Arbeitszimmer eines freiberuflich tätigen Pensionärs

Oft nehmen Ruheständler eine selbständige Tätigkeit auf, sobald sie ihre Pension beziehen. Die Tätigkeit wird in diesem Fall häufig im häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt. Die Frage ist dann, ob das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet.

Abzugsmöglichkeiten

Ist diese Frage zu bejahen, können

  • die Arbeitszimmerkosten entweder nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG unbegrenzt abgezogen werden oder
  • anstelle der Aufwendungen kann nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG pauschal ein Betrag von 1.260 EUR (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden. Die Inanspruchnahme der Jahrespauschale hat den Vorteil, dass der Nachweis von Arbeitszimmerkosten entfällt.

Beispiel: Pensionär ist als Schriftsteller freiberuflich tätig

P war bis zum 31.12.2022 als Beamter bei einer Bundesbehörde tätig. Ab 1.1.2023 bezieht er als Ruhestandsbeamter Versorgungsbezüge i.S.d. § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG. Außerdem erzielt er ab 1.1.2023 Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Schriftsteller i.S.d. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Diese Tätigkeit wird in einem im Einfamilienhaus des P gelegenen häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt. Von den für das Haus insgesamt entstehenden Aufwendungen 2023 entfällt ein Betrag von 1.800 EUR auf das Arbeitszimmer.

Praxis-Tipp: Versorgungsbezüge bleiben unberücksichtigt

P kann seine Arbeitszimmerkosten nur dann in Höhe von 1.800 EUR als Betriebsausgaben abziehen, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Der BFH hat entschieden, dass Einkünfte aus früheren Dienstleistungen i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die nach Erreichen einer Altersgrenze allein aufgrund einer früheren, im maßgebenden Veranlagungszeitraum nicht mehr ausgeübten Tätigkeit gezahlt werden, in die Gesamtbetrachtung zur Beurteilung des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung nicht mit einzubeziehen sind (BFH Urteil vom 11.11.2014 - VIII R 3/12, BStBl 2015 II S. 382).

Denn diese Einkünfte werden nicht durch eine im Veranlagungszeitraum des Zuflusses ausgeübte aktive Tätigkeit des Steuerpflichtigen erzielt. Versorgungsbezüge, die für eine frühere Tätigkeit gezahlt werden und kein Tätigwerden des Steuerpflichtigen im Arbeitszimmer erforderlich machen, bleiben im Rahmen der Gesamtbetrachtung unberücksichtigt. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung und Gewichtung der einzelnen Tätigkeiten für die Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten Tätigkeit sind nur solche Einkünfte zu berücksichtigen, die grundsätzlich ein Tätigwerden des Steuerpflichtigen im jeweiligen Veranlagungszeitraum erfordern.

Auch der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung spricht dagegen, die aktive Tätigkeit in früheren Veranlagungszeiträumen für die Bestimmung des Mittelpunkts der gesamten Tätigkeit heranzuziehen. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung eines häuslichen Arbeitszimmers – hier die Frage des Mittelpunkts der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit – sind für jeden Veranlagungszeitraum eigenständig zu prüfen (BFH Urteil vom 11.11.2014 - VIII R 3/12, BStBl 2015 II S. 382 Rn. 28).

Diese steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung wird von der Finanzverwaltung akzeptiert (BMF, Schreiben v. 15.8.2023, IV C 6 – S 2145/19/10006 :027, Rn. 12). P kann seine Arbeitszimmerkosten somit in Höhe von 1.800 EUR als Betriebsausgaben abziehen, vorausgesetzt, die Aufwendungen wurden nach § 4 Abs. 7 EStG einzeln und getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben aufgezeichnet.

Verwaltungsseitig bestehen keine Bedenken, wenn die auf das häusliche Arbeitszimmer anteilig entfallenden Finanzierungsaufwendungen im Wege der Schätzung ermittelt werden und nach Ablauf des Wirtschafts- oder Kalenderjahrs eine Aufzeichnung aufgrund der Jahresabrechnung des Kreditinstituts erfolgt. Entsprechendes gilt für die verbrauchsabhängigen Aufwendungen wie z. B. für Wasser- und Energie. Es ist ausreichend, Abschreibungsbeträge einmal jährlich – zeitnah nach Ablauf des Kalender- oder Wirtschaftsjahres – aufzuzeichnen (BMF, Schreiben v. 15.8.2023, IV C 6 – S 2145/19/10006 :027, Rn. 25).

Inanspruchnahme der Jahrespauschale von 1.260 EUR

Wenn das häusliche Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, kann anstelle der tatsächlichen Aufwendungen pauschal ein Betrag von 1.260 EUR (Jahrespauschale) für das Wirtschafts- oder Kalenderjahr abgezogen werden (Wahlrecht – § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 EStG). Der Betrag von 1.260 EUR ist ein Pauschbetrag, mit dem die Aufwendungen für die gesamte betriebliche und berufliche Betätigung im häuslichen Arbeitszimmer abgegolten sind. Für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für den Abzug der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht vorliegen, ermäßigt sich der Betrag von 1.260 EUR um ein Zwölftel (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 4 EStG). Beim Abzug der Jahrespauschale bestehen die besonderen Aufzeichnungspflichten nach § 4 Abs. 7 EStG nicht (BMF, Schreiben v. 15.8.2023, IV C 6 – S 2145/19/10006 :027, Rn. 26). Bei Inanspruchnahme der Jahrespauschale ergeben die Aufzeichnungspflichten keinen Sinn (Schmidt/Loschelder, EStG, 42. Aufl. 2023, § 4 Rn. 604).

Praxis-Tipp: Urteil gilt auch für Rentner

Die Entscheidung des BFH, wonach die frühere Tätigkeit des Pensionärs mit Versorgungsbezügen nicht in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist, ist im Grundsatz auch auf einen Rentner übertragbar, der Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhält (Schütze, HFR 2015 S. 851).

Hinweis: Arbeitszimmer als Betriebsvermögen

Ein betrieblich genutztes Arbeitszimmer ist bei selbständig Tätigen i.d.R. unabhängig vom Betriebsausgabenabzug dem umfassend steuerverhafteten notwendigen Betriebsvermögen zuzuordnen, wenn die Wertgrenzen des § 8 EStDV überschritten sind.


Schlagworte zum Thema:  Häusliches Arbeitszimmer, Pensionär