Entscheidungsstichwort (Thema)

Angestellte in Datenverarbeitung

 

Orientierungssatz

Angestellte in Datenverarbeitung; Rückwirkung des Tarifvertrages; arbeitsvertragliche Zusage abgelehnt.

 

Normenkette

ArbGG § 72a; BAT § 22 Fassung: 1975-03-17

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 18.01.1988; Aktenzeichen 14 Sa 1364/86)

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 20.08.1986; Aktenzeichen 6 Ca 2464/86)

 

Gründe

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

Der Kläger ist als Angestellter in der elektronischen Datenverarbeitung beim Statistischen Bundesamt beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Der Kläger erhielt Vergütung nach VergGr. IV a BAT.

Mit Schreiben vom 29. November 1983 teilte das Statistische Bundesamt dem Kläger mit, daß ihm ab 1. Dezember 1983 probeweise eine nach VergGr. III BAT zu bewertende Tätigkeit übertragen werde. Mit Schreiben vom 10. Januar 1984 wurde ihm mitgeteilt, daß ihm diese Tätigkeit ab 1. Februar 1984 auf Dauer übertragen werde. Der Kläger erhielt danach Vergütung nach VergGr. III BAT.

Nach Überprüfung der Eingruppierung nach den Tätigkeitsmerkmalen des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT (Angestellte in der Datenverarbeitung) vom 4. November 1983 wurde dem Kläger mitgeteilt, daß seine Tätigkeit nach VergGr. IV a BAT zu bewerten sei. Die Differenz zwischen der Vergütung nach VergGr. IV a BAT und Vergütung nach VergGr. III BAT wurde für die Zeit vom November 1984 bis Februar 1986 zurückgefordert.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT zustehe und die Rückforderung der gezahlten Vergütung unzulässig sei. Er hat eine entsprechende Feststellungsklage erhoben.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß dem Kläger aufgrund der an ihn gerichteten Mitteilungen kein übertariflicher Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT zustehe.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Rückforderung der Vergütung für die Zeit von November 1984 bis April 1985 für unzulässig gehalten und die Klage im übrigen abgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, da sie nicht in der gesetzlichen Form nach § 72 a Abs. 3 Satz 2 ArbGG begründet worden ist. Der Kläger hat eine rechtserhebliche Divergenz nicht dargelegt. Eine solche setzt nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG voraus, daß die angefochtene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der seinerseits von einem abstrakten Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in der Gesetzesnorm genannten Gerichte abweicht, woraus zugleich folgt, daß lediglich fehlerhafte oder angeblich den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entsprechende Rechtsanwendung eine Divergenz nicht zu begründen vermag (BAG Beschluß vom 19. November 1979 - 5 AZN 15/79 - AP Nr. 2 zu § 72 ArbGG 1979 m. w. N.). Dabei müssen sich die voneinander abweichenden Rechtssätze aus der anzufechtenden wie aus der angezogenen Entscheidung unmittelbar ergeben und so deutlich ablesbar sein, daß nicht zweifelhaft bleibt, welche abstrakten Rechtssätze die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben (BAGE 41, 188, 190 = AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz; BAG Beschluß vom 10. Juli 1984 - 2 AZN 337/84 - AP Nr. 15 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz).

Diesen Erfordernissen entspricht das Vorbringen des Klägers nicht. Der Kläger macht geltend, daß das Landesarbeitsgericht bei seinen Ausführungen darüber, ob die Schreiben der Beklagten vom 29. November 1983 und vom 10. Januar 1984 - unabhängig von den tariflichen Bestimmungen - ein einzelvertragliches Angebot auf Zahlung einer Vergütung nach VergGr. III BAT enthielten, einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt habe, der von einem vom Landesarbeitsgericht Köln im Urteil vom 21. März 1985 - 8 Sa 6/85 - aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweiche. Der Kläger beruft sich insoweit auf einen Satz im anzufechtenden Urteil, der wie folgt lautet:

"Jedenfalls galt der neue Tarifvertrag zu den

Zeitpunkten November 1983 und Januar 1984 noch

nicht, so daß die Eingruppierung nicht als

bewußte Abkehr von der tariflichen Rechtslage

aufgefaßt werden kann."

Insoweit handelt es sich jedoch nicht um einen abstrakten Rechtssatz, den das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der Geltung der Tarifnormen des Tarifvertrages für Angestellte in der Datenverarbeitung vom 4. November 1983 aufgestellt hat. Das Landesarbeitsgericht befaßt sich mit der Auslegung der individuellen Schreiben der Beklagten vom 29. November 1983 und 10. Januar 1984 und mit der Frage, ob diese Schreiben den Schluß zulassen, daß die Beklagte bewußt von der tariflichen Rechtslage abweichen wollte. So führt das Landesarbeitsgericht aus, daß zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Schreiben der Tarifvertrag für Angestellte in der Datenverarbeitung noch nicht als gültiges Tarifrecht bekannt war. Nur in diesem Zusammenhang ist der vom Kläger angezogene Satz aus dem anzufechtenden Urteil zu verstehen. Es handelt sich somit nicht um einen abstrakten Rechtssatz hinsichtlich der Geltung des Tarifvertrages, sondern um die einzelfallbezogene Wertung, ob zwischen den Parteien eine einzelvertragliche Vereinbarung unabhängig von den - noch nicht bekannten - tariflichen Bestimmungen getroffen werden sollte. Damit fehlt es schon an der Darlegung eines abstrakten Rechtssatzes, auf dem das anzufechtende Urteil beruhen soll.

Außerdem räumt der Kläger selbst ein, daß auch das Landesarbeitsgericht Köln in dem angezogenen Urteil ausdrücklich keinen abstrakten Rechtssatz hinsichtlich der Geltung des Tarifvertrages für Angestellte in der Datenverarbeitung vom 4. November 1983 aufgestellt habe. Ein solcher solle sich nach Auffassung des Klägers nur aus den Entscheidungsgründen ergeben. Dies reicht zur Begründung einer rechtserheblichen Divergenz nicht aus. Es genügt für die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht, wenn der vermeintlich abweichende Rechtssatz aus dem anzufechtenden Urteil nur mittels der Erwägung entnommen wird, das Landesarbeitsgericht müsse folgerichtig von einem in der Entscheidung nicht erörterten Satz ausgegangen sein. Anderenfalls würde in einer Ergänzung der Subsumtion des festgestellten Sachverhaltes unter die einschlägigen Rechtsnormen ein Rechtssatz abgeleitet, von dem sich nicht feststellen läßt, ob er in der Entscheidung wirklich vertreten werden sollte oder das Rechtsproblem übersehen wurde oder von anderen nicht ausgesprochenen rechtlichen Erwägungen ausgegangen worden ist. Mit einer Ergänzung des angezogenen Urteils durch vom Beschwerdeführer selbst gebildete, von divergenzfähigen Entscheidungen abweichende Grundsätze können in diesen Fällen die Voraussetzungen einer Divergenz nicht dargelegt werden (BAG Beschluß vom 10. Juli 1984 - 2 AZN 337/84 - AP Nr. 15 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz).

Der Senat ist im übrigen in seiner bisherigen Rechtsprechung zum Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT (Angestellte in der Datenverarbeitung) vom 4. November 1983 davon ausgegangen, daß dieser Tarifvertrag rechtswirksam entsprechend der Regelung in § 4 zum 1. Oktober 1983 in Kraft getreten ist (BAG Urteil vom 18. Mai 1988 - 4 AZR 751/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen).

Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438870

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