Leitsatz
Ein Tankstellenbetreiber hat den Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen Betätigung i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG am Ort der Tankstelle. Das gilt auch, wenn er überwiegend im häuslichen Arbeitszimmer tätig ist.
Normenkette
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG
Sachverhalt
Der Kläger betrieb eine Tankstelle. Bei der Gewinnermittlung berücksichtigte er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer i.H.v. 5.759 DM sowie Aufwendungen für Fahrten vom Arbeitszimmer zur Tankstelle nach Dienstreisegrundsätzen. Das FA erkannte Aufwendungen für das Arbeitszimmer nur i.H.v. 2.400 DM an und ließ die Fahrtkosten nur gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zum Abzug zu. Das FG wies die Klage ab (EFG 2004, 178).
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Auffassung des FG, dass der Kläger die Aufwendungen für das Arbeitszimmer nicht unbegrenzt abziehen darf, weil nicht das Arbeitszimmer, sondern die Tankstelle den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung bildet. Auch hinsichtlich der Abzugsbeschränkung der Fahrtkosten gab der BFH dem FA Recht.
Hinweis
1. Voraussetzung für den unbegrenzten Abzug der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer ist nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung eines Steuerpflichtigen bildet.
Wo dieser Mittelpunkt liegt, bestimmt sich nach gefestigter Rechtsprechung des BFH nach dem inhaltlichen, d.h. dem qualitativen Schwerpunkt der Tätigkeit (vgl. BFH, Urteil vom 28.8.2003, IV R 34/02, BFH-PR 2004, 7). Dieser wiederum liegt dort, wo die Handlungen vorgenommen und Leistungen erbracht werden, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind.
Damit hat der BFH ausdrücklich dem quantitativ geprägten Begriff des Mittelpunkts der Tätigkeit, von dem der BMF im Schreiben vom 16.6.1998 (BStBl I 1998, 863) noch ausgegangen war, eine Absage erteilt. Der BMF hat sich inzwischen aber der Auffassung des BFH angeschlossen (siehe BMF, Schreiben vom 7.1.2004, BStBl I 2004, 143, Tz. 8).
Dem zeitlichen, d.h. dem quantitativen Umfang der Nutzung des Arbeitszimmers kommt lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Allein das zeitliche Überwiegen einer Tätigkeit kann deshalb weder zum unbegrenzten Abzug der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer führen noch zum Ausschluss desselben.
2. Im Besprechungsfall hatte der Kläger allerdings nicht nur vorgebracht, dass er die weitaus überwiegende Zeit in seinem Arbeitszimmer für den Tankstellenbetrieb tätig ist, sondern z.B. auch, dass er dort Personal- und Warenbestandsmanagement betreibt sowie Werbeaktionen und Marktstrategien plant und vorbereitet. Das bedeutet, dass er in seinem Arbeitszimmer die geschäftsleitenden Ideen entwickelt und die für sein Unternehmen wichtigen Entscheidungen trifft.
Dieser Gesichtspunkt – so der BFH – kann das Arbeitszimmer aber nur dann zum (qualitativen) Mittelpunkt der gesamten betrieblichen Betätigung machen, wenn die Entwicklung von Ideen und das Fällen von Entscheidungen für die Tätigkeit des Steuerpflichtigen insgesamt prägend sind. Das ist bei einer Tankstelle offensichtlich nicht der Fall. Dient eine solche Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer aber lediglich der Vor- oder Nachbereitung und der Unterstützung der eigentlichen Tätigkeit, was für die Tankstelle wiederum zutrifft, wird das Arbeitszimmer dadurch nicht zum Tätigkeitsmittelpunkt i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG.
3. Beachten Sie: Bei diesem Verständnis des Tätigkeitsmittelpunkts werden Selbstständige, die ein Handelsunternehmen betreiben, wegen der prägenden Natur der Verkaufstätigkeit regelmäßig nicht in den Genuss des unbegrenzten Abzugs für die Arbeitszimmeraufwendungen kommen. Dieses Problem sieht auch der BFH. Allerdings betont er, dass dieses Ergebnis mit der Systematik der Norm und deren Sinn und Zweck (Steuervereinfachung und sachgerechte Begrenzung des Betriebsausgabenabzugs) in Einklang steht.
4. Die Fahrtaufwendungen zwischen dem Arbeitszimmer und der Tankstelle unterliegen der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG. Dabei kommt es – entgegen der Auffassung des FG – nicht darauf an, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit bildet oder nicht.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.7.2005, XI R 87/03