Leitsatz
1. Rechnet das Finanzamt eine bei Fälligkeit nicht entrichtete Steuerforderung gegen eine damals bereits entstandene Erstattungsforderung des Steuerpflichtigen auf, bleiben in der Zeit bis zum Fälligwerden der Erstattungsforderung entstandene Säumniszuschläge bestehen (s. jetzt § 240 Abs. 1 Satz 5 AO 1977 i.d.F. des StBereinG 1999).
2. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss eines Verrechnungsvertrages über noch nicht fällige Erstattungsansprüche.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1 , BGB § 387, , BGB § 389 , AO 1977 § 5, , AO 1977 § 37 Abs. 2, , AO 1977 § 38, , AO 1977 § 218, , AO 1977 § 226, , AO 1977 § 240
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BFH, Urteil vom 13.01.2000, VII R 91/98
Die Klägerin hatte Ende 1994 eine Gewinnausschüttung vorgenommen und die dadurch entstandene Kapitalertragsteuer am 5.1.1995 angemeldet. Die Klägerin hat die Steuer jedoch nicht entrichtet, da sie mit einem – u.a. infolge der Gewinnausschüttung entstandenen – Körperschaftsteuerguthaben rechnete. Aus dem am 13.7.1995 ergangenen KSt-Bescheid ergab sich, dass die Klägerin tatsächlich einen Anspruch auf Erstattung der KSt hatte; diesen Anspruch verrechnete das FA mit der rückständigen Kapitalertragsteuer und den nach seiner Auffassung entstandenen Säumniszuschlägen. Die von der Klägerin vertretene Auffassung, es seien keine Säumniszuschläge angefallen, wies das FA in einem Abrechnungsbescheid zurück.
Der BFH folgte der Ansicht des FA. Die Säumniszuschläge seien nach § 240 AO verwirkt, weil die Klägerin die von ihr zu entrichtende Kapitalertragsteuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet hat. Infolge der Aufrechnung gelten zwar die aufgerechneten Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen, in dem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind ( § 226 AO i.V.m. § 389 BGB ); demgemäß sei auch der Anspruch auf die nicht entrichtete Kapitalertragsteuer untergegangen. Diese Rückwirkungsfiktion des § 389 BGB habe aber keinen Einfluss auf die Säumniszuschläge. Denn diese seien nach ihrem Zweck u.a. als Ungehorsamsfolge gedacht. Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger die von ihm geschuldete Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages „entrichtet” hat, werde durch die spätere Aufrechnung nicht ungeschehen gemacht.
Die Klägerin hatte auch keinen Erfolg mit ihrem Vorbringen, sie habe dem FA ein Angebot zum Abschluss eines „ Verrechnungsvertrags ” gemacht; bei Abschluss eines solchen Vertrags wären die säumige Kapitalertragsteuerschuld erloschen und die verwirkten Säumniszuschläge weggefallen. Nach Ansicht der Klägerin hat das FA den Abschluss dieses Vertrages in ermessenswidriger Weise abgelehnt. Demgegenüber stellt der BFH fest, es gebe keinen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss solcher Verträge.