahr 2000 bis zur Veräußerung des Anteils zu einem Drittel beteiligt.
- Die Anschaffungskosten des Geschäftsanteils hatte der Kläger fremdfinanziert.
- In 2010 veräußerte der Kläger seinen Geschäftsanteil, wobei ein Schuldüberhang aus dem Finanzierungsdarlehen verblieb, auf den der Kläger in den Jahren 2010 bis 2014 noch Schuldzinsen zahlte.
- In der Einkommensteuererklärung für den nicht streitbefangenen Veranlagungszeitraum 2010 erklärte der Kläger Verluste aus der Veräußerung der Beteiligung an der K-GmbH gemäß § 17 EStG und beantragte die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG für die Bezüge aus der Beteiligung und den Abzug der angefallenen nachträglichen Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Das Finanzamt (FA) folgte dem Antrag.
- In den Streitjahren 2011 bis 2014 machte der Kläger die gezahlten Schuldzinsen unter Beachtung des Teilabzugsverbots gemäß § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG zu jeweils 60 % als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend.
- Das FA erkannte die gezahlten Schuldzinsen nicht als Werbungskosten an. Wegen der Veräußerung der Beteiligung seien die Antragsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Die vom Kläger eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben.
Im Revisionsverfahren vertrat das FA die Auffassung, dass das Teileinkünfteverfahren innerhalb des Fünfjahreszeitraums einer wirksamen Option gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG ab dem Zeitpunkt, ab dem der Steuerpflichtige nicht mehr Anteilseigner sei, nicht weiter angewendet werden dürfe. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG beinhalte lediglich eine Nachweiserleichterung für die Antragsvoraussetzungen, fingiere diese aber nicht.
Entscheidung: BFH bestätigt die Auffassung der Vorinstanz
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen und den Klägern Recht gegeben.
Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen
Der BFH führt aus, dass geklärt ist, dass, Schuldzinsen auch soweit sie wirtschaftlich im Zusammenhang mit erzielten früheren voll steuerpflichtigen Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG aus der Beteiligung vor dem 1.1.2009 stehen, unter das Werbungskostenabzugsverbot gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG fallen, wenn sie nach dem 31.12.2008 abfließen.
Etwas anderes gilt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG nur dann, wenn das Werbungskostenabzugsverbot (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG) aufgrund einer Option zum Teileinkünfteverfahren gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 EStG keine Anwendung findet.
Wirksame Antragstellung in 2010
Für den Veranlagungszeitraum 2010 hat der Kläger wirksam einen erstmaligen Antrag gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 und Satz 4 Halbsatz 1 EStG gestellt. Das Teileinkünfteverfahren ist auch in den Folgejahren innerhalb des gesetzlichen Fünfjahreszeitraums der Antragsdauer (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Halbsatz 2 EStG) anzuwenden.
Antragsvoraussetzungen sind in Folgejahren nicht erneut zu belegen
Gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG gilt auf Antrag der gesonderte Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitalerträge aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG) oder zu mindestens 1 % an der Kapitalgesellschaft beteiligt und beruflich für diese tätig ist (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b EStG).
Der Antrag für die jeweilige Beteiligung gilt gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 3 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum, für den er gestellt worden ist. Er ist spätestens zusammen mit der Einkommensteuererklärung für den jeweiligen Veranlagungszeitraum zu stellen und gilt, solange er nicht widerrufen wird, auch für die folgenden vier Veranlagungszeiträume, ohne dass die Antragsvoraussetzungen erneut zu belegen sind (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG).
Der Kläger hat für den Veranlagungszeitraum 2010 die Antragsvoraussetzungen gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG erfüllt und den Antrag auch fristgerecht mit Abgabe der Einkommensteuererklärung 2010 gestellt.
Er war in 2010 bis zur Veräußerung seiner Anteile zu einem Drittel an der K-GmbH beteiligt.
Unterjährige Veräußerung unmaßgeblich
Die unterjährige Veräußerung der Beteiligung steht der Antragstellung nicht entgegen. Es reicht aus, wenn der Antragsteller im Veräußerungsjahr zu irgendeinem Zeitpunkt in ausreichendem Umfang an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Das Erzielen von Kapitalerträgen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in diesem Veranlagungszeitraum ist nicht erforderlich; es genügt die abstrakte Möglichkeit aus der Beteiligung in diesem Veranlagungszeitraum Kapitalerträge erzielen zu können.
Unerheblich für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens ist, dass der Kläger nach der wirksamen Antragstellung für den Veranlagungszeitraum 2010 als Erstjahr in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen nicht mehr an der K-GmbH beteiligt war. Das Vorliegen der materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen ist vom FA zu unterstellen. Diese müssen nur für das erste Antragsjahr vorliegen; ihr Wegfall in den folgenden vier Veranlagungszeiträumen ist unerheblich. Dies gilt nach einer wirksamen Antragstellung für alle materiell-rechtlichen Antragsvoraussetzungen, einschließlich des Wegfalls der Beteiligung innerhalb des Fünfjahreszeitraums.
Hinweis des BFH
Allerdings kann ein erstmaliger oder erneuter – einen Fünfjahreszeitraum gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG auslösender – Antrag vom Steuerpflichtigen nicht für einen Veranlagungszeitraum gestellt werden, in dem eine Beteiligung i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a und b EStG im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag als Erstjahr gestellt wird, überhaupt nicht mehr vorhanden ist.
BFH, Urteil v. 17.7.2024, VIII R 37/23; veröffentlicht am 19.9.2024
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