Dipl.-Finanzwirt Christian Ollick
Leitsatz
Ein Lehrer mit schriftstellerischer Nebentätigkeit hat den Mittelpunkt seiner Gesamttätigkeit nicht in seinem häuslichen Arbeitszimmer. Er kann daher nur einen beschränkten Abzug der Arbeitszimmerkosten von 1.250 EUR pro Jahr geltend machen. Auch detaillierte Stundenaufzeichnungen, die eine zeitlich überwiegende Nutzung des Arbeitszimmers belegen, verschieben den Tätigkeitsmittelpunkt nicht. Vielmehr kommt es auf den qualitiativen Schwerpunkt der Tätigkeit an und nicht auf eine quantitative Betrachtung der Zeitanteile.
Sachverhalt
Ein Berufsschullehrer war nebenberuflich schriftstellerisch tätig und verfasste im Rahmen seiner Nebentätigkeit sehr erfolgreich Schulbücher. In seiner Einkommensteuererklärung 2002 machte er Arbeitszimmerkosten in Höhe von 3.659,61 EUR als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt gewährte ihm nur einen beschränkten Abzug von 1.250 EUR pro Jahr und war der Ansicht, dass das Arbeitszimmer nicht den Tätigkeitsmittelpunkt der Gesamttätigkeit bildete. Der Lehrer reichte detaillierte Aufstellungen seiner Arbeitszeiten ein und rechnete darin vor, dass er 50,61 % seiner jährlichen Arbeitsstunden im Arbeitszimmer geleistet habe (Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie schriftstellerische Tätigkeit). Diese überwiegende Stundenzahl ließe das Arbeitszimmer auch zum qualitativen Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
Entscheidung
Das FG entschied, dass nur ein begrenzter Kostenabzug von 1.250 EUR möglich ist, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildete (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 HS. 2 EStG 2002). Bei der Ausübung mehrerer Tätigkeiten wie im Urteilsfall ist der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit anhand einer Gesamtbetrachtung aller vom Steuerpflichtigen ausgeübten Tätigkeiten zu bestimmen. Dabei sind zunächst die jeweiligen Mittelpunkte jeder einzelnen Tätigkeit zu ermitteln. Auf dieser Grundlage wird dann im Rahmen einer qualitiativen Wertung der Schwerpunkt der Gesamttätigkeit bestimmt. Die laufende Rechtsprechung des BFH verdeutlicht, dass der inhaltliche und damit qualitiative Schwerpunkt der Tätigkeit des Steuerpflichtigen entscheidend ist und nicht der zeitliche Anteil der Tätigkeit im Arbeitszimmer. Der zeitliche Anteil habe lediglich eine indizielle Bedeutung.
Im Urteilsfall wird der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit durch die Haupttätigkeit als Lehrer indiziert. Ein Lehrer hat den qualitativen Mittelpunkt seiner Tätigkeit eindeutig in der Schule und damit außerhalb des häuslichen Arbeitszimmers. Zwar befindet sich der qualitative Mittelpunkt der schriftstellerischen Tätigkeit im Arbeitszimmer, dieser Umstand führt jedoch nicht zu einer Verschiebung des Mittelpunkts der Gesamttätigkeit. Auch die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts im Arbeitszimmer ist nach Ansicht des FG nicht geeignet, den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit in die häusliche Sphäre zu verlagern.
Hinweis
Die Finanzverwaltung gibt im BMF-Schreiben vom 2.3.2011 (BStBl 2011 I S. 195) einen strukturierten Überblick über die aktuell geltenden Abzugsvoraussetzungen für Arbeitszimmeraufwendungen und äußert sich in Randziffer 12 des Schreibens zu den Besonderheiten bei der Ausübung mehrerer beruflicher Tätigkeiten.
Der Urteilsfall betrifft zwar einen Fall aus dem Jahr 2002, der unbeschränkte Abzug von Arbeitszimmeraufwand setzt jedoch auch nach der aktuellen Rechtslage einen Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit voraus (§ 4 Abs. 5 Nr. 6b Satz 3, HS 2 EStG).
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 22.02.2011, 1 K 3351/08 E