Leitsatz

1. Sind mehrere Personen als Gesamtschuldner zur Erfüllung einer Zollschuld verpflichtet, liegt die Frage, gegen welchen Gesamtschuldner die Abgaben festgesetzt werden, im pflichtgemäßen Ermessen des HZA.

2. Im Fall einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat ist das Auswahlermessen des HZA in der Weise vorgeprägt, dass die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind und dass es einer besonderen Begründung dieser Ermessensbetätigung nicht bedarf. Mit dem Hinweis im Steuerbescheid auf weitere Gesamtschuldner wird in einem solchen Fall in ausreichender Weise deutlich gemacht, dass das HZA erkannt hat, dass ein Auswahlermessen auszuüben war.

3. Haben sich mehrere Gesamtschuldner einer vorsätzlichen Steuerstraftat schuldig gemacht, stehen diese bei der Ausübung des Auswahlermessens grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Der jeweils betroffene Abgabenschuldner kann in diesem Fall nicht beanspruchen, dass das HZA bei der Ermessensausübung in einer Weise differenziert, dass andere Gesamtschuldner abgabenrechtlich in Anspruch genommen werden, er selbst hingegen nicht.

 

Normenkette

Art. 202 Abs. 1 Satz 1 ZK , Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 ZK , Art. 213 ZK

 

Sachverhalt

Mehrere Personen hatten unversteuerte Zigaretten nach Deutschland geschmuggelt. Wegen seiner Beteiligung am Umschlag und Weitertransport dieser Ware in Deutschland war der Kläger, der zeitweise den Lkw gefahren, zeitweise ihn mit dem Pkw eines anderen Fahrers eskortiert hatte, zu einer Geldstrafe wegen Beihilfe zur Steuerhehlerei rechtskräftig verurteilt worden.

Das HZA setzte gegen ihn Zoll, Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer fest, wobei es u.a. darauf hinwies, dass er die Abgaben gesamtschuldnerisch mit den Tatbeteiligten 1., 2., 3. und 4. schulde. Das FG wies die hiergegen erhobene Klage ab.

 

Entscheidung

Der Kläger sei Abgabeschuldner geworden, weil er Sachherrschaft über die streitigen Zigaretten gehabt habe, die er nämlich transportiert habe. Der Kläger sei dabei bösgläubig gewesen. Ob der vom Strafrichter angenommene bedingte Vorsatz des Klägers mit dem Tatbestandsmerkmal des "Wissens" in Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 ZK gleichgesetzt werden kann, lässt der BFH offen. Der Kläger habe jedenfalls wissen müssen, dass die Zigaretten vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden waren. Das reiche für seine Zollschuldnerschaft aus.

Die Inanspruchnahme des Klägers sei auch ohne Ermessensfehler erfolgt. Hat jemand als Täter oder Teilnehmer eine vorsätzliche Steuerstraftat begangen, so sei es im Regelfall billig und gerecht, wenn ihn die Finanzbehörde für den Steuerschaden in Anspruch nimmt; einer besonderen Begründung für die Ermessensausübung bedürfe es in diesen Fällen nicht. Das Auswahlermessen des HZA sei folglich im Sinn einer Inanspruchnahme des Klägers wegen der Einfuhrabgaben vorgeprägt gewesen.

 

Hinweis

1. Die Entstehung der Abgabenschuld und die Person des Abgabenschuldners richten sich bei Einfuhrschmuggel auch hinsichtlich Tabaksteuer und Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 202 ZK (§ 21 des Tabaksteuergesetzes, § 21 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes).

2. Nach Art. 202 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird. Nach Art. 202 Abs. 3 Anstrich 3 Alternative 2 ZK ist Schuldner auch eine Person, welche die betreffende Ware im Besitz gehabt hat, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erhalts der Ware wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war. Für den Besitz reicht die tatsächliche Sachherrschaft in Form des Fremdbesitzes aus. Es ist in der Regel ohne weiteres anzunehmen, dass derjenige, der Sachen in einem Fahrzeug transportiert, die von einem Besitzwillen getragene tatsächliche Sachherrschaft – zumindest in Form des Fremdbesitzes – ausübt.

3. Ob auch derjenige Abgabenschuldner wird, der nicht weiß, dass er abgabepflichtige Waren mit Hilfe des von ihm geführten Fahrzeugs transportiert (Fall des ahnungslosen Werkzeugs, etwa in der Form, dass Waren in dem Fahrzeug eines ahnungslosen Fahrers versteckt worden sind), ist Gegenstand eines vom BFH eingeleiteten Vorabentscheidungsverfahrens des EuGH (Rs. C-238/02) und vom EuGH in dem Urteil vom 4.3.2004 – mit Recht – bejaht worden.

4. Beachten Sie, dass sich das FG die tatsächlichen Feststellungen eines Strafgerichts zu Eigen machen kann, wenn nach seiner Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) diese Feststellungen zutreffend sind und wenn keine substanziierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafgerichts erhoben werden. Beweisanträge, die im FG-Verfahren gleichwohl nicht ausgeschlossen sind, bedürfen daher einer besonders sorgfältigen Begründung. Im rechtspolitischen Gespräch ist im Übrigen, die Lage des Schuldners dadurch weiter zu verschlechtern, dass sich kraft Gesetzes die Beweislast gegen ihn kehren soll, wenn er die strafrichterlichen Feststellungen abgabenrechtlich nicht gegen sich gelten lassen wil...

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