Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgesenkte Eingangsvergütung
Orientierungssatz
1. Abgesenkte Vergütung bei Fraunhofer-Gesellschaft, Vorrang des Tarifvertrages.
2. Im Bereich privater Forschungsgesellschaften besteht keine tarifübliche Regelung der Vergütung der Angestellten, so daß eine solche auch keine Sperrwirkung für betriebliche Regelungen entfalten könnte.
Normenkette
BAT Anlage 1a; BetrVG § 99; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 02.03.1988; Aktenzeichen 12 TaBV 111/86) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 01.08.1986; Aktenzeichen 8 BV 24/86) |
Gründe
Die Antragstellerin betreibt in mehreren Instituten naturwissenschaftliche Forschung. Die einzelnen Institute sind selbständige Betriebe, die jeweils einen Betriebsrat gewählt haben. Der Antragsgegner des vorliegenden Verfahrens ist der Betriebsrat des Instituts für Transporttechnik und Warendistribution. Die Aufwendungen der Antragstellerin werden im wesentlichen aus Mitteln des Bundes und der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Saarland finanziert. Die Antragstellerin ist weder Mitglied einer Tarifvertragspartei noch Partei eines Firmentarifvertrages. Mit ihren Mitarbeitern vereinbarte sie einzelvertraglich die Anwendung des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT).
Nach der Kündigung der Vergütungsordnung zum BAT zum 31. Dezember 1983 teilte der Bundesminister des Innern den obersten Bundesbehörden und auch den von der öffentlichen Hand getragenen privatrechtlich organisierten wissenschaftlichen Gesellschaften wie der Antragstellerin durch Rundschreiben vom 27. Dezember 1983 mit, nunmehr seien wissenschaftliche Angestellte mit Forschungsaufgaben, deren Tätigkeit den Merkmalen der VergGr. II a BAT entspreche, zunächst in die VergGr. III BAT und erst nach vier Jahren in die VergGr. II a BAT höherzugruppieren. Diese Mitteilung entsprach dem Inhalt entsprechender allgemeiner Richtlinien über die Absenkung der Eingangsvergütung im Bereich des BAT (Absenkungserlaß).
Mit Schreiben vom 4. Februar 1986, das am 6. Februar 1986 beim Antragsgegner einging, bat die Antragstellerin den Antragsgegner um seine Zustimmung zu der Einstellung des Diplom-Informatikers Detlef E, der bereits seit dem 1. März 1985 im Rahmen von drei Werkverträgen für die Antragstellerin tätig war, als wissenschaftlichen Angestellten zum 1. Februar 1986 und dessen Eingruppierung. Dazu heißt es in dem Schreiben:
"Beabsichtigte Eingruppierung:
Vergütungsgruppe II a Fallgruppe 2 der Anlage
1 a zum BAT
Herabsenkg. nach BAT III Differenzausgleich
über 3 vorgezogene Lebensaltersstufen."
Der Antragsgegner erwiderte der Antragstellerin mit Schreiben vom 13. Februar 1986, daß er der Einstellung zustimme, nicht aber der Eingruppierung in die VergGr. III BAT, da damit gegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG und gegen § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG verstoßen werde. Mit der Bemessung der Vergütung des Angestellten nach Maßgabe des Absenkungserlasses werde ein Entlohnungsgrundsatz angewendet, mit dessen Aufstellung ohne Beteiligung des Betriebsrates die Antragstellerin gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verstoßen habe. Durch die Eingruppierung in VergGr. III BAT werde der Angestellte E außerdem ungerechtfertigt benachteiligt, da der Absenkungserlaß nicht bei allen Neueinstellungen angewendet werde. So seien in manchen Fällen Zulagen gewährt worden, mit denen die Differenz zur VergGr. II a BAT ausgeglichen worden sei. In anderen Fällen werde nach wie vor eine Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 a zum BAT vorgenommen. Der Angestellte E werde darüber hinaus deshalb ungerechtfertigt benachteiligt, weil er vor seiner Einstellung bereits im Rahmen dreier Werkverträge, die als Arbeitsverträge anzusehen seien, tätig gewesen sei und dafür eine Vergütung entsprechend der VergGr. II a BAT erhalten habe.
Die Antragstellerin stellte den Angestellten E befristet für die Zeit vom 1. Februar 1986 bis zum 31. Januar 1991 ein und vereinbarte mit ihm eine Vergütung nach VergGr. III BAT sowie die Zahlung einer widerruflichen Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen der Vergütung nach VergGr. II a BAT und der Vergütung nach VergGr. III BAT. Seine Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der VergGr. II a BAT.
Im vorliegenden Beschlußverfahren begehrt die Antragstellerin die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung des Angestellten E in die VergGr. III BAT. Sie hat die Auffassung vertreten, daß der Antragsgegner nicht berechtigt sei, seine Zustimmung zur Eingruppierung in diese Vergütungsgruppe zu verweigern. Bei der Absenkung der Eingangsvergütung handele es sich nicht um eine Frage der betrieblichen Lohngestaltung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da die Eingruppierung üblicherweise ausschließlich von den Tarifvertragsparteien ausgehandelt werde. Nach Kündigung der Vergütungsordnung sei es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, sich auf eine neue Vergütungsordnung zu einigen. Im übrigen wende sie weiterhin den schon vor dem 1. Januar 1984 bereits bestehenden Entlohnungsgrundsatz an, ihre Angestellten so einzugruppieren wie vergleichbare Bundesbedienstete. Die Vergütung ihrer Angestellten habe sich stets entsprechend den Bewirtschaftungsgrundsätzen und den Auflagen in den Zuwendungsbescheiden nach der Vergütung der Angestellten des öffentlichen Dienstes gerichtet, gleichgültig, auf welcher Rechtsgrundlage diese Vergütung beruht habe. Sie halte sich auch generell an das Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27. Dezember 1983. Hiernach sei der Diplom- Informatiker E zunächst in VergGr. III BAT einzugruppieren, da das Angestelltenverhältnis erst nach dem 31. Dezember 1983 begründet worden sei. Auch der erste Werkvertrag sei erst nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden. Außerdem ergebe sich aus der vereinbarten Werklohnvergütung entsprechend der VergGr. II a BAT kein Anspruch im Angestelltenverhältnis auf Eingruppierung in VergGr. II a BAT.
Soweit sie jederzeit widerrufliche Zulagen in Form von sogenannten vorgezogenen Lebensaltersstufen zahle, gewähre sie diese zur Gewinnung und Erhaltung von besonders qualifizierten wissenschaftlichen Angestellten entsprechend dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen vom 23. Dezember 1975 über eine übertarifliche Sonderregelung für das wissenschaftliche und technische Personal in Kern-, Luftfahrt- und Raumfahrtforschungseinrichtungen sowie in Forschungseinrichtungen, deren Verhältnisse mit denen in Kern-, Luftfahrt- und Raumfahrtforschungseinrichtungen vergleichbar sind. Dies sei ihre ständige Praxis seit dem Jahre 1975. Auch vergleichbare Forscher in Einrichtungen des Bundes erhielten aufgrund dieses Erlasses des Bundesministers der Finanzen entsprechende Zulagen. Auch bei dieser Zulagengewährung, die die Zuwendungsgeber genehmigt hätten, werde der ihr auferlegte Entlohnungsgrundsatz der Gleichstellung mit den entsprechenden Angestellten des öffentlichen Dienstes beachtet.
Die Antragstellerin hat beantragt, die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Arbeitnehmers Detlef E in die VergGr. III der Anlage 1 a zum BAT zu ersetzen.
Der Antragsgegner hat Zurückweisung des Antrags beantragt und die Auffassung vertreten, daß er zur Verweigerung seiner Zustimmung zur Eingruppierung des Angestellten E in VergGr. III BAT berechtigt sei. Die Antragstellerin habe mit der Bemessung der Vergütung der seit dem 1. Januar 1984 eingestellten Angestellten nach dem Absenkungserlaß einen von der bisherigen Praxis abweichenden Entlohnungsgrundsatz angewendet, dessen Aufstellung unter Außerachtlassung des Mitbestimmungsrechtes des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG erfolgt sei. Deshalb sei die Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründet.
Ein Zustimmungsverweigerungsgrund liege auch nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG vor. Die Antragstellerin habe den Angestellten E gegenüber vergleichbaren Angestellten ungerechtfertigt benachteiligt, da sie nicht in allen Fällen bei der Eingruppierung der nach dem 1. Januar 1984 eingestellten Angestellten den Absenkungserlaß angewendet habe. So sei zumindest der Arbeitnehmer Ralph K, der zum 1. April 1984 eingestellt worden sei, in VergGr. II a BAT eingruppiert worden. Im übrigen werde der Angestellte E durch die Eingruppierung in VergGr. III BAT deshalb benachteiligt, weil ihm im Rahmen dreier Werkverträge, aufgrund derer er zumindest seit dem 1. Juni 1985 mit denselben Aufgaben wie nunmehr als Angestellter beschäftigt worden sei, bereits Vergütung entsprechend der VergGr. II a BAT gewährt worden sei.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsgegner weiterhin die Zurückweisung des Antrags. Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweiten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Antrag der Antragstellerin nicht stattgeben.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf die Eingruppierung des Angestellten E der Zustimmung des Betriebsrates. Dies gilt auch insoweit, als es sich bei der Antragstellerin um ein Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG handelt, das überwiegend wissenschaftlichen Bestimmungen dient (BAGE 54, 147, 155 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972). Bei der von der Antragstellerin beabsichtigten Vergütung des Angestellten E nach VergGr. III BAT handelt es sich um eine Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Eine Eingruppierung ist die Zuordnung eines Arbeitnehmers aufgrund der von ihm vertragsgemäß auszuübenden Tätigkeit zu einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb geltenden Vergütungsordnung. Dabei ist unerheblich, ob diese Vergütungsordnung kraft Tarifbindung wirkt, auf einer Betriebsvereinbarung beruht oder aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarung im Betrieb allgemein zur Anwendung kommt oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen wurde (BAGE 54, 147, 155 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972 m. w. N.). Vorliegend beabsichtigt die Antragstellerin, den Angestellten E aufgrund der von ihm ausgeübten Tätigkeit nach Maßgabe des Absenkungserlasses nach VergGr. III BAT zu vergüten. Sie nimmt damit eine Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vor, in bezug auf deren Richtigkeit dem Betriebsrat ein Mitbeurteilungsrecht zukommt (BAGE 54, 147, 155 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972 m.w.N.). In Ausübung dieses Mitbeurteilungsrechts kann der Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG seine Zustimmung zur Eingruppierung verweigern, wenn der Arbeitgeber diese nach einer Vergütungsordnung vornimmt, zu deren Aufstellung es der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bedurft hätte (BAGE 54, 147, 156 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 7. September 1988 - 4 ABR 32/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
Dies hat der Antragsgegner innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch die Antragstellerin hinsichtlich der Eingruppierung des Angestellten E in VergGr. III BAT nach Maßgabe des Absenkungserlasses form- und fristgerecht (§ 99 Abs. 3 BetrVG) geltend gemacht, indem er seine Zustimmungsverweigerung damit begründet hat, daß die Antragstellerin mit der Bemessung der Vergütung der seit dem 1. Januar 1984 neu eingestellten Angestellten nach Maßgabe des Absenkungserlasses unter Abänderung der bisherigen Praxis der Vergütung der Angestellten entsprechend den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 a zum BAT einen neuen Entlohnungsgrundsatz angewendet habe, dessen Aufstellung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrates bedurft hätte, die unstreitig nicht erfolgt sei.
Das Landesarbeitsgericht nimmt an, daß der vom Betriebsrat nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG geltend gemachte Zustimmungsverweigerungsgrund nicht vorliege. Dem Betriebsrat habe kein Mitbestimmungsrecht bei der Anwendung des Absenkungserlasses durch die Antragstellerin bei der Bemessung der Vergütung der seit dem 1. Januar 1984 neu eingestellten Angestellten nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zugestanden. Ein solches Mitbestimmungsrecht sei nach § 77 Abs. 3 BetrVG ausgeschlossen. Entgegen der Auffassung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts im Beschluß vom 27. Januar 1987 (- 1 ABR 66/85 - BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972) sei davon auszugehen, daß die Gehälter bei den einzelnen Betrieben der Fraunhofer Gesellschaft üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt würden. Entgegen der Auffassung des Ersten Senats diene § 77 Abs. 3 BetrVG auch nicht der Sicherung der ausgeübten aktualisierten Tarifautonomie, sondern ausschließlich dem Prestigeschutz der Gewerkschaften, denen generell der Vorrang einzuräumen sei, wenn es um die Einführung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen gehe. Betriebsvereinbarungen in diesem Bereich seien deshalb unzulässig. Aus diesem Grunde habe die Antragstellerin den Absenkungserlaß ohne Mitbestimmung des Betriebsrates anwenden dürfen, so daß es auch nicht darauf ankomme, ob sie damit einen neuen Entlohnungsgrundsatz im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aufgestellt habe. Liege ein Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG damit nicht vor, so sei die verweigerte Zustimmung zu ersetzen.
Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden. Aus § 77 Abs. 3 BetrVG ergibt sich nicht, daß Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 BetrVG und deren Ausübung durch den Abschluß von Betriebsvereinbarungen schon dann ausgeschlossen sind, wenn die betreffende Angelegenheit üblicherweise durch Tarifvertrag geregelt ist, für den Betrieb jedoch keine bindende tarifliche Regelung besteht. Durch § 77 Abs. 3 BetrVG soll entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts den Gewerkschaften nicht schlechthin die Regelung materieller Arbeitsbedingungen vorbehalten bleiben. Eine entsprechende Befugnis der Betriebspartner entfällt vielmehr nur dann, wenn die Tarifvertragsparteien von ihrer Normsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht haben. Wenn das Landesarbeitsgericht demgegenüber meint, daß allein der Schutz der Gewerkschaften durch § 77 Abs. 3 BetrVG bezweckt werde, so verkennt es, daß schon nach dem Wortlaut dieser gesetzlichen Vorschrift nur Regelungen durch "Tarifvertrag" betroffen werden und sich diese damit nicht nur auf die gewerkschaftliche Tätigkeit allein bezieht. Damit dient die gesetzliche Vorschrift des § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts insgesamt der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie (BAG Beschlüsse vom 22. Mai 1979 - 1 ABR 100/77 - AP Nr. 13 zu § 118 BetrVG 1972; vom 22. Januar 1980 - 1 ABR 48/77 - BAGE 32, 350 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; vom 27. Januar 1987 - 1 ABR 66/85 - BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972; vom 24. Februar 1987 - 1 ABR 18/85 - BAGE 54, 191, 199 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; vom 24. November 1987 - 1 ABR 25/86 - AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung).
§ 77 Abs. 3 BetrVG gilt jedoch nicht ausnahmslos. Vielmehr enthält der Eingangssatz in § 87 Abs. 1 BetrVG eine Ausnahme von der Regelung in § 77 Abs. 3 BetrVG. Danach entfallen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates, soweit eine tarifliche oder gesetzliche Regelung der betreffenden Angelegenheit besteht. Eine tarifliche Regelung einer an sich mitbestimmungspflichtigen Angelegenheit, die lediglich üblich ist, für den Betrieb jedoch keine Bindungen erzeugt und daher im Betrieb nicht besteht, kann jedoch den durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in § 87 Abs. 1 BetrVG bezweckten Schutz der Arbeitnehmer nicht bewirken. Deshalb ist es auch nicht gerechtfertigt, die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates in diesen Fällen auszuschließen. § 77 Abs. 3 BetrVG bezweckt, den Vorrang der Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien für materielle Arbeitsbedingungen im Interesse des Funktionierens der Tarifautonomie zu gewährleisten. Dies besagt aber nicht, daß der Vorrang lediglich tarifüblicher Regelungen ausnahmslos gelten müsse und zum Wegfall von Mitbestimmungsrechten auch in den Fällen führe, in denen nach dem Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG als der spezielleren Vorschrift Mitbestimmungsrechte gerade bestehen bleiben sollen. Der Senat folgt insoweit zur Auslegung von § 77 Abs. 3 BetrVG der Rechtsprechung des Ersten Senats (BAGE 54, 191 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972; Beschluß vom 24. November 1987 - 1 ABR 25/86 - AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung).
Darüber hinaus hat der Erste Senat im Beschluß vom 27. Januar 1987 (- 1 ABR 66/85 - BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972) im einzelnen dargelegt, daß auch eine tarifübliche Regelung der Vergütung der Angestellten im Bereich der privaten Forschungsgesellschaften wie der Antragstellerin nicht besteht, so daß eine solche auch keine Sperrwirkung für betriebliche Regelungen entfalten könne. Insoweit wird auf die Ausführungen des Ersten Senats Bezug genommen.
Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist auch nicht nach § 87 Einleitungssatz BetrVG ausgeschlossen. Eine gesetzliche Regelung der Vergütung der Angestellten der Antragstellerin besteht nicht. Die bloße Auflage der Zuwendungsgeber an die Antragstellerin als Zuwendungsempfängerin, ihre Angestellten nicht besser zu stellen als vergleichbare Angestellte im allgemeinen öffentlichen Dienst, stellt keine gesetzliche Regelung im Sinne des Einleitungssatzes in § 87 BetrVG dar, wie der Erste Senat ebenfalls bereits im Beschluß vom 27. Januar 1987 im einzelnen ausgeführt hat. Eine zwingende tarifliche Regelung im Sinne von § 87 Einleitungssatz BetrVG hinsichtlich der Vergütung ihrer Angestellten besteht für die Antragstellerin ebenfalls nicht.
Da somit entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Anwendung des Absenkungserlasses durch die Antragstellerin, dessen Verletzung einen Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG begründen könnte, aus Rechtsgründen nicht ausgeschlossen werden kann, war der angefochtene Beschluß aufzuheben.
Der Senat kann in der Sache auch nicht abschließend entscheiden, so daß es der Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht bedarf. Die Entscheidung hängt nämlich davon ab, ob die Antragstellerin mit der Bemessung der Vergütung ihrer seit dem 1. Januar 1984 neu eingestellten Angestellten nach Maßgabe des Absenkungserlasses einen neuen Entlohnungsgrundsatz angewendet hat, dessen Aufstellung ohne Mitwirkung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG den Antragsgegner nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zur Verweigerung seiner Zustimmung berechtigt hätte (vgl. BAGE 54, 147 = AP Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972), oder ob die Antragstellerin mit der Anwendung des Absenkungserlasses nur den bisher schon bestehenden Entlohnungsgrundsatz praktiziert hat, daß sich die Vergütung ihrer Angestellten stets nach der Vergütung der Angestellten im öffentlichen Dienst, insbesondere des Bundes, richten soll, gleichgültig, auf welcher Rechtsgrundlage diese Vergütung beruht. In diesem Falle wäre eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG nicht berechtigt (vgl. BAG Beschluß vom 7. September 1988 - 4 ABR 32/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Entsprechende Tatsachenfeststellungen fehlen im angefochtenen Beschluß. Diese wird das Landesarbeitsgericht demgemäß unter Würdigung des entsprechenden Sachvortrages der Parteien nachzuholen haben.
Dem Senat ist aber auch aus anderen Gründen eine abschließende Entscheidung nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat sich nicht damit befaßt, ob der Antragsgegner berechtigt war, seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG zu verweigern. Der Antragsgegner hat insoweit geltend gemacht, daß eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Angestellten E durch die beabsichtigte Eingruppierung in VergGr. III BAT nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG gegenüber vergleichbaren wissenschaftlichen Mitarbeitern vorliege und der Angestellte E auch deshalb ungerechtfertigt benachteiligt werde, weil ihm im Rahmen der Werkverträge, aufgrund derer er zumindest seit dem 1. Juni 1985 dieselbe Tätigkeit ausübe, bereits eine Vergütung entsprechend der VergGr. II a BAT gewährt worden sei.
Eine Verletzung des arbeitsvertraglichen Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Eingruppierung des Angestellten E in VergGr. III BAT im Verhältnis zu den vor dem 1. Januar 1984 eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern kommt nicht in Betracht, da insoweit keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen (BAGE 50, 258, 274 = AP Nr. 2 zu § 74 BAT). Der arbeitsvertragliche Gleichbehandlungsgrundsatz könnte jedoch dann verletzt sein, wenn die Antragstellerin nicht bei allen nach dem 1. Januar 1984 neu eingestellten wissenschaftlichen Mitarbeitern nach dem Rundschreiben des Bundesministers des Innern vom 27. Dezember 1983 verfahren ist, sondern gleichliegende Fälle aus unsachlichen oder sachfremden Gründen ungleich behandelt hat und deswegen eine willkürliche Ungleichbehandlung vorliegt (vgl. BAG Beschluß vom 7. September 1988 - 4 ABR 32/88 - zur Veröffentlichung vorgesehen). Insoweit hat der Antragsgegner konkret auf den Angestellten Ralph K verwiesen und geltend gemacht, daß dieser bei einer mit derjenigen des Angestellten E vergleichbaren Fallgestaltung bei seiner Einstellung zum 1. April 1984 in VergGr. II a BAT eingruppiert worden sei. Diesen Sachvortrag, den der Antragsgegner gegebenenfalls noch ergänzen kann, wird das Landesarbeitsgericht bei der erneuten Anhörung und Entscheidung zu berücksichtigen haben.
Hingegen kommt eine ungerechtfertigte Benachteiligung des Angestellten E durch die beabsichtigte Eingruppierung in VergGr. III BAT entgegen den vom Antragsgegner angeführten Gründen im Hinblick auf die Gewährung von Zulagen durch die Antragstellerin als Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG nicht in Betracht. Zum einen betrifft die Zulagengewährung nicht die vorliegend streitige, aufgrund eines Erlasses abgesenkte Vergütung. Zum anderen hat der Angestellte E ebenfalls eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zur VergGr. II a BAT erhalten.
Der Antragsgegner ist auch nicht berechtigt, seine Zustimmung zur Eingruppierung des Angestellten E in VergGr. III BAT im Hinblick auf die diesem aufgrund der Werkverträge gewährten Vergütung zu verweigern. Die Beteiligten streiten vorliegend über die richtige Eingruppierung des Angestellten E in die bei der Antragstellerin anzuwendende Vergütungsordnung für Angestellte. Nur diese personelle Maßnahme unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Hingegen ist er nach dem in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgeführten Katalog der Zustimmungsverweigerungsgründe nicht berechtigt, seine Zustimmung mit der Begründung zu verweigern, daß dem Arbeitnehmer aufgrund früherer vertraglicher Vereinbarungen unter Umständen ein einzelvertraglicher Vergütungsanspruch zusteht, der den sich aus der zutreffenden Eingruppierung ergebenden übersteigt.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag
Preuße Schmalz
Fundstellen