Leitsatz

Lässt sich für Steuerrückstände, die aus einer geänderten Steuerfestsetzung herrühren, ein Aufteilungsmaßstab nach § 273 Abs. 1 AO nicht ermitteln, weil die fiktiven getrennten Veranlagungen bei keinem der Gesamtschuldner zu einem Mehrbetrag führen, so ist auf den allgemeinen Aufteilungsmaßstab nach § 270 Satz 1 AO zurückzugreifen.

 

Normenkette

§ 270 Satz 1, § 273 Abs. 1 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger wurden für die Streitjahre 1998 und 1999 zusammen zur ESt veranlagt. Der Kläger hatte negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb, seine Ehefrau (die Klägerin) positive Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Nach einer Außenprüfung erließ das FA geänderte ESt-Bescheide, mit denen die Einkünfte des Klägers für beide Streitjahre jeweils erhöht wurden, aber weiterhin negativ blieben, während die Einkünfte der Klägerin sich nicht änderten.

Da sich das zu versteuernde Einkommen der Kläger vergrößerte, ergab sich eine Steuernachforderung. Die Kläger beantragten, die aus den Änderungsveranlagungen sich ergebenden Steuerrückstände aufzuteilen. Nachdem sie gegen die ursprünglichen Aufteilungsbescheide Einspruch eingelegt hatten, verteilte das FA die Mehrsteuern unter Bezugnahme auf § 270 AO in der Weise, dass es die aufzuteilenden Beträge jeweils in voller Höhe der Klägerin zurechnete. Die Aufteilung sei nicht nach § 273 AO vorzunehmen, weil der Vergleich der fiktiven Steuerfestsetzungen 1998 und 1999 nicht zu Mehrbeträgen führe.

Die Klage, mit der die Kläger begehrten, die rückständige Steuer für beide Streitjahre allein dem Ehemann zuzuteilen, hatte keinen Erfolg (EFG 2005, 329).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung und wies die Revision der Kläger zurück.

Das FG habe zu Recht entschieden, § 273 AO setze voraus, dass sich bei der vorzunehmenden Vergleichsrechnung wenigstens für einen der Ehepartner ein fiktiver Steuermehrbetrag ergebe. Ein solcher Fall liege jedoch nicht vor. Es verbleibe folglich bei dem allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO.

 

Hinweis

1. Die Besprechungsentscheidung beantwortet eine bisher in der Rechtsprechung noch nicht entschiedene Frage zur Vollstreckungsbeschränkung in Fällen der Zusammenveranlagung. Wie ist eine Steuernachforderung nach einer Änderungsveranlagung aufzuteilen, wenn der nach § 273 AO zu berechnende Aufteilungsmaßstab mangels Mehrbeträge ausscheidet?

2. Eheleute, die zur ESt zusammen veranlagt wurden (§ 26b EStG) und deshalb Gesamtschuldner der sich aus der Steuerfestsetzung ergebenden Steuerschuld sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 AO), können auf Antrag für das Vollstreckungsverfahren so gestellt werden, als seien sie Einzelschuldner (§ 268 AO). Hierzu wird nach Maßgabe der §§ 269 ff. AO die Gesamtschuld auf die einzelnen Steuerschuldner aufgeteilt.

Sofern das FA nicht nach § 274 AO einer von den Gesamtschuldnern gemeinschaftlich vorgeschlagenen Aufteilung zustimmt, sind zur Bestimmung des Aufteilungsmaßstabs grundsätzlich fiktive getrennte Veranlagungen durchzuführen; das Verhältnis der daraus sich ergebenden Steuerbeträge ergibt den Aufteilungsschlüssel für die rückständige Steuer (§ 270 AO).

3. Wird eine Steuerfestsetzung (nach Tilgung der festgesetzten Steuer [vgl. § 273 Abs. 2 AO]) geändert und führt dies zu einer Steuernachforderung, ist diese nach § 273 Abs. 1 AO im Verhältnis der Mehrbeträge aufzuteilen, die sich bei einem Vergleich der berichtigten getrennten Veranlagungen mit den früheren getrennten Veranlagungen ergeben. Es sind also jeweils zwei Berechnungen nötig, weil für jeden Gesamtschuldner fiktive getrennte Veranlagungen auf der Grundlage der ursprünglichen Steuerfestsetzung und außerdem fiktive getrennte Veranlagungen mit den Zahlen der Änderungsfestsetzung durchzuführen sind. Die Mehrbeträge daraus gegenüber der ersten getrennten Veranlagung sind ins Verhältnis zu setzen und ergeben den Aufteilungsmaßstab.

4. Im Streitfall ließ sich aufgrund des speziellen Sachverhalts ein Aufteilungsmaßstab nach § 273 Abs. 1 AO nicht ermitteln. Da es hierfür auf das Verhältnis der Mehrbeträge ankommt, muss für die Anwendbarkeit der Vorschrift die Vergleichsberechnung notwendigerweise zumindest bei einem der Gesamtschuldner einen fiktiven Mehrbetrag ergeben.

In der Besprechungsentscheidung resultierte indessen aus dem Vergleich der fiktiven Veranlagungen für keinen der Eheleute ein Mehrbetrag, da die Einkünfte der Klägerin sich nicht geändert hatten und die des Klägers negativ geblieben sind. Die Aufteilung wäre demnach im Verhältnis 0:0 durchzuführen gewesen, was rechnerisch jedoch zu keinem Ergebnis führen kann.

Da die Sonderregelung des § 273 AO auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar war, musste es für die Aufteilung der Steuernachforderung bei dem allgemeinen Aufteilungsmaßstab des § 270 Satz 1 AO verbleiben. Ein Rückgriff auf § 44 AO i.V.m. § 426 Abs. 1 BGB ­(Aufteilung der Mehrsteuer zu gleichen Teilen = 1:1) schied aus. Denn diese Vorschriften regeln den internen zivilrechtlichen Ausgleich unter den Gesamtschuldnern, während es bei den §§ 268 ff. AO (l...

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