Leitsatz
Krankheitskosten werden als agB berücksichtigt, sofern sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, eine Krankheit erträglich zu machen. Für die Anwendung des § 33 EStG knüpft der Begriff der Heilbehandlung an die Rechtsprechung zum privaten Krankenversicherungsrecht und zum sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff an.
Sachverhalt
Die Kläger haben die Kosten einer Brustoperation ihrer im Jahr 1991 geborenen Tochter mit der Begründung als agB geltend gemacht, dass die deutliche Ungleichheit der Brüste bei ihr zu einer gravierenden psychosomatischen Belastung mit Störungen des Körperbildes und des Selbstwertgefühls führe. Sie sei stark gehemmt mit depressiven Zügen. Es komme zu großen Problemen in der Partnerschaft und einer Störung des Sexuallebens. Das FA vertrat die Auffassung, dass Kosten, bei denen nicht eindeutig feststehe, ob sie zur Heilung einer Krankheit erforderlich seien und die deshalb auch den Aufwendungen der Lebensführung zugerechnet werden könnten, nur als agB abzugsfähig seien, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten vor der Behandlung die medizinische Indikation für den Eingriff nachgewiesen worden sei. Diese Voraussetzung war im Streitfall nicht erfüllt.
Entscheidung
Nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte begründet eine Mammaasymmetrie nur dann einen Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V, wenn diese einen Krankheitswert hat. Ein solcher ist nur dann gegeben, wenn die Betroffene in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt. Eine solche entstellende Wirkung ist gegeben, wenn es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handelt, die Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht. Da nach dem Gutachten des MDK im Streitfall der Befund keinen Krankheitswert im Sinne des Gesetzes erfüllte, der eine operative Intervention als Leistung der Krankenkasse rechtfertigen würde, hat das FG unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze die Berücksichtigung der Kosten als agB versagt.
Hinweis
In dem rechtskräftigen Urteil hat das FG außerdem festgestellt, dass psychische Folgen einer Entstellung, die keinen Krankheitswert erreicht, mit den Mitteln der Psychotherapie zu lindern sind, und dass auch vor dem Hintergrund, dass der BFH in neuerer Rechtsprechung von dem zuvor geforderten Nachweis einer Krankheit durch amtsärztliches Attest oder durch ein Gutachten des MDK Abstand genommen hat, nichts anderes gilt.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.05.2014, 5 K 1753/13