Leitsatz
Eine ausländische Kapitalgesellschaft, die nach ihrem rechtlichen Aufbau und ihrer wirtschaftlichen Gestaltung einer inländischen Kapitalgesellschaft entspricht, ist geeignet, eine Personengesellschaft gewerblich i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG zu prägen.
Normenkette
§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte seinen Wohnsitz im Inland. Er war alleiniger Kommanditist von mehreren Gesellschaften, jeweils in der Rechtsform einer nach liechtensteinischem Recht gegründeten KG, mit Sitz in Liechtenstein. Einzige Komplementäre und Geschäftsführer waren jeweils nach liechtensteinischem Recht gegründete Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) mit Sitz in Liechtenstein.
Die KGs hatten Grundbesitz im Inland und übten eine rein vermögensverwaltende Tätigkeit aus. Sie hatten keine Niederlassung im Inland.
Im Dezember 1994 schieden die Komplementäre aus den KGs aus.
Der Kläger übernahm das Gesellschaftsvermögen im Weg der Anwachsung. Das FA war der Ansicht, die Personengesellschaften seien gewerblich geprägt i.S.d. § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG gewesen, sodass das Ausscheiden der Komplementäre zu einer Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) geführt habe. Es erfasste entsprechende Aufgabegewinne.
Das FG gab der Klage statt (EFG 2005, 1035): Die Personengesellschaften hätten keine gewerblichen Einkünfte erzielt, da eine ausländische Kapitalgesellschaft ohne Niederlassung im Inland die gewerbliche Prägung nicht herbeiführen könne.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte Erfolg.
Der BFH entschied, eine ausländische Kapitalgesellschaft könne eine vermögensverwaltende Personengesellschaft ebenso gewerblich prägen wie eine inländische Kapitalgesellschaft.
Der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG verlange eine "Kapitalgesellschaft". Dazu zählten – ebenso wie in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG und § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG – auch ausländische Kapitalgesellschaften.
Danach sei – auch unter Berücksichtigung der Gesetzesbegründung – unerheblich, ob die ausländische Kapitalgesellschaft selbst kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte erziele oder nicht.
Hinweis
1. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG gilt als Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit Einkunftserzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft, die (selbst) keine gewerbliche Tätigkeit ausübt und bei der ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte Personengesellschaft).
Die Vorschrift wurde in das EStG aufgenommen, nachdem der Große Senat des BFH (BFH, Beschluss vom 25.6.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, 751) die bisherige Gepräge-Rechtsprechung aufgegeben hatte. Der Gesetzestext entspricht der bis dahin aufgrund der Rechtsprechung geltenden Rechtslage.
Die Einkünfte einer inländischen GmbH werden unabhängig von der Art ihrer Tätigkeit kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung stets als solche aus Gewerbebetrieb behandelt (§ 8 Abs. 2 KStG, § 13 Abs. 3 GmbHG). Fraglich konnte deshalb sein, ob eine ausländische Kapitalgesellschaft eine gewerbliche Prägung herbeiführen kann, wenn sie selbst keine gewerbliche Tätigkeit entfaltet, da ihre Einkünfte nicht als gewerblich fingiert werden. Denn die Fiktion des § 8 Abs. 2 KStG greift nur für inländische Kapitalgesellschaften, da ausländische Gesellschaften nicht zur Führung von Büchern nach dem HGB verpflichtet sind.
2. Der Gesetzgeber wollte mit der gesetzlichen Regelung sicherstellen, dass gleichartige und in vergleichbarer Rechtsform ausgeübte Tätigkeiten steuerrechtlich nicht unterschiedlich behandelt werden (BTDrucks 10/3663, 6). Der Wortlaut der Vorschrift legt es auch unter Berücksichtigung dieser Gesetzesbegründung nahe, eine ausländische Kapitalgesellschaft im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG nicht anders zu behandeln als eine inländische. So hatte es auch schon bisher der BFH gesehen (BFH, Urteil vom 17.12.1997, I R 34/97, BStBl II 1998, 296; BFH, Beschluss vom 18.12.1989, IV B 37/89, BFH/NV 1990, 570).
3. Eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften wäre auch aus der Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts bedenklich. Es dürfte kaum mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sein, bei Anwendung des § 15 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG eine in einem anderen Mitgliedsstaat ansässige Kapitalgesellschaft anders als eine inländische Kapitalgesellschaft zu behandeln, wenn und soweit sich dies nachteilig auswirken sollte.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.3.2007, XI R 15/05