Leitsatz
1. Die Zollbehörde bestimmt nach ihrem Ermessen, wie eine einheitlich angemeldete Sendung untersucht wird; sie bestimmt den Umfang der Probenentnahme.
2. Es muss keine Rückstellprobe entnommen werden.
3. Führt die Untersuchung mehrerer Proben zu entgegengesetzten Ergebnissen, kann nicht die Anmeldung als richtig unterstellt werden.
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
Art. 70, 71 ZK
Sachverhalt
Ein Importeur hatte "Hähnchenbrust, entbeint, gefroren, gesalzen" zur Abfertigung zum freien Verkehr angemeldet. Aus den insgesamt 2.000 Kartons entnahm das HZA sechs Packungen und fertigte die Sendung ab. Die Untersuchung der entnommenen Probe ergab, dass der Salzgehalt für die angemeldete tarifliche Einordnung nicht ausreichend war. Das HZA erhob deshalb die entsprechenden höheren Einfuhrabgaben nach. Hiergegen erhob der Importeur Einspruch und übersandte dem HZA einen weiteren Karton, der angeblich aus der Sendung stammte; dessen Untersuchung ergab einen ausreichenden Salzgehalt. Das HZA hielt gleichwohl an seinem Nacherhebungsbescheid fest.
Entscheidung
Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen. Durch die Anmeldung des Importeurs ist keine Beschaffenheitsfiktion ausgelöst worden. Das zweite Untersuchungsergebnis kann bei der Entscheidung nur berücksichtigt werden, wenn das FG im zweiten Rechtsgang feststellt, dass der betreffende Karton tatsächlich aus der Einfuhrsendung stammt.
Ist das nicht feststellbar, löst die Untersuchung der zollamtlichen Probe die Beschaffenheitsfiktion nach Art 70 ZK aus; der Nacherhebungsbescheid ist dann rechtmäßig. Kann das FG das feststellen, stehen zwei Untersuchungsergebnisse gegeneinander; wie die Sache dann rechtlich zu beurteilen ist, hat der BFH einstweilen offen gelassen. Er hat jedoch in diesem Zusammenhang auf eine vergleichbare, allerdings in einem marktordnungsrechtlichen Fall dem EuGH vorgelegte Frage verwiesen (BFH, Beschluss VII R 19/03, BFH/NV 2004, 1, EuGH, Rs. C-353/04).
Hinweis
1. Die Ergebnisse der Beschau einer aus einer einheitlich angemeldeten Warensendung entnommenen Probe gelten für die gesamte Warensendung. Das bestimmt Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK. Wie umfangreich die Probe ist, die das HZA entnimmt, hat das HZA nach seinem Ermessen zu entscheiden; Rechtsvorschriften dazu gibt es nicht. Das HZA kann sich auch bei einer umfangreichen Warensendung auf eine Stichprobe beschränken. Es muss also keine Probe entnehmen, die so umfangreich ist, dass ihre Untersuchung auch dann mit der gewissen Wahrscheinlichkeit die Beschaffenheit der Warensendung erkennen lässt, wenn diese – entgegen der Anmeldung des Importeurs – nicht einheitlich beschaffen ist.
Das hat der BFH sinngemäß schon immer so gesehen; seine Rechtsprechung betraf allerdings bisher § 17 des alten deutschen Zollgesetzes, das in diesem Zusammenhang lediglich eine widerlegliche Vermutung hinsichtlich der Warenbeschaffenheit aufstellte; hingegen scheint Art. 70 ZK keine Vermutung, sondern eine Fiktion zu normieren. Das hat den BFH aber nicht daran gehindert, an seiner bisherigen Rechtsprechung zu den Folgen der Untersuchung einer Stichprobe festzuhalten.
2. Es ist also nicht richtig oder zumindest missverständlich, wenn gelegentlich behauptet wird, die vom HZA entnommene Probe müsse "repräsentativ" sein. Denn wenn eine Sendung als einheitlich beschaffen angemeldet worden ist, ist auch die kleinste Stichprobe repräsentativ; jedenfalls löst sie die Beschaffenheitsfiktion aus.
Der EuGH hat zwar in seinem Urteil vom 4.3.2004, C-290/01 (EuGHE 2004, I-2041) eine repräsentative Probe verlangt; das beruhte aber darauf, dass bei diesem marktordnungsrechtlichen Fall das einschlägige Recht eine Fehlertoleranz hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware zuließ. Dann versteht sich von selbst, dass die Probe so groß sein muss, dass die Einhaltung oder Überschreitung der Toleranzmarge überhaupt festgestellt werden kann. Wo eine solche Toleranz nicht besteht, reicht hingegen jede Stichprobe. Im Zollrecht besteht grundsätzlich niemals eine Toleranz.
3. Die Zollbehörde ist grundsätzlich nicht verpflichtet, bei der Probenziehung auch eine Rückstellprobe zu nehmen. Im Besprechungsfall kann der Importeur also nichts daraus für sich herleiten, dass keine Rückstellprobe genommen worden ist. Überdies wird eine Rückstellprobe niemals genommen, um dem Zollanmelder den Nachweis zu ermöglichen, dass seine Ware entgegen der Anmeldung doch nicht einheitlich beschaffen ist; sie dient vielmehr als Untersuchungsgrundlage im Fall des Verderbs der Probe.
4. Schwierig werden die Dinge, wenn aus einer einheitlichen Sendung mehrere Proben genommen und untersucht werden und dies zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, teilweise also die Richtigkeit der Anmeldung bestätigt wird, teilweise aber auch nicht. Klar scheint, dass dann nicht etwa gem. Art. 71 Abs. 2 ZK von der Richtigkeit der Anmeldung auszugehen ist (weil sich die entgegengesetzten Fiktionen der Untersuchungsergebnisse gegenseitig aufheben). Denn Art. 71 setzt gerade voraus, dass eine Pr...