Nach § 153 Abs. 1 StPO kann ein Ermittlungsverfahren eingestellt werden, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen wäre und kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.
Geringe Schuld: Die Anwendung des § 153 StPO setzt nicht voraus, dass die Schuld nachgewiesen ist. Es genügt vielmehr, dass für sie eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Die Schuld wäre als gering anzusehen, wenn sie im Vergleich mit Vergehen gleicher Art erheblich unter dem Durchschnitt liegt, so dass nur eine Strafe im untersten Bereich zu erwarten wäre (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 153 Rz. 4).
Kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung: Trotz (potentieller) geringer Schuld kann das öffentliche Interesse, z.B. bei häufig vorkommenden Delikten, wozu auch Steuerdelikte zählen, aus Gründen der Generalprävention zu bejahen sein (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 153 Rz. 7). Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung kann jedoch zu verneinen sein, wenn besondere Strafmilderungsgründe vorliegen, z.B. wenn die Tat bei ihrer Entdeckung lange zurückliegt (und gleichwohl noch nicht verjährt ist), oder bereits zu disziplinarrechtlichen oder beruflichen Nachteilen mit wirtschaftlichen Folgen geführt hat.
Zustimmung des Gerichts?: Nach § 153 Abs. 1 S. 1 StPO ist grundsätzlich die Zustimmung des Gerichts erforderlich. Sie ist nach § 153 Abs. 1 S. 2 StPO nicht mehr erforderlich, wenn sich das Verfahren auf ein Vergehen bezieht, das nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist und bei dem die durch die Tat verursachten Folgen gering sind. Mithin ist auch bei Steuerdelikten eine Einstellung ohne Zustimmung des Gerichts möglich. Die "geringfügigen Folgen der Tat" können nicht eindeutig festgelegt werden und richten sie jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (instruktiv dazu Peters in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 398 AO Rz. 29 ff. [August 2019]).
Beraterhinweis Wegen des eingeschränkten Anwendungsbereichs kommt eine Einstellung von Steuerstrafverfahren nach § 153 StPO in der Praxis nicht häufig zum Tragen. Für § 398 AO verbleibt neben § 153 Abs. 1 StPO kein eigenständiger Anwendungsbereich (vgl. Jäger in Klein, AO, 16. Aufl. 2022, § 398 Rz. 2).
Die Einstellung nach § 153 Abs. 1 StPO führt nicht zum Strafklageverbrauch. Das Verfahren kann also bei Vorliegen neuer Erkenntnisse wiederaufgenommen werden (vgl. BGH v. 11.3.2020 – 4 StR 307/19, NStZ-RR 2020, 179; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 153 Rz. 37).