Leitsatz
Ein inländischer Vermögensverwahrer oder -verwalter ist verpflichtet, in die Anzeigen nach § 33 Abs. 1 ErbStG auch Vermögensgegenstände einzubeziehen, die von einer Zweigniederlassung im Ausland verwahrt oder verwaltet werden.
Normenkette
§ 33 Abs. 1 ErbStG, Art. 25 GG
Sachverhalt
Die Klägerin, ein deutsches Kreditinstitut, unterhielt in London eine Zweigniederlassung. Für die dort geführten Konten bestand die Anweisung, diese beim Tod eines Kunden nicht in die Anzeige nach § 33 Abs. 1 ErbStG einzubeziehen.
Als die Steuerfahndung von dieser Anweisung erfuhr, forderte das FA die Klägerin gestützt auf § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO und unter Androhung eines Zwangsgelds auf, die Todesfälle solcher Personen mitzuteilen, denen im Todeszeitpunkt Vermögensgegenstände und Forderungen in der Londoner Betriebsstätte zustanden oder denen darüber eine Verfügungsbefugnis erteilt war.
Die Klägerin hielt diesen Bescheid, der 1999 erging und sich auf Todesfälle ab 1992 bezog, für rechtswidrig.
Entscheidung
Der BFH war dagegen der Ansicht, der Bescheid sei rechtmäßig. Der Gewahrsam der Klägerin erstrecke sich auch auf Vermögensgegenstände, die in ihren ausländischen Zweigniederlassungen verwahrt werden. Bezüglich der Forderungen der verstorbenen Kunden gegen die Bank komme es ohnehin auf einen Gewahrsam nicht an.
Der Bescheid sei auch inhaltlich hinreichend bestimmt. Er sei zu Recht von dem (Steuerfahndungs-)FA erlassen worden. Der für eine Maßnahme nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO erforderliche begründete Anlass habe darin bestanden, dass die Klägerin ihrer Anzeigepflicht jahrelang nicht nachgekommen sei. Von Ermittlungen "ins Blaue hinein" könne daher keine Rede sein.
Hinweis
Ein inländisches Kreditinstitut, das im Ausland tätig werden will, kann dort eine Zweigniederlassung (Betriebsstätte) oder eine Tochtergesellschaft gründen. Die ausländische Tochtergesellschaft unterliegt der Anzeigepflicht nach § 33 Abs. 1 ErbStG nicht. Dagegen ist die ausländische Betriebsstätte Teil der inländischen Bank, sodass sich deren Anzeigepflicht auch auf Vermögen und Konten erstreckt, das dort verwahrt wird bzw. die dort geführt werden. Dem steht weder das Völkerrecht noch ausländisches Bankenaufsichtsrecht entgegen.
Es gibt keinen allgemeinen Grundsatz des Völkerrechts, der der Anordnung der unbeschränkten Steuerpflicht im Fall eines inländischen Wohnsitzes entgegensteht, wie dies in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG geschehen ist. Ist aber eine unbeschränkte Steuerpflicht, die auch im Ausland belegenes Vermögen erfasst, völkerrechtlich zulässig, kann eine gesetzliche Anzeigepflicht, die sich an inländische Rechtssubjekte wendet, nicht völkerrechtswidrig sein, und zwar auch dann nicht, wenn Angaben im Zusammenhang mit einer Auslandsgeschäftstätigkeit verlangt werden.
Für die Bankenaufsicht über die Niederlassungen und die grenzüberschreitenden Dienstleistungen im Bereich der EU und des EWR ist die Behörde am Sitz des Kreditinstituts zuständig (vgl. Zweite EG-Bankenrechtskoordinierungs-RL vom 15.12.1989, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 30.12.1989, L 386). Der Aufsichtsbehörde des Staats der Niederlassung verbleiben danach nur Restzuständigkeiten.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 31.5.2006, II R 66/04