Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
Betreuen ein selbstständig tätiger und ein angestellter Ingenieur jeweils einzelne Aufträge und Projekte eigenverantwortlich und leitend, so ist trotz der gleichartigen Tätigkeit eine – ggf. im Schätzungsweg vorzunehmende – Aufteilung der Einkünfte nicht ausgeschlossen mit der Folge, dass die vom Unternehmensinhaber selbst betreuten Aufträge und Projekte der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen sind, und nur die von dem Angestellten betreuten Aufträge und Projekte zu gewerblichen Einkünften führen.
Normenkette
§ 2 Abs. 1 S. 1, § 7 GewStG, § 15 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 und 3 EStG, § 1 Abs. 1 GewStDV
Sachverhalt
Der Kläger, ein Diplom-Ingenieur, betrieb zusammen mit einem weiteren Diplom-Ingenieur ein Ingenieurbüro, für das der Kläger nach außen als Einzelunternehmer auftrat. Es existierte kein schriftlicher Gesellschaftsvertrag. Der Gewinn des Ingenieurbüros entfiel zum weitaus überwiegenden Teil auf den Kläger. Beide Ingenieure hatten aber jeweils ihre Projekte völlig selbstständig betreut.
Das FA folgte der Auffassung des Klägers, es handle sich um eine freiberufliche Gesellschaft bürgerlichen Rechts, nicht. Es liege keine Mitunternehmerschaft vor. Da der Kläger nicht leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen sei, erziele er gewerbliche Einkünfte aus einem Einzelunternehmen. Die Klage vor dem FG blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 08.06.2006, 3 K 4699/02, Haufe-Index 1936152).
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück. Schon nach den bisherigen Feststellungen des FG, wonach die einzelnen Aufträge und Projekte jeweils völlig eigenständig entweder vom Kläger oder von dem anderen Ingenieur abgewickelt worden seien, liege eine Trennung der Tätigkeiten und eine Zuordnung der Tätigkeit des Klägers hinsichtlich der von ihm eigenverantwortlich und leitend durchgeführten Projekte zu den freiberuflichen Einkünften nahe. Das FG werde die erforderlichen Ermittlungen nachzuholen und die jeweils zuzuordnenden Einnahmen und vor allem die Ausgaben gegebenenfalls im Schätzungsweg aufzuteilen haben.
Hinweis
Da nur Gewerbetreibende, nicht aber Freiberufler von der GewSt betroffen sind, steht die Rechtsprechung immer wieder vor der Frage, wie gewerbliche und freiberufliche Einkünfte voneinander abzugrenzen sind, insbesondere wenn ein Steuerpflichtiger für sich allein oder zusammen mit anderen Steuerpflichtigen eine Tätigkeit ausübt, die Komponenten beider Einkunftsarten aufweist (gemischte Tätigkeit).
Übt ein Steuerpflichtiger sowohl eine freiberufliche als auch eine gewerbliche Tätigkeit aus, so sind die Tätigkeiten zu trennen, sofern dies möglich ist. Dies gilt auch dann, wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Tätigkeiten bestehen.
Eine einheitliche Tätigkeit liegt nur dann vor, wenn die verschiedenen Tätigkeiten derart miteinander verflochten sind, dass sie sich unlösbar gegenseitig bedingen. Eine solche einheitliche Tätigkeit ist steuerlich danach zu qualifizieren, ob das freiberufliche oder das gewerbliche Element vorherrscht. Für die Tatfrage, ob die Tätigkeitsmerkmale einer gemischten Tätigkeit im Einzelfall derart miteinander verbunden sind und sich gegenseitig unauflösbar bedingen, dass eine Trennung der Bereiche willkürlich erschiene, sind somit verschiedene Aufträge und Projekte nicht einheitlich, sondern getrennt zu betrachten.
Einer Trennung der verschiedenen Tätigkeiten steht nicht entgegen, dass sie in demselben Betrieb entfaltet worden sind, auch wenn die Gemeinkosten nicht von vornherein den einzelnen Tätigkeitsbereichen zugeordnet werden konnten, sondern durch Schätzung aufzuteilen sind.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 08.10.2008 – VIII R 53/07