Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer bei Verlängerung eines Erbbaurechts
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit es sich auf inländische Grundstücke bezieht. Ein Rechtsgeschäft, das einen Anspruch auf Verlängerung eines Erbbaurechts begründet, unterliegt ebenfalls nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG stellt die Erbbaurechte ausdrücklich den Grundstücken gleich. Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung.
Streitfrage: Welcher Abzinsungszeitraum ist maßgebend?
Streitig ist, ob bei einer Verlängerung des Erbbaurechts der kapitalisierte Erbbauzins für die Dauer der Verlängerung abzuzinsen ist, und der Abzinsungszeitraum (auch) den Zeitraum zwischen dem notariellen Abschluss der Verlängerungsbewilligung (Besteuerungszeitpunkt) bis zum Beginn des weit in der Zukunft liegenden Verlängerungszeitpunkts des Erbbaurechts umfasst.
Sachverhalt: Vorzeitige Verlängerung des Erbbaurechts
Der dem Rechtsstreit zugrundeliegende Sachverhalt stellt sich wie folgt dar:
- Die Klägerin ist Berechtigte eines mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom 12.1.1989 begründeten Teilerbbaurechts an einem Grundstück. Das Teilerbbaurecht ist verbunden mit Sondereigentum an dem auf dem Grundstück errichteten Hotel. Gemäß § 2 Ziffer 1 des Vertrages wurde das Teilerbbaurecht für die Dauer bis zum 31.12.2070 bestellt. Neben dem jährlichen Erbbauzins war die Klägerin zur Zahlung eines Entgelts nach Maßgabe bestimmter Umsätze je Geschäftsjahr verpflichtet.
- Der Erbbaurechtsvertrag wurde mit notarieller Urkunde vom 13.8.2018 dahin geändert, dass die Laufzeit des Erbbaurechts um weitere 44 Jahre bis zum 31.12.2114 verlängert wurde. Anstelle des bisherigen Erbbauzinses sowie der separaten Umsatzabgabe wurde ein neuer einheitlicher Erbbauzins vereinbart. Darüber hinaus sollte die Grundstückseigentümerin als Gegenleistung für die Löschung einer für sie eingetragenen Grundschuld sowie für die Erleichterung der Finanzierung durch Änderung der Belastungsgrenze des Teilerbbaurechts ein einmalig zu zahlendes Entgelt in Höhe von 10,4 Mio. EUR erhalten.
- Das Finanzamt (FA) setzte aufgrund der Verlängerung des Erbbaurechts mit Bescheid vom 19.9.2018 Grunderwerbsteuer gegen die Klägerin fest. Der dagegen erhobene Einspruch führte zu einer teilweisen Herabsetzung der Grunderwerbsteuer und blieb im Übrigen ohne Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 21.12.2018 ging das FA von einer grunderwerbsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage aus, die sich aus dem Einmalbetrag von 10,4 Mio. EUR und dem kapitalisierten Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum zusammensetzte
- Den kapitalisierten Erbbauzins ermittelte das FA gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG i.V.m. Anlage 9a zum BewG durch Anwendung des sich aufgrund der Laufzeitverlängerung von 44 Jahren ergebenden Vervielfältigers von 16,910 auf den jährlichen Erbbauzins.
Die hiergegen erhobene Klage war teilweise erfolgreich. Das FG gab der Klage statt, soweit die Klägerin sich gegen die Einbeziehung der Einmalzahlung von 10,4 Mio. EUR in die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage wandte. Soweit die Klägerin die zusätzliche Abzinsung des Erbbauzinses auf den Zeitpunkt der Vereinbarung über die Verlängerung des Erbbaurechts begehrte, wies das FG die Klage ab.
Entscheidung: BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen und führt hierzu u.a. aus:
- Zu Recht hat das FG entschieden, dass der notariell beurkundete Vertrag vom 13.8.2018 über die Verlängerung des Teilerbbaurechts der Grunderwerbsteuer unterliegt.
- Die Vereinbarung der Verlängerung eines Erbbaurechts unterliegt als Rechtsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ebenso wie die Vereinbarung über die (erstmalige) Bestellung der Grunderwerbsteuer. Das verlängerte Recht ist im Umfang der Verlängerung eine neue grundstücksgleiche Belastung des Grundstücks.
- Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass sich die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage im Sinne des § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Kapitalwert der für den Verlängerungszeitraum zu zahlenden Erbbauzinsen bestimmt.
- Ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein Erbbaurecht im Sinne des § 1 Abs. 1 ErbbauRG, dem eine Erbbauzinsverpflichtung im Sinne des § 9 Abs. 1 ErbbauRG gegenübersteht, so ist Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG die auf die vereinbarte Laufzeit des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzinsverpflichtung.
- Bei dem Anspruch des Erbbauverpflichteten auf Zahlung des Erbbauzinses handelt es sich um ein auf bestimmte Zeit beschränktes Recht auf wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG, das mit seinem Kapitalwert anzusetzen ist.
- Entsprechendes gilt, wenn Gegenstand des Erwerbsvorgangs ein verlängertes Erbbaurecht ist. In diesem Falle ist der auf die Laufzeit der Verlängerung des Erbbaurechts kapitalisierte Erbbauzins als Wert der Gegenleistung der Bemessung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen.
- Ausgehend hiervon hat das FG die Bemessungsgrundlage für die Verlängerung des Erbbaurechts der Höhe nach zutreffend ermittelt. Der vertraglich vereinbarte jährliche Erbbauzins betrug 3.369.563 EUR. Aufgrund der im Erbbaurechtsänderungsvertrag vom 13.8.2018 vereinbarten Laufzeitverlängerung vom 1.1.2071 bis zum 31.12.2114 (44 Jahre) ergibt sich auf der Grundlage der Anlage 9a zum BewG ein Vervielfältiger von 16,910. Bei Anwendung dieses Vervielfältigers beträgt der kapitalisierte Erbbauzins für den Verlängerungszeitraum danach 56.979.310 EUR.
- Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der kapitalisierte Erbbauzins nicht nach § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Verlängerungsvereinbarung vom 13.8.2018 abzuzinsen. Erst mit Beginn des Verlängerungszeitraums sind auch die jährlichen Erbbauzinszahlungen für das verlängerte Erbbaurecht zu zahlen. Für eine Abzinsung des kapitalisierten Erbbauzinses auf den Zeitpunkt der Verlängerungsvereinbarung ist daher kein Raum.
- Ob entgegen der Auffassung des FG auch die Einbeziehung der Einmalzahlung in Höhe von 10,4 Mio. EUR in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer geboten gewesen wäre, weil es sich insoweit möglicherweise ebenfalls um eine Gegenleistung für die Verlängerung des Erbbaurechts handelt, kann der Senat wegen des im Revisionsverfahren zu beachtenden Verböserungsverbots offenlassen.
BFH, Urteile v. 10.7.2024, II R 3/22 und II R 36/23 (teilweise Parallelentscheidung); jeweils veröffentlicht am 10.10.2024
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