Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Haben die Vertragsparteien bei einer gemischt-freigebigen Grundstücksschenkung eine Vollzugshemmung vereinbart, wonach der bevollmächtigte Notar von der bereits erteilten Eintragungsbewilligung erst dann Gebrauch machen darf, wenn die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist, ist die gemischt-freigebige Schenkung erst im Zeitpunkt der vertraglich vorgesehenen Kaufpreiszahlung im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes ausgeführt.
Normenkette
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, § 14 Abs. 2 BewG, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb mit notariellem Vertrag vom 9.10.2012 von Frau P ein bebautes Grundstück gegen Zahlung eines Barkaufpreises i. H. v. 260.000 EUR sowie einer monatlich ab dem 1.1.2013 im Voraus zu zahlende Rente i. H. v. 1.000 EUR. Zudem verpflichtete sich die Klägerin, P zu pflegen und zu versorgen. P bewohnte eine der Wohnungen, für die sie sich ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht zurückbehielt.
Der Kaufpreis war nach dem Schenkungsvertrag bis zum 1.2.2013 durch Überweisung auf ein Notaranderkonto zu entrichten. Die Übergabe des Grundstücks sollte am Tag des Eingangs des Barkaufpreises, spätestens am 1.2.2013 erfolgen. Die Vertragsparteien erklärten die Auflassung und bewilligten und beantragten, die Eigentumsveränderungen im Grundbuch zu vollziehen. Der Notar wurde angewiesen, eine Vertragsausfertigung mit der Auflassungserklärung dem Grundbuchamt einzureichen, sobald die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen würde.
P verstarb am 24.11.2012 noch vor Eintragung des Eigentumswechsels. Die Klägerin beerbte die P und wurde am 15.2.2013 als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen.
Das FA sah in dem notariellen Vertrag vom 9.10.2012 eine gemischt-freigebige Zuwendung der P an die Klägerin, da die von der Klägerin übernommenen Gegenleistungen erheblich unter dem gemeinen Wert des übertragenen Grundstücks gelegen hätten. Bei der Festsetzung der SchenkSt berücksichtigte es den Kapitalwert der Renten- und Pflegeverpflichtung sowie des Wohnrechts nach § 14 Abs. 2 BewG nicht, da die entsprechenden Leistungen wegen des Versterbens der P nicht erbracht wurden. Einspruch und Klage (FG Hamburg, Urteil vom 27.5.2020, 3 K 122/18, Haufe-Index 14033475) hiergegen hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Das FG hatte keine Feststellungen dazu getroffen, ob die gemischte Schenkung aus dem notariellen Vertrag vom 9.10.2012 vor dem Tod der Schenkerin ausgeführt wurde. Dies hat es im zweiten Rechtsgang nachzuholen.
Hinweis
1. Entscheidend war im vorliegenden Fall, ob die Klägerin bereits vor dem Tod der Schenkerin ein bebautes Grundstück aufgrund einer gemischten Schenkung oder durch den Erbanfall erworben hat. Sollte die Schenkung bis zum Tod der Schenkerin und Erblasserin nicht mehr ausgeführt worden sein, wäre das Schenkungsversprechen durch Kollision erloschen und der SchenkSt-Bescheid rechtswidrig. Dies hat das FG im zweiten Rechtsgang zu klären.
2. Keine Rolle spielt, dass der SchenkSt-Bescheid nur der Höhe nach angefochten wurde. Zwar darf das Gericht, wenn lediglich die Herabsetzung einer festgesetzten Steuerschuld um einen bestimmten Betrag begehrt wird, über dieses Klagebegehren nicht hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). Dies gilt aber dann nicht, wenn der angefochtene Bescheid insgesamt rechtswidrig ist und nicht hätte ergehen dürfen. Dies ist der Fall, wenn mangels Ausführung einer Schenkung ein SchenkSt-Bescheid schon dem Grunde nach nicht hätte ergehen dürfen.
3. Diesbezüglich kam es vorliegend darauf an, ob die Klägerin den Kaufpreis für die gemischte Schenkung vor dem Tod der Schenkerin und Erblasserin gezahlt hatte. Denn die Klägerin konnte ohne Zahlung des Barkaufpreises nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht den Eintritt der dinglichen Rechtsänderung beim Grundbuchamt herbeiführen. Den Vertragsparteien wurden zur Sicherung der Rechte des Verkäufers lediglich Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften ohne Auflassungserklärung erteilt. Es handelt sich dabei um eine sog. Auflassungssperre oder Kopierlösung. Die Klägerin konnte über den bevollmächtigten Notar von der erteilten Eintragungsbewilligung daher erst nach Eingang des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto Gebrauch machen. Bis dahin bestand nach den vertraglichen Abreden ein Vollzugshemmnis.
4. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen, dass die Schenkung bis zum Tod der Schenkerin und Erblasserin nicht mehr ausgeführt wurde, hat die Klägerin als Beschenkte und Erbin zunächst nichts gewonnen. Nach § 174 Abs. 4 AO können, wenn aufgrund eines Gerichtsurteils ein Steuerbescheid geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Rechtsfolgen gezogen werden. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung des fehlerhaften SchenkSt-Bescheids gezogen werden. Ist die Festsetzungs...