Leitsatz
Aufwendungen für die Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses können als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein, wenn durch ein vor Durchführung der Maßnahme erstelltes amtliches Gutachten nachgewiesen ist, dass eine Sanierung zur Beseitigung einer von der Fassade ausgehenden konkreten Gesundheitsgefährdung infolge der Freisetzung von Asbestfasern in das Innere des Hauses unverzüglich erforderlich ist.
Normenkette
§ 33 EStG
Sachverhalt
Die Kläger, zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, hatten im Jahr 1983 ein eigengenutztes Einfamilienhaus der Firma X errichtet. Bereits im Jahr 1989 waren an der Außenfassade des Hauses Risse aufgetreten und durch die Firma X teilweise geschlossen worden. In diesem Zusammenhang erfuhr der Kläger von einem Mitarbeiter der Firma, dass die Außenfassade Asbest enthalte.
Im März 1997 ließ er die gesamte Außenfassade entfernen und eine neue Fassade mit Vollwärmedämmung anbringen, wobei insgesamt Kosten in Höhe von 35 676 DM entstanden, die die Kläger neben weiteren Aufwendungen in Höhe von 10 276 DM in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend machten. Mit der Einkommensteuererklärung reichten sie ein privatärztliches Attest vom 30.4.1998 ein, wonach der Kläger an einer chronisch asthmatoiden Bronchitis leide, deretwegen er seit 1996 wiederholt in Behandlung gewesen sei. Aus gesundheitlichen Gründen sei die Asbestsanierung notwendig.
Das FA lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ab. Die Klage war vor dem BFH erfolgreich. Sie führte zur Zurückverweisung an das FG.
Entscheidung
Der BFH war der Auffassung, die Erneuerung der Fassade könne dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein, sofern die Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren nachwiesen, dass die Erneuerung zur Abwehr konkreter Gesundheitsgefährdungen und nicht ohnehin eine Erneuerung, z.B. wegen Baumängeln erforderlich gewesen sei. Die Kosten für die Wärmedämmung seien allerdings nicht abzugsfähig; ferner sei zu berücksichtigen, dass mit der Erneuerung der Fassade eine Werterhöhung einhergegangen sei (neu für alt).
Hinweis
Aufwendungen für die Abwehr konkreter Gesundheitsgefährdungen, die von Wirtschaftsgütern des existenznotwendigen Bedarfs ausgehen, können als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Zu den existenznotwendigen Wirtschaftsgütern zählt der BFH auch selbstgenutzte Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen.
Voraussetzung für den Abzug ist, dass die konkrete Gesundheitsgefährdung anhand eines vor Durchführung der Maßnahme eingeholten technischen Gutachtens einer amtlichen Stelle, z.B. des TÜV, nachgewiesen wird. In diesem Gutachten ist die Quelle der Freisetzung von Schadstoffen genau zu beschreiben und zu den notwendigen Sanierungsmaßnahmen Stellung zu nehmen. Es genügt nicht, dass die Gesundheitsgefährdung – wie im Streitfall bei Asbest der Fall – allgemein bekannt ist. Vielmehr muss sich aus dem Gutachten ergeben, dass eine konkrete Gesundheitsgefährdung gegeben ist. Bei Asbestfasern ist dies nur dann der Fall, wenn Gefahr besteht, dass Asbestfasern ins Wohnungsinnere dringen und daher eingeatmet werden können.
Für den Abzug als außergewöhnliche Belastung ist zusätzlich erforderlich, dass die ordnungsgemäße Entsorgung der Schadstoffe nachgewiesen wird. Damit soll verhindert werden, dass die Allgemeinheit auch noch diese Kosten tragen muss.
Werterhöhungen, die anlässlich der Sanierungsmaßnahmen zufließen, sind nicht berücksichtigungsfähig. Im Streitfall war mit der Sanierung der Außenfassade erstmals ein Vollwärmeschutz aufgebracht worden. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Fassade auch ohne Asbestfasern irgendwann hätte erneuert werden müssen. War z.B. zum Zeitpunkt der Erneuerung der Außenfassade bereits ein Drittel der gewöhnlichen Nutzungsdauer abgelaufen, können auch nur zwei Drittel der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden.
Wie in anderen Fällen auch, in denen der BFH erstmals besondere Nachweise gefordert hat, kann bei Sachverhalten, die vor Erlass dieses Urteils verwirklicht wurden, das Gutachten des TÜVs ausnahmsweise auch nachgereicht werden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 9.8.2001, III R 6/01