Die Rz. 67 bis 72 enthalten keine über den Gesetzeswortlaut (und die ErbStR u. ErbStH 2019) hinausgehenden Anwendungshinweise und -regelungen.
Die Ausführungen zu den Erbbaurechtskoeffizienten (s. VI. 1.) sind auf die Erbbaurechtsfaktoren zu übertragen. Es kann vorkommen, dass ein Erbbaurechtsfaktor des Gutachterausschusses vorliegt, dieser aber für die Grundbesitzbewertung ungeeignet ist.
Finanzmathematisches Verfahren: Erbbaurecht
a) Fehlender Zinssatz in den Anlagen 21 und 26 BewG (Rz. 73 Satz 4 und Rz. 74 Satz 11)
Die Anlagen 21 bzw. 26 BewG enthalten keine Vervielfältiger bzw. Abzinsungsfaktoren für den nachrangigen Zinssatz des § 193 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG von 2,5 % für Ein- und Zweifamilienhäuser und Wohnungseigentum, das wie Ein- und Zweifamilienhäuser gestaltet ist. Die in den Anlagen enthaltenden Formeln, mit denen Vervielfältiger bzw. Abzinsungsfaktoren für Zinssätze zu bilden sind, die nicht in den Anlagen aufgeführt sind, sind nach dem Gesetzeswortlaut nicht einschlägig. Sie gelten nur für "andere Zinssätze der Gutachterausschüsse".
Die Finanzverwaltung wendet die Formeln der Anlagen über den Gesetzeswortlaut hinaus auch für den gesetzlichen Zinssatz von 2,5 % an:
- „Für nicht in der Anlage 21 BewG aufgeführte Zinssätze, ist der Vervielfältiger nach der dort angegebenen Formel zu berechnen [...]” (Rz. 73 Satz 4).
- „Für nicht in der Anlage 26 BewG aufgeführte Zinssätze, ist der Abzinsungsfaktor nach der dort angegebenen Formel zu berechnen [...]” (Rz. 74 Satz 11).
In den ErbStR 2019 vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, die Formeln gelten nur für Zinssätze der Gutachterausschüsse (s. R B 193 Abs. 6 Satz 4 ErbStR 2019; R B 194 Abs. 4 Satz 9 ErbStR 2019).
b) Berücksichtigung von nicht zu entschädigenden Wertanteilen von Gebäuden (Rz. 74)
aa) Grundstücksmerkmale und Bewertungsparameter (Rz. 74 Satz 2 und 3)
Bei der Gebäudewertermittlung auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts ist grundsätzlich von den Grundstücksmerkmalen und den Bewertungsparametern am Bewertungsstichtag auszugehen. Das gilt neben den Grundstücks- und Gebäudeflächen insb. für die Bodenrichtwerte, Roherträge, Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszinssätze, Regelherstellungskosten, Verbraucher- und Baupreisindizes. Ausführungen zu Vergleichspreisen und -faktoren für Zwecke des § 183 BewG enthalten die AEBew JStG 2022 an dieser Stelle nicht (s. zum Vergleichswertverfahren VI. 2. b) cc)).
Im Sachwertverfahren ist die Wertzahl gleichwohl ausgehend vom – aufgrund der geänderten Restnutzungsdauer (s. VI. 2. b) bb)) – geänderten vorläufigen Sachwert zu bestimmen (s. Beispiel in Rz. 75 I.1.1 vs. A I.3.1; a.A. die Finanzverwaltung selbst in Rz. 74 Satz 3). Gleiches gilt u.E. für die Sachwertfaktoren der Gutachterausschüsse.
bb) Restnutzungsdauer (Rz. 74 Satz 4 bis 7)
Bei der Gebäudewertermittlung auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts ist von der Restnutzungsdauer auszugehen, die bei der Ermittlung des unbelasteten Grundstücks nach § 193 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BewG zugrunde gelegt wurde. Diese ist um die Restlaufzeit des Erbbaurechts zu mindern. Ein Gebäudewertansatz entfällt folglich, wenn die Restlaufzeit des Erbbaurechts die Restnutzungsdauer des Gebäudes am Bewertungsstichtag übersteigt bzw. dieser entspricht.
Die Regelungen über die Mindest-Restnutzungsdauern (§ 185 Abs. 3 Satz 6 BewG bzw. § 190 Abs. 6 Satz 5 BewG) wendet die Verwaltung bei der Gebäudewertermittlung auf den Zeitpunkt des Ablaufs des Erbbaurechts nicht an. An der bisherigen Rechtsauffassung (BT-Drucks. 16/11107, 20 f.; R B 194 Abs. 5 Satz 6 ErbStR 2019), die regelmäßig zu unsachgemäßen Grundbesitzwerten führte (hierzu ausführlich: Marquardt/Miethe, ErbStB 2023, 38 [46 f.]), wird nicht festgehalten.
Eindeutiger wäre es gewesen, § 193 Abs. 3 Satz 2 BewG entspr. § 50 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV zu formulieren:
§ 193 Abs. 3 Satz 2 BewG |
§ 50 Abs. 2 Satz 2 ImmoWertV |
"Ein bei Ablauf des Erbbaurechts nicht zu entschädigender Wertanteil der Gebäude oder des Gebäudes nach Absatz 5 ist abzuziehen." |
"Bei einer über die Restlaufzeit des Erbbaurechts hinausgehenden Restnutzungsdauer der baulichen Anlagen ist [...] der bei Zeitablauf nicht zu entschädigende Wertanteil der baulichen Anlagen abzuzinsen und abzuziehen." |
Für Bewertungsstichtage ab dem 1.1.2023 werden bei nicht (vollständig) zu entschädigenden Gebäuden – wie i.R.d Verkehrswertermittlung – zwei Fallkonstellationen unterschieden:
- Restlaufzeit des Erbbaurechts ≥ Restnutzungsdauer des Gebäudes (kein Gebäudewertansatz = Beispiel in Rz. 75)
- Rest...