1Während des Insolvenzverfahrens dürfen hinsichtlich Insolvenzforderungen grundsätzlich keine Bescheide über die Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und keine Bescheide, die Besteuerungsgrundlagen feststellen oder Steuermessbeträge festsetzen, welche die Höhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen können, erlassen werden. 2Ein gleichwohl erlassener Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam (BFH-Urteil vom 18.12.2002, I R 33/01, BStBl 2003 II S. 630).
3Wirksam erlassen werden können hingegen:
- Steuerfestsetzungen i. H. v. 0 €, wenn deren Besteuerungsgrundlagen nicht in einen verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d EStG eingehen können, da sie andernfalls abstrakt geeignet sind, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken, vgl. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG.
- Umsatzsteuerbescheide, in denen eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt wird, sofern sich daraus keine Zahllast ergibt (BFH-Urteil vom 13.5.2009, XI R 63/07, BStBl 2010 II S. 11).
- Bescheide über Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt und keine Besteuerungsgrundlagen festgestellt werden, die die Höhe von Steuerforderungen beeinflussen, welche zur Insolvenztabelle anzumelden sind (BFH-Urteil vom 5.4.2022, IX R 27/18, BStBl II S. 703).
- Andere Steuerbescheide oder sonstige Verwaltungsakte, die zu einem Erstattungsanspruch zugunsten der Insolvenzmasse führen, sofern sie nicht ausnahmsweise abstrakt geeignet sind, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken.
- Festsetzungen von Steuermessbeträgen, die sich für den Schuldner vorteilhaft auswirken, sofern sie nicht ausnahmsweise abstrakt geeignet sind, sich auf anzumeldende Steuerforderungen auszuwirken.
4Die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und/oder Vorauszahlungen mit dem Ziel ihrer (teilweisen) Erstattung für vorinsolvenzliche Besteuerungszeiträume erfordert nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Steuerfestsetzung unter Berücksichtigung der jeweiligen Einkünfte.
5Eine Steuerfestsetzung hat außerdem zu erfolgen, wenn der Insolvenzverwalter ausdrücklich die Erteilung eines Steuerbescheids beantragt, auch wenn sie sich auf anzumeldende Steuerforderungen auswirken kann. 6Ein solcher Antrag ist erforderlich, wenn der Insolvenzverwalter die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen und/oder Vorauszahlungen begehrt mit dem Ziel ihrer (teilweisen) Erstattung zugunsten der Insolvenzmasse. 7Die Abgabe einer gesetzlich vorgeschriebenen Steuererklärung ist, mit Ausnahme der Fälle des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 20.1.2016, VI R 14/15, BStBl II S. 380), kein Antrag auf Erteilung eines Steuerbescheids (vgl. AEAO zu § 171, Nr. 2).
8Weiterhin können folgende Verwaltungsakte ergehen:
- Verwaltungsakte nach § 251 Abs. 3 AO (ggf. neben einer Bekanntgabe an den widersprechenden Gläubiger, § 179 Abs. 1 InsO),
- Gewerbesteuermessbetragsbescheide (§ 184 AO) und Zerlegungsbescheide (§ 188 AO) nach einem Widerspruch gegen die Anmeldung von Gewerbesteuerforderungen zur Insolvenztabelle durch die erhebungsberechtigte Körperschaft (BFH-Urteil vom 2.7.1997, I R 11/97, BStBl 1998 II S. 428),
- Bescheide, die Besteuerungsgrundlagen feststellen, die eine vom Insolvenzverwalter im Prüfungstermin bestrittene Steuerforderung betreffen (BFH-Urteil vom 1.4.2003, I R 51/02, BStBl II S. 779; zu Feststellungsbescheiden vgl. auch AEAO zu § 251, Nr. 4.4).
9Für diese Verwaltungsakte ist Bekanntgabeadressat (vgl. AEAO zu § 122, Nr. 1.4) der Insolvenzverwalter.
10In Fällen der Eigenverwaltung (vgl. AEAO zu § 251,Nr. 13) ist der Schuldner Bekanntgabeadressat.
11Zu Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 und 4 InsO vgl. AEAO zu § 251, Nr. 3.1.