4.3.1 Vor Insolvenzeröffnung begründete Ansprüche
1Während des Insolvenzverfahrens dürfen hinsichtlich Insolvenzforderungen grundsätzlich keine Bescheide über die Festsetzung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis und keine Bescheide, die Besteuerungsgrundlagen feststellen oder Steuermessbeträge festsetzen, welche die Höhe der zur Insolvenztabelle anzumeldenden Steuerforderungen beeinflussen können, erlassen werden. 2Ein gleichwohl erlassener Steuerbescheid über einen Steueranspruch, der eine Insolvenzforderung betrifft, ist unwirksam (BFH-Urteil vom 18.12.2002 - I R 33/01 - BStBl 2003 II, S. 630).
3Bescheide, die einen Erstattungsanspruch zugunsten der Insolvenzmasse festsetzen, oder Festsetzungen von Steuermessbeträgen, die sich für den Schuldner vorteilhaft auswirken, können ergehen. 4Beispielsweise ist das Finanzamt berechtigt, Umsatzsteuerbescheide zu erlassen, in denen eine negative Umsatzsteuer für einen Besteuerungszeitraum vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens festgesetzt wird, sofern sich daraus keine Zahllast ergibt (BFH-Urteil vom 13.5.2009 - XI R 63/07 - BStBl 2010 II, S. 11).
5Steuerfestsetzungen i. H. v. 0 EUR können ebenfalls durchgeführt werden, da sich hieraus keine vollstreckbaren Ansprüche ergeben und somit die Schutzbestimmungen der §§ 87, 89, 174 InsO nicht berührt sind (BFH-Urteil vom 10.12.2008 - I R 41/07 - BFH/NV 2009 S. 719).
6Weiterhin können folgende Verwaltungsakte ergehen:
- Verwaltungsakte nach § 251 Abs. 3 (ggf. neben einer Bekanntgabe an den widersprechenden Gläubiger, § 179 Abs. 1 InsO),
- Gewerbesteuermessbetragsbescheide (§ 184) und Zerlegungsbescheide (§ 188) nach einem Widerspruch gegen die Anmeldung von Gewerbesteuerforderungen zur Insolvenztabelle durch die erhebungsberechtigte Körperschaft (BFH-Urteil vom 2.7.1997 - I R 11/97 - BStBl 1998 II, S. 428),
- Bescheide, die Besteuerungsgrundlagen feststellen, die eine vom Insolvenzverwalter im Prüfungstermin bestrittene Steuerforderung betreffen (BFH-Urteil vom 1.4.2003 - I R 51/02 - BStBl II, S. 779; zu Feststellungsbescheiden siehe auch Nr. 4.4).
7Für diese Verwaltungsakte ist Bekanntgabeadressat (siehe Nr. 1.4 des AEAO zu § 122) der Insolvenzverwalter.
8In Fällen der Eigenverwaltung (siehe Nr. 13) ist der Schuldner Bekanntgabeadressat.
9Zu Verbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 und 4 InsO siehe Nr. 3.1.
4.3.2 Nach Insolvenzeröffnung begründete Ansprüche
1Verwaltungsakte, die die Insolvenzmasse betreffen, dürfen erlassen werden.
2Bekanntgabeadressat aller die Insolvenzmasse betreffenden Verwaltungsakte ist der Insolvenzverwalter. 3Dies gilt insbesondere für die Bekanntgabe von
- Steuerbescheiden oder Steuermessbetragsbescheiden wegen Steueransprüchen, die nach der Verfahrenseröffnung begründet und damit sonstige Masseverbindlichkeiten sind,
- Verwaltungsakten nach § 218 Abs. 2,
- Steuerbescheiden wegen Steueransprüchen, die aufgrund einer neuen beruflichen oder gewerblichen, nicht vom Insolvenzverwalter freigegebenen Tätigkeit des Schuldners begründet sind (sog. Neuerwerb, § 35 InsO).
4Verwaltungsakte, die das insolvenzfreie Vermögen betreffen, sind an den Schuldner zu richten und diesem bekannt zu geben.
4.3.3 Beispiele für Bescheiderläuterungen bei Bekanntgabe an den Insolvenzverwalter:
"Der Bescheid ergeht an Sie als Verwalter/vorläufiger Verwalter im Insolvenzverfahren/Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners ... ."
Die Erläuterung ist, soweit erforderlich, zur Klarstellung zu ergänzen:
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"Die Steuerfestsetzung betrifft die Festsetzung der Umsatzsteuer als sonstige Masseverbindlichkeit." |
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"Die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags dient der erhebungsberechtigten Körperschaft als Grundlage zur Fortführung des weiteren Verfahrens aufgrund des Widerspruchs gegen die Anmeldung der Gewerbesteuerforderung zur Tabelle." |