Leitsatz
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass Vorabgewinnanteile für die Bemessung des Anteils eines Mitunternehmers am GewSt-Messbetrag nicht zu berücksichtigen sind.
Normenkette
§ 35 Abs. 2 S. 2 EStG
Sachverhalt
Eine GmbH hatte für eine auswärtige Beratungsstelle eine atypisch stille Gesellschaft mit dem Beratungsstellenleiter gegründet. Der Beratungsstellenleiter war am Vermögen und Gewinn mit 10 % des Kapitals beteiligt. Außerdem brachte er seine ganze Arbeitskraft ein und erhielt dafür einen Vorabgewinn, der aus einer Mindestvergütung und gewinnabhängigen Zuschlägen bestand. In den Streitjahren 2003 bis 2006 erhielt der Beratungsstellenleiter zwischen 65 % und 95 % des Gesamtgewinns. Das FA stellte den Anteil des Beratungsstellenleiters am GewSt-Messbetrag jedoch auf Anteile zwischen 10 % und 18 % fest und berücksichtigte dabei die Mindestvergütung nicht.
Nach Erhebung von Einsprüchen beantragte der Beratungsstellenleiter Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der aus der Mindestvergütung folgenden Anteile am GewSt-Messbetrag. Das FG lehnte den Antrag ab.
Entscheidung
Die vom FG zugelassene Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der BFH hielt es nicht für ernstlich zweifelhaft, dass Vorabgewinnanteile bei der Aufteilung des GewSt-Messbetrags unberücksichtigt bleiben müssten.
Hinweis
1. Bei Personenunternehmen soll die GewSt-Belastung durch eine Anrechnung der GewSt auf die ESt kompensiert werden. Nach § 35 EStG wird allerdings nicht die volle GewSt angerechnet, sondern ein Vielfaches des GewSt-Messbetrags, und zwar früher das 1,8-Fache und seit 2008 zum Ausgleich des weggefallenen Betriebsausgabenabzugs für die GewSt (§ 4 Abs. 5b EStG) das 3,8-Fache.
2. Für Personengesellschaften ergibt sich das Problem, dass Schuldner der Gewerbesteuer die Gesellschaft, anrechnungsberechtigt aber der Gesellschafter ist. Deshalb regelt § 35 Abs. 2 bzw. früher Abs. 3 EStG, wie der GewSt-Messbetrag auf die Mitunternehmer verteilt wird. Dort heißt es, dass sich der Anteil des Mitunternehmers nach dessen Anteil am Gewinn der Mitunternehmerschaft nach Maßgabe des allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssels richte; Vorabgewinnanteile sind ausdrücklich nicht zu berücksichtigen.
Immer dann, wenn Vorabgewinne oder Sonder- und Ergänzungsbilanzergebnisse in den Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft eingehen, kommt es deshalb zu Differenzen zwischen dem auf den Mitunternehmer entfallenden Anteil an den Einkünften und dem GewSt-Messbetrag. Es entstehen ggf. sog. Anrechnungsüberhänge, weil der Mitunternehmer mit dem niedrigeren Anteil an den Einkünften das höhere Anrechnungspotenzial der GewSt nicht ausschöpfen kann. Das Entstehen von Anrechnungsüberhängen und damit das Bestehenbleiben einer Doppelbelastung mit ESt und GewSt ist übrigens für sich gesehen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Urteil vom 15.01.2008, 1 BvL 2/04, BFH/NV Beilage 2008, 247, Haufe-Index 1998894).
Im Besprechungsfall ergaben sich z.T. ganz erhebliche Anrechnungsüberhänge, wie etwa bei einem Anteil an den Einkünften von 90 % und einem Anteil am GewSt-Messbetrag von 10 %. Dies war außerdem deshalb besonders misslich, weil der Gesellschafter, dem der hohe Anteil am GewSt-Messbetrag zugewiesen wurde, eine GmbH war, auf deren Körperschaftsteuer überhaupt keine Anrechnung stattfinden kann.
3. Der hiesige Beschluss hat deshalb besondere Bedeutung, weil er einer Gesetzesauslegung der Finanzverwaltung, die zur Reduzierung von Anrechnungsüberhängen dienen soll und sich deshalb zugunsten der Mitunternehmer auswirkt, widerspricht. Die Finanzverwaltung berücksichtigt nämlich bisher Vorabgewinnanteile und gewinnabhängige Sondervergütungen bei der Aufteilung des GewSt-Messbetrags (zuletzt BMF, Schreiben vom 24.02.2009, BStBl I 2009, 440, Rz. 23). Im Besprechungsfall stritten die Beteiligten deshalb nur darum, ob die Vergütungen des atypisch stillen Gesellschafters gewinnabhängig waren oder nicht. Auf diese Frage ging der BFH aber gar nicht ein, weil er auch die Berücksichtigung gewinnabhängiger Gewinnanteile für unzulässig hält.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 07.04.2009 – IV B 109/08