Leitsatz
Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG abzuzinsen. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn sie aus handelsrechtlicher Sicht eigenkapitalersetzenden Charakter haben.
Normenkette
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG
Sachverhalt
Klägerin ist eine GmbH, der von ihrem alleinigen Gesellschafter 1998 ein Darlehen gewährt worden war, das der Finanzierung einer von der Klägerin zu erwerbenden Beteiligung dienen sollte. Ein schriftlicher Darlehensvertrag wurde nicht geschlossen. Ein solcher Vertrag besteht erst seit Mitte 2005; er sieht eine Verzinsung des Darlehens mit 1 % vom 01.01.2004 an vor. In der Bilanz zum 31.12.1998 wurde die Darlehensverbindlichkeit mit dem Rückzahlungsbetrag passiviert; eine Verzinsung erfolgte in den Streitjahren 1999 bis 2003 nicht.
Das FA vertrat die Ansicht, dass die Darlehensverbindlichkeit nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu bewerten sei. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10.12.2007, 6 K 446/06, Haufe-Index 1999816, DStRE 2009, 71).
Entscheidung
Der BFH hat das bestätigt und die Schuld abgezinst.
Hinweis
Der BFH hat (im vereinfachten Beschlussweg nach § 126a FGO, also ohne mündliche Verhandlung) eine Grundsatz-Streitfrage entschieden, die derzeit zu einer Vielzahl von FG-Entscheidungen geführt hat (u.a. FG Köln, Urteil vom 01.09.2009, 13 K 93/07, 13 K 94/07, Haufe-Index 2263688, Rev. I R 102/09, und FG Köln, Urteil vom 15.01.2009, 13 K 4781/04, Haufe-Index 2161240, EFG 2009, 1199, Rev. I R 35/09):
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 EStG sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Die Abzinsung unterbleibt u.a. bei Verbindlichkeiten, deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG).
2. Vor diesem Hintergrund stellen sich zwei Fragen:
Erste Frage: Wann ist ein Darlehen auf unbestimmte Zeit gewährt worden? Fehlt es daran, wenn der Schuldner mit der jederzeitigen gesetzlichen Kündigung von drei Monaten (nach § 609 BGB a.F., § 488 Abs. 3 S. 2 BGB n.F.) rechnen (können) muss? Die Antwort des BFH lautet: Nein:
Es trifft zwar zu, dass der Schuldner eines Darlehens ohne feste Laufzeit gedanklich stets mit dessen fristgerechter Kündigung und einer daran anschließenden Rückzahlungspflicht rechnen muss. Ebenso ist richtig, dass ein Erwerber des Schuldnerbetriebs die Gefahr einer alsbaldigen Kündigung jedenfalls dann in seine Preisvorstellungen einkalkulieren wird, wenn er nicht entweder zugleich die Darlehensforderung erwirbt oder eine Änderung des Darlehensvertrags im Sinn einer längeren Befristung erreichen kann. Darauf kann aber im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG nicht entscheidend abgestellt werden.
Denn das Gebot der Abzinsung von Verbindlichkeiten beruht ebenso wie das ihm entsprechende Abzinsungsgebot für Verbindlichkeitsrückstellungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG) auf der typisierenden Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht. Daher ist es sachgerecht, die Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 EStG vorrangig am Gesichtspunkt der tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung auszurichten. Diese aber hängt nicht (nur) von der zivilrechtlichen Ausgangslage, sondern davon ab, auf eine wie lange Zeit der Schuldner nach den tatsächlichen Verhältnissen mit einer Überlassung des Kapitals rechnen kann.
Zweite Frage: Unterfallen auch (kapitalersetzende) Gesellschafterdarlehen vorbehaltlos dem Abzinsungsgebot? Das, obschon das Abzinsungsgebot auf die an sich unentgeltliche Gesellschafterleistung nicht (nur) eine Aufwandsreduzierung, sondern die Entstehung eines Ertrags bewirkt, der bei der Gewährung von Eigenkapital nicht entstünde? Die Antwort des BFH lautet hier: Ja:
- Bei einem Gesellschafterdarlehen mindert der Aufschub der Rückzahlungspflicht die wirtschaftliche Belastung des Darlehensnehmers nicht anders als bei einem von einem Dritten gewährten Darlehen.
- Es ist unbeachtlich, dass die Unverzinslichkeit wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den Gesellschafter ausgeglichen wird.
- Dass durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vorgänge generell das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht beeinflussen dürfen, ist richtig. Jedoch können Nutzungsvorteile nicht Gegenstand einer (verdeckten) Einlage sein; die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist deshalb kein Anknüpfungspunkt für eine Differenzierung zwischen Gesellschafterdarlehen und Fremddarlehen.
- Und schließlich: Dass es sich u.U. um ein kapitalersetzendes Darlehen handelt, ist egal. Solche Darlehen stellen aus steuerrechtlicher ebenso wie aus zivilrechtlicher Sicht für die Kapitalgesellschaft Fremdkapital dar.
Der BFH bestätigt damit die diesbezügliche Verwaltungspraxis im BMF-Schreiben vom 26.05.2005, BStBl I 2005, 699, 702 Rz. 21 (und widersetzt sich gegenläufigen Bedenken, wie sie im BFH-Urteil vom 10.11.2...