1. Verlängerung der Restnutzungsdauer (Rz. 20 und 21)
Die Regelung zur Verlängerung der Restnutzungsdauer (§ 185 Abs. 3 Satz 5 BewG) wurde sprachlich an das Grundsteuerwertverfahren (§ 253 Abs. 2 Satz 4 BewG) angepasst. In beiden Verfahren ist von einer verlängerten Restnutzungsdauer auszugehen, wenn nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten sind, die dessen Restnutzungsdauer bzw. Gesamtnutzungsdauer wesentlich verlängert haben. Bislang war i.R.d. Grundbesitzbewertung bereits dann von einer verlängerten Restnutzungsdauer auszugehen, wenn nach der Bezugsfertigkeit des Gebäudes Veränderungen eingetreten sind, die dessen Gesamtnutzungsdauer verlängert haben (§ 185 Abs. 3 Satz 4 a.F.).
Trotz des geänderten Gesetzeswortlauts hält die Finanzverwaltung am bisherigen Punktesystem aus R B 185.3 Abs. 4 ErbStR 2019 fest. Es wurde um die Tabelle "Übliche Gesamtnutzungsdauer von 80 Jahren" und das Wort "wesentliche" (Rz. 21 Satz 1) ergänzt. Der Begriff der "wesentlichen Verlängerung" wird von der Finanzverwaltung i.R.d. Grundbesitzbewertung folglich anders ausgelegt als i.R.d. Grundsteuerwertermittlung (s. hierzu Lücke/Lüder/Matern, FR 2023, 153 [156]; Schneider/Niebuhr/Droll, RFamU 2023, 106 [112]):
"Wesentliche Verlängerung" |
Grundbesitzbewertung (6. Abschnitt) |
Grundsteuerbewertung (7. Abschnitt) |
"Eine wesentliche Verlängerung der Restnutzungsdauer ist nur anzunehmen, wenn in den letzten zehn Jahren durchgreifende Modernisierungen vorgenommen wurden, die nach dem Punktesystem [...] eine überwiegende oder umfassende Modernisierung ergeben." (Rz. 21 Satz 1 AEBew JStG 2022) |
"Von einer wesentlichen Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer ist nur bei einer Kernsanierung auszugehen." (A 253.1 Abs. 3 Satz 2 AEBewGrSt) |
Eine Auslegung entspr. der Begründung des Gesetzesentwurfs (Begr. RegE JStG 2022, BR-Drucks. 457/22, 135; zu den Unterschieden: Marquardt/Miethe, ErbStB 2023, 38 [42]) – konform zur Anlage 2 der ImmoWertV – erfolgt ebenfalls nicht.
2. Bewirtschaftungskosten (Rz. 31 bis 38)
Zweifelsfragen galt es insb. hinsichtlich der Indizierung der Basiswerte der Anlage 23 BewG zu beantworten. Auch brauchte es Hinweise zur Ermittlung der Bewirtschaftungskosten für Gebäude mit Mischnutzung.
Sprachlich wird im Gesetz zwischen "Wohn- und Gewerbenutzung" unterschieden. In den AEBew JStG 2022 wird hiervon abweichend zwischen "Wohn- und Nichtwohnnutzung" unterschieden.
a) Indizierung der Basiswerte (Rz. 33 u. 34)
Die Basiswerte für Verwaltungs- und Instandhaltungskosten werden nach § 187 Abs. 3 Satz 2 BewG indiziert. Für die Indizierung ist der Verbraucherpreisindex für den Monat Oktober des Jahres maßgeblich, das dem Bewertungsstichtag vorausgeht (zum Widerspruch zwischen Anlage 23 und § 187 Abs. 3 Satz 2 BewG: Marquardt/Miethe, ErbStB 2023, 38 [41]).
b) Gebäude mit Mischnutzung
Das BewG lässt die Ermittlung der Bewirtschaftungskosten für Gebäude mit einer Mischnutzung offen (zu Verwaltungskosten und Mietausfallwagnis: Lücke/Lüder/Matern, FR 2023, 153 [157]).
aa) Verwaltungskosten (Rz. 35)
Die Verwaltungskosten für Wohnungen sowie Garagen und ähnlichen Einstellplätze, die der Wohnnutzung dienen, bestimmen sich nach deren Anzahl und den indizierten Einzelansätzen der Anlage 23 BewG. Für gewerblich bzw. nicht zu Wohnzwecken genutzte Räumlichkeiten betragen die Verwaltungskosten 3 % des Rohertrages, der auf diese Räume entfällt.
Im Falle einer Mischnutzung ist der Rohertrag, der auf Wohnräume, die nicht den Wohnungsbegriff erfüllen, und alle weiteren Räumlichkeiten, die zu anderen als Wohnzwecken genutzt werden, daher gesondert zu ermitteln. Für Wohnräume, die den Wohnungsbegriff nicht erfüllen, sind nach Rz. 35 Satz 2 ebenfalls 3 % des auf sie entfallenden Rohertrags als Verwaltungskosten anzusetzen.
bb) Instandhaltungskosten (Rz. 36)
Bei Gebäuden mit unterschiedlicher Nutzung sind die Instandhaltungskosten für jede Nutzung gesondert zu ermitteln. Die Finanzverwaltung unterscheidet nicht nur zwischen Wohnnutzung und Nichtwohnnutzung. Sie unterscheidet auch zwischen unterschiedlichen Nichtwohnnutzungen:
Beispiel (Rz. 36 AEBew JStG 2022)
„Ein im Ertragswertverfahren zu bewertendes Gebäude verfügt im Erdgeschoss über einen Verbrauchermarkt (Gebäudeart 13.1 aus Anlage 24 BewG) und im 1. Obergeschoss über Büros (Gebäudeart 6.1 aus Anlage 24 BewG).
Für die Nutzfläche des Verbrauchermarktes sind 50 % und für die Nutzfläche der Büros 100 % der indizierten Instandhaltungskosten je Quadratmeter Wohnfläche bei Wohnnutzung aus der Anlage 23 BewG zu berücksichtigen.”
Dieses Vorgehen entspricht im Wesentlichen der Anlage 3 ImmoWertV. Diese stellt bei den Instandhaltungskosten für gewerbliche Nutzung jedoch auf die Nutzung ab. Anlage 23 BewG stellt bei den Instandhaltungskosten für gewerbliche Nutzung hingegen auf die Gebäudearten des Sachwertverfahrens (Anlage 24, Teil II. BewG) ab.
cc) Mietausfallwagnis (Rz. 37)
Das Mietausfallwagnis hängt vom Rohertrag ab. Bei einer Mischnutzung (Wohnen/Nichtwohnen) sind die Roherträge aufzuteilen. Für Wohnungen, Wohnräume und die dazugehörenden Garagen und ähnlichen Einstellplätze (Wohnnutzung) sind 2 % des Rohertrages als Mietausfallwagnis zu berücksichtigen – für alle anderen Räumlichkeiten 4 %.
c) Instandhaltungskosten für Garagen und ähnliche Einstellplätze im Nutzungszusammenhang mit Nichtwohnnutzung (Rz. 36 Satz 4)
Die Instandhaltungskosten für gewerblich genutzte ...