OFD Hannover, Verfügung v. 9.3.2004, S 0069 - 1 - StO 321/S 0069 - 1- StH 461
Die Entscheidungen des BFH werden, soweit sie nicht ausschließlich Bedeutung für einen Einzelfall haben, im BStBl II (früher Teil III) durch das BMF veröffentlicht (BStBl 1966 III S. 345). Durch die Aufnahme in das BStBl sind die Entscheidungen grundsätzlich bei der Bearbeitung gleichgelagerter Steuerfälle zu beachten. Eine neue Prüfung hinsichtlich der Anwendung der BFH-Entscheidung kann jedoch erforderlich sein, wenn z.B. neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind, neue Rechtserkenntnisse eine andere Beurteilung der entschiedenen Rechtsfrage rechtfertigen können oder die Entscheidung schon lange zurückliegt und an ihr wiederholt Kritik geübt worden ist.
Die im BStBl veröffentlichten Entscheidungen des BFH sind auch dann zu beachten, wenn der Rechtssatz, der in einer solchen Entscheidung aufgestellt worden ist, im Widerspruch zu einer anderen Auffassung stehen sollte, die zu der einschlägigen Frage in einer Verwaltungsanweisung (z.B. Rundverfügung) vertreten worden ist. Einer formellen Aufhebung der hierdurch überholten Verwaltungsanweisung bedarf es nicht.
Der Beschluss der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, eine neue BFH-Entscheidung im BStBl II zu veröffentlichen und somit allgemein anzuwenden, wird vom BMF vorab auf seiner Internetseite (www.bundesfinanzministerium.de – Aktuelles/BFH-Entscheidungen) bekannt gegeben. Der Text der betreffenden Entscheidungen kann auf den Internetseiten des BFH (www.bundesfinanzhof.de – Aktuelle Entscheidungen) abgerufen werden. Soll die höchstrichterliche Entscheidung nicht oder vorübergehend nicht angewendet werden, wird regelmäßig zeitgleich mit der Veröffentlichung der BFH-Entscheidung im BStBl II eine Anweisung – ein sog. „Nichtanwendungserlass” – im BStBl I veröffentlicht. Es empfiehlt sich, eine im BStBl II veröffentlichte, aber nicht anzuwendende Entscheidung des BFH mit einem entsprechenden Hinweis zu versehen.
Die Meinungsbildung innerhalb der Finanzverwaltung zur Herausgabe eines Nichtanwendungserlasses erfordert eine gewisse Zeit, so dass die Veröffentlichung der BFH-Entscheidung im BStBl II nicht immer zeitnah erfolgt. Andererseits sind diese Entscheidungen oft durch Bekanntgabe im Internet (z.B. www.bundesfinanzhof.de – Aktuelle Entscheidungen) oder auszugsweise Veröffentlichungen in Fachzeitschriften bereits bekannt. Im Einzelfall betroffene Steuerpflichtige drängen dann bereits auf eine Entscheidung im Sinne des bekannten, im BStBl II aber noch nicht veröffentlichten Urteils oder Beschlusses des BFH. Da vor der amtlichen Veröffentlichung im BStBl II bzw. vor der Bekanntgabe der Entscheidung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder auf der Internetseite des BMF nicht beurteilt werden kann, ob weitere Weisungen in diesem Zusammenhang ergehen werden, ist die amtliche Veröffentlichung der Entscheidung im BStBl II bzw. die Bekanntgabe der Entscheidung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder auf der Internetseite des BMF abzuwarten. Ergehen zeitgleich damit keine weiteren Weisungen, kann regelmäßig uneingeschränkt nach den Grundsätzen der veröffentlichten Entscheidung verfahren werden.
Alle nicht im BStBl veröffentlichten Entscheidungen haben – wie die Entscheidungen der Finanzgerichte – keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Soweit sie nicht mit veröffentlichten Entscheidungen des BFH oder Verwaltungsanordnungen bzw. Anweisungen der vorgesetzten Behörden in Widerspruch stehen, können sie aber für die Entscheidung über vergleichbare Sachverhalte verwertet werden.
Normenkette
AO vor § 1