Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für eine Brustoperation als außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (amtlich)
1. Krankheitskosten werden als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, sofern sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, eine Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern.
2. Für die Anwendung des § 33 EStG knüpft der Begriff der Heilbehandlung an die Rechtsprechung zum privaten Krankenversicherungsrecht und zum sozialversicherungsrechtlichen Krankheitsbegriff an.
3. Bei einer Mammaasymmetrie besteht ein Anspruch auf Krankenbehandlung nur, wenn diese einen Krankheitswert hat. Der ist nur dann gegeben, wenn die Betroffene in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt ist oder an einer entstellend wirkenden Abweichung vom Regelfall leidet.
4. Psychische Folgen einer Entstellung, die keinen Krankheitswert erreicht, sind mit den Mitteln der Psychotherapie zu lindern.
Normenkette
EStG § 33 Abs. 1, Abs. 2; EStDV § 64 Abs. 1 Nr. 2; SGB V § 27 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob Operationskosten für eine Mammareduktionsplastik (Brustverkleinerung) und einer Mastopexie (Bruststraffung) als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anerkannt werden können.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger erzielt Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft und aus Gewerbebetrieb. Des Weiteren erzielen die Kläger Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen. Die Kläger haben zwei in den Jahren 1991 und 1995 geborene Töchter.
Unter Vorlage eines ärztlichen Attests der Frauenärztin Dr. med. T vom 27.08.2010 (Bl. 64 Einkommensteuerakten - EStA -) bat die am 11.11.1991 geborene Tochter der Kläger, J bei ihrer Krankenkasse um Übernahme der Kosten für eine Augmentationsplastik links bei einer bestehenden Anisomastie. In dem Attest heißt es, J. leide seit ihrer Thelarchie unter einer Anisomastie. Diese deutliche Ungleichheit der Brüste führe bei J zu einer gravierenden psychosomatischen Belastung mit Störungen des Körperbildes und des Selbstwertgefühls. J sei stark gehemmt mit depressiven Zügen. Es komme zu großen Problemen in der Partnerschaft und einer Störung des Sexuallebens.
Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) lehnte der Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung eine Kostenübernahme für die Operation der Tochter der Kläger mit Bescheid vom 06.12.2010 (Bl. 67 f. EStA) mit der Begründung ab, die bei J vorliegende Mammaasymmetrie habe keinen Krankheitswert, der eine Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung rechtfertige. Ein solcher Krankheitswert sei nur dann gegeben, wenn der Betroffene in seiner Körperfunktion beeinträchtigt werde oder an einer Abweichung vom Regelfall leide, die entstellend wirke. Die hierfür erforderliche objektive erhebliche, die Reaktion von Mitmenschen hervorrufende Auffälligkeit sei bei J nicht gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid der Krankenkasse Bezug genommen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 setzten die Kläger Operationskosten für eine Mammareduktionsplastik und eine Mastopexie in Höhe von insgesamt 4.651,88 € (4.003,88 € Operationskosten und 648,- € Fahrtkosten) als außergewöhnliche Belastung an (Bl. 2, 3 Einkommensteuerakten - EStA -).
Im Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 12.03.2013 (Bl. 58 EStA) berücksichtigte der Beklagte die Operationskosten nicht als außergewöhnliche Belastung.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 11.04.2013 Einspruch ein. Zur Begründung machten sie geltend, die Operation sei laut vorliegendem Attest notwendig gewesen (Bl. 63 EStA).
Mit Einspruchsentscheidung vom 27.05.2013 (Bl. 75 ff. EStA) wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu heißt es, nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs könnten Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung i.S.d § 33 EStG anerkannt werden, da sie dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstünden. Voraussetzung sei aber, dass die Aufwendungen mit dem Ziel getätigt würden, die Krankheit erträglich zu machen. Dagegen seien Kosten für vorbeugende oder der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen, die nicht gezielt der Heilung oder Linderung der Krankheit dienten, nicht als Krankheitskosten i.S.d. § 33 EStG abziehbar. Solche Kosten, bei denen nicht eindeutig feststehe, ob sie zur Heilung einer Krankheit erforderlich seien und die deshalb auch den Aufwendungen der Lebensführung zugerechnet werden könnten, seien nur dann als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig, wenn durch ein amtsärztliches Gutachten oder einen öffentlich-rechtlichen Träger, etwa eine gesetzliche Krankenkasse, vor der Behandlung die medizinische Indikation für den Eingriff nachgewiesen worden sei.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie sind der Auffassung, die durch die Operation entstanden Kosten seien zwangsläufig entstanden, und sie hätten sich diesen Kosten nicht e...