OFD Niedersachsen, Verfügung v. 27.3.2017, S 2354 - 118 - St 215
I. Gesetzliche Regelung
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind nach § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG grundsätzlich nicht abzugsfähige Aufwendungen. Ein Abzug der entstandenen Aufwendungen kommt nur in zwei Ausnahmefällen in Betracht. Die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind voll abzugsfähig, wenn das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit bildet. Befindet sich der Mittelpunkt der betrieblichen und beruflichen Tätigkeit nicht im häuslichen Arbeitszimmer, kommt ein begrenzter Abzug der Aufwendungen von bis zu 1.250,00 EUR in Betracht, soweit dem Steuerpflichtigen für seine betriebliche und berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
Weitere Regelungen ergeben sich aus dem BMF-Schreiben vom 2.3.2011 (BStBl 2011 I S. 195).
II. Prüfungsreihenfolge:
Für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG muss zunächst geprüft werden, ob das vom Steuerpflichtigen geltend gemachte Arbeitszimmer die Voraussetzungen eines häuslichen Arbeitszimmers i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG erfüllt.
A. Grundvoraussetzung des häuslichen Arbeitszimmers
Ein häusliches Arbeitszimmer ist ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist. D.h. aufgrund des Gesamtbilds der Verhältnisse besteht zwischen dem Arbeitszimmer und dem Wohnbereich des Steuerpflichtigen (private Lebenssphäre) eine innere häusliche Verbindung. Es kann sich auch bei Zubehörräumen im Keller, auf dem Dachboden oder im Anbau um ein häusliches Arbeitszimmer i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG handeln (BFH vom 20.2.2003, VI R 130/01, und BFH vom 11.11.2014, VIII R 3/12). Ein häusliches Arbeitszimmer dient vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher, verwaltungstechnischer oder -organisatorischer Arbeiten. Es muss sich bei den Tätigkeiten nicht zwingend um Arbeiten büromäßiger Art handeln; ein häusliches Arbeitszimmer kann auch bei geistiger, künstlerischer oder schriftstellerischer Betätigung gegeben sein.
Mit BFH-Beschluss vom 21.9.2009, GrS 1/06 (BFHE 227 S. 1, BStBl 2010 II S. 672) hatte der BFH entschieden, dass Aufwendungen in beruflich und privat veranlasste Aufwendungen aufgeteilt werden können. Aus § 12 Nr. 1 Satz 1 EStG gehe kein generelles Aufteilungs- und Abzugsverbot für gemischt veranlasste Aufwendungen hervor. Ein Abzug von gemischt veranlassten Aufwendungen ist jedoch nur dann gem. § 12 Nr. 1 EStG zulässig, wenn eine Trennung der Aufwendungen in einen beruflich und einen privat veranlassten Teil möglich ist. Nach Ergehen des BFH-Beschlusses vom 21.9.2009 war streitig, ob die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in beruflich und privat veranlasste Aufwendungen aufgeteilt werden können und die beruflich veranlassten Aufwendungen abzugsfähig sind. Die Problematik trat insbesondere bei häuslichen Arbeitszimmern auf, bei denen eine ausschließlich bzw. nahezu ausschließliche betriebliche und berufliche Nutzung nicht glaubhaft gemacht werden konnte und bei sog. Arbeitsecken, die keinen von der Wohnung abgetrennten Raum darstellen.
Der BFH hat mit Beschluss vom 27.7.2015, GrS 1/14 (BFHE 251 S. 408, BStBl 2016 II S. 265) dahingehend entschieden, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG nur dann abzugsfähig sind, wenn es sich bei dem häuslichen Arbeitszimmer um einen abgeschlossenen und von der restlichen Wohnung abgetrennten Raum handelt.
Der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers setzt voraus, dass es sich bei dem Raum um einen ausschließlich bzw. nahezu ausschließlich betrieblich und beruflich genutzten Raum handelt. Eine untergeordnete private Mitbenutzung von max. 10 % des häuslichen Arbeitszimmers ist insoweit unschädlich. Insoweit kommt das Aufteilungsgebot des BFH-Beschlusses vom 21.9.2009, GrS 1/06, nicht in Betracht, da es sich bei § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG um eine den allgemeinen Gesetzesregelungen vorgehende Spezialregelung (lex speciales) handelt.
Praxis:
Es ist zu beachten, dass Aufwendungen für eine „Arbeitsecke„ aufgrund der nicht vorhandenen räumlichen Trennung vom privaten Wohnraum nicht als Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer gem. § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG berücksichtigt werden können. Diese Rechtsprechung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.
Folgende Urteile bestätigen die o.b. Rechtsauffassung des BFH:
Ein Raum, der seiner Ausstattung und Funktion nach nicht einem häuslichen Arbeitszimmer entspricht, z.B. ein Lager, eine Werkstatt o.Ä., fällt auch nicht unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG und die Aufwendungen sind voll abziehbar. Im Rahmen der Überprüfung des häuslichen Arbeitszimmers ist zunächst zu prüfen, ob es sich bei dem geltend gemachten Arbeitszimmer um einen Betriebsraum handelt...