Leitsatz
1. Die Entscheidung, in welchem Umfang die Beschaffenheit des Zollguts ermittelt wird und Proben entnommen werden, liegt auch unter der Geltung des ZK im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde.
2. Die Beschränkung der Beschau auf eine Stichprobe ist grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, wenn der Anmelder in der Zollanmeldung nicht auf eine unterschiedliche Beschaffenheit der Ware hinweist. In diesem Fall kann vom Zollanmelder weder die Untersuchung einer Rückstellprobe beansprucht noch können aus der Nichtuntersuchung einer Rückstellprobe für den Zollanmelder günstige Folgerungen hinsichtlich der Beschaffenheit der Ware gezogen werden.
3. Bei ihrer Ermessensausübung hinsichtlich des Umfangs einer Warenbeschau bei der Einfuhrabfertigung hat die Zollbehörde marktordnungsrechtliche Vorschriften, welche für ihren Bereich die Entnahme repräsentativer Durchschnittsproben aus Warensendungen vorsehen, nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
Art. 68, Art. 69 Abs. 2, Art. 70 Abs. 1 VO Nr. 2913/92 (ZK), Art. 240, Art. 242 Abs. 1 VO Nr. 2454/93 (ZKDVO)
Sachverhalt
Beim HZA wurden 666 Kartons "gefrorene Hähnchenbrüste, ... gewürzt mit 1,2 % Salz" zur Abfertigung zum freien Verkehr angemeldet. Das HZA entnahm einem Karton eine Probe, fertigte die Sendung ab und erhob die Eingangsabgaben. Die Untersuchung der Probe ergab, dass das Fleisch weniger stark gesalzen war. Die infolge der entsprechenden anderen Tarifierung fälligen höheren Eingangsabgaben erhob das HZA nach.
Der Einführer macht dagegen geltend, dass das Untersuchungsergebnis ein bloßer Ausreißer sei; die Untersuchung einer einzigen Probe sei insbesondere bei einem Naturprodukt nicht geeignet, die Beschaffenheit einer ganzen umfangreichen Warensendung festzustellen.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG, das der Klägerin Recht gegeben hatte, aufgehoben und deren Klage aus den im Praxis-Hinweis erläuterten Gründen abgewiesen.
Hinweis
1. Nach Art. 70 Abs. 1 Unterabs. 1 ZK gelten die Ergebnisse einer Teilbeschau für alle in der Anmeldung bezeichneten Waren. In welchem Umfang die Beschaffenheit von Zollgut durch Beschau ermittelt wird, liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Zollbehörde. Wird eine Ware als einheitlich beschaffen angemeldet, ist es grundsätzlich nicht ermessensfehlerhaft, die Beschau auf eine Stichprobe zu beschränken. Denn der Anmelder behauptet ja gerade, die Ware sei in allen Teilen gleichartig beschaffen.
2. Das Urteil des EuGH vom 4.3.2004, Rs. C-290/01 (EuGHE 2004, I-2041) hat allerdings insofern hier und da Verwirrung gestiftet. Denn es scheint das Erfordernis der Repräsentativität der untersuchten Warenprobe aufzustellen, also eine Untersuchung von so vielen Teilstücken der angemeldeten Sendung zu verlangen, dass eine gewisse (welche?) Wahrscheinlichkeit besteht, dass eine – nicht der Anmeldung entsprechende – unterschiedliche Beschaffenheit zuverlässig erkannt und ggf. sogar quantifiziert werden kann.
Das ist indes ein Trugschluss: Das Urteil betrifft Bruchreis, der nur mit einem bestimmten Anteil unter den Reiskörnern enthalten sein muss, und zudem als Schüttgut eingeführt wurde, bei dem die unterschiedlichen Körner unregelmäßig vermischt sein können; deshalb müssen Proben an verschiedenen Stellen der Sendung gezogen werden.
Ferner sehen marktordnungsrechtliche Regelungen mitunter Toleranzen für eine unterschiedliche Beschaffenheit vor (z.B. für gebrochene Knochen bei Geflügelteilen). Das Zollrecht kennt so etwas, soweit ersichtlich, nicht.
3. Es besteht auch keine Pflicht zur Untersuchung der Rückstellprobe, die der Zoll häufig für den Fall zieht, dass die eigentliche Probe nicht untersucht werden kann (z.B. weil sie verdirbt). Erst recht nicht kann der Anmelder etwas draus für sich herleiten, dass der Zoll die Rückstellprobe nicht lange genug aufbewahrt.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 24.1.2006, VII R 40/04