§ 8 Abs. 1 Satz 1 AÜG bestimmt, dass Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung grundsätzlich einen Anspruch auf die im Betrieb des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers des Entleihers haben (Gebot des sog. Equal Pay und Equal Treatment). Aus dem Wortlaut "wesentliche Arbeitsbedingungen eines vergleichbaren Arbeitnehmers" ergibt sich, dass der Gleichstellungsgrundsatz nur für die Zeit der Überlassung gilt; für Zeiten ohne Überlassungen sind Abweichungen möglich.
Der Begriff der wesentlichen Arbeitsbedingungen wird unter Rückgriff auf die Leiharbeitsrichtlinie bestimmt. Danach betreffen die wesentlichen Arbeitsbedingungen die Dauer der Arbeitszeit, Überstunden, Pausen, Ruhezeiten, Nachtarbeit, Urlaub, arbeitsfreie Tage sowie das Arbeitsentgelt. Mit seiner Entscheidung vom 12.5.2022 hat der EuGH dies auch noch einmal in Bezug auf den Jahresurlaub, das Urlaubsgeld und auch die Urlaubsabgeltung bestätigt. Ferner hat der Entleiher die in seinem Unternehmen geltenden Bedingungen für Schwangere, Kinder und Jugendliche sowie Diskriminierungsverbote zu beachten.
Abweichungsmöglichkeiten und Grenzen
Grundsätzlich sind Abweichungsmöglichkeiten vom Gleichstellungsgrundsatz durch einen Tarifvertrag zwar möglich, sie sind jedoch sowohl in finanzieller, zeitlicher als auch personeller Hinsicht begrenzt.
Finanziell: Lohnuntergrenze/Mindestlohn
In finanzieller Hinsicht muss den nach § 3a Abs. 2 AÜG festgesetzten Mindestentgelten Rechnung getragen werden. Diese dürfen nicht unterschritten werden. Das Mindeststundenentgelt lag bis zum 31.3.2024 bei bundesweit einheitlich 13,50 EUR.
Seit dem 1.4.2024 gilt bis zum Inkrafttreten einer "Sechsten Verordnung über eine Lohnuntergrenze in der Arbeitnehmerüberlassung" lediglich der gesetzliche Mindestlohn in Höhe von derzeit 12,41 EUR brutto. Der am 2.9.2024 veröffentlichte Entwurf zu der neuen Verordnung sieht ab deren Inkrafttreten zukünftig ein Mindeststundenentgelt in Höhe von 14 EUR sowie ab dem 1.3.2025 in Höhe von 14,53 EUR vor.
Zeitlich: Equal Pay grds. nach 9 Monaten, maximal nach 15 Monaten bei Stufentarifverträgen
In zeitlicher Hinsicht darf die Abweichung vom Gleichstellungsgebot hinsichtlich des Arbeitsentgelts ("Equal Pay") grundsätzlich nur für maximal 9 Monate durch einen entsprechenden Tarifvertrag erfolgen. D. h., spätestens nach den ersten 9 Monaten der Überlassung hat der Leiharbeitnehmer einen Anspruch auf Equal Pay entsprechend einem vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers.
Eine längere Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz ist ausnahmsweise nur dann möglich, wenn ein qualifizierter (Branchen-)Zuschlagstarifvertrag gilt, der eine stufenweise Heranführung an das vergleichbare tarifvertragliche Arbeitsentgelt in der Einsatzbranche vorsieht. In diesem Fall muss die Gleichstellung an das tarifliche Equal Pay spätestens nach den ersten 15 Monaten einer Überlassung erfolgen.
Um eine Umgehung dieser Ausnahmeregelungen zu vermeiden, sind Zeiträume einer vorherigen Überlassung durch denselben oder einen anderen Verleiher an denselben Entleiher vollständig anzurechnen, wenn zwischen den Einsätzen jeweils nicht mehr als 3 Monate liegen.
Personell: Drehtürklausel
Nach § 8 Abs. 3 AÜG wird der Gleichstellungsgrundsatz durch einen anwendbaren Tarifvertrag auch dann nicht verdrängt, wenn der Leiharbeitnehmer in den letzten 6 Monaten vor der Überlassung an den Entleiher aus einem Arbeitsverhältnis bei diesem ausgeschieden ist. Insofern erfährt die Abweichungsmöglichkeit eine personelle Einschränkung. Damit soll eine Arbeitnehmerüberlassung in den fraglichen Fällen zwar nicht ganz unterbunden werden, es soll aber verhindert werden, dass Arbeitnehmer als Mitglieder der Stammbelegschaft entlassen und kurz darauf zu schlechteren Arbeitsbedingungen als Zeitarbeitskräfte wieder im Unternehmen(sverbund) beschäftigt werden. Zum Schutz der Leiharbeitnehmer soll daher bei solchen Leiharbeitnehmern, die die o. g. Voraussetzungen erfüllen, der Grundsatz des "Equal Pay" oder "Equal Treatment" uneingeschränkt fortgelten. Diese Leiharbeitnehmer können also weiterhin regulär als Leiharbeitnehmer beschäftigt werden; sie sind jedoch genauso wie die Stammarbeitnehmer im Entleiherbetrieb zu vergüten.