Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs nach § 109 BetrVG
Leitsatz (amtlich)
Die Entscheidung der Einigungsstelle nach § 109 BetrVG darüber, ob, wann, in welcher Weise und in welchem Umfang der Unternehmer den Wirtschaftsausschuß zu unterrichten hat, unterliegt der Rechtskontrolle der Arbeitsgerichte. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der Auskunft entgegensteht.
Leitsatz (redaktionell)
Aufgabe der in der Senatsentscheidung vom 8. August 1989 – 1 ABR 61/88 – BAGE 62, 294 geäußerten Bedenken.
Normenkette
BetrVG §§ 109, 106, 79, 76
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberin und des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Juli 1999 – 13 (10) TaBV 5/99 – werden zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über den Inhalt und die Reichweite der Auskunftspflicht der Arbeitgeberin gegenüber dem Wirtschaftsausschuß und in diesem Zusammenhang über die Wirksamkeit des Spruchs einer nach § 109 BetrVG gebildeten Einigungsstelle. Beide Beteiligten halten den Spruch für unwirksam.
Die Arbeitgeberin (Beteiligte zu 1) ist durch Privatisierung aus der Deutschen Bundespost – Postdienst hervorgegangen; Beteiligter zu 2) ist der bei der Arbeitgeberin bestehende Gesamtbetriebsrat. Bei der Arbeitgeberin ist ein Wirtschaftsausschuß unter der Bezeichnung „Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten” gebildet. Mitglieder des Wirtschaftsausschusses bekleiden gleichzeitig wichtige Funktionen in der Deutschen Postgewerkschaft und gehören teilweise auch deren Tarifkommission an. In der Regel nimmt ein Mitglied des Hauptvorstandes der Postgewerkschaft an den Sitzungen des Wirtschaftsausschusses teil, wie in dessen Geschäftsordnung vorgesehen.
Die Arbeitgeberin führte seit Mitte 1996 ein Pilotprojekt „Postzustellservice (PZS)” in verschiedenen Städten der Bundesrepublik Deutschland durch, um die Wettbewerbsfähigkeit im Bereich der Briefzustellung für die Zukunft zu sichern und neue Märkte für neue Projekte zu erschließen. Gegenstand des Pilotprojekts ist es, die Verteilung bestimmter Produkte – großformatige Briefsendungen, Wurfsendungen an alle Haushalte und sog. Postwurfsendungen spezial – gegen Zahlung einer Vergütung unternehmensfremden Service-Partnern zu übertragen. Nach Darstellung der Arbeitgeberin entspricht der Umfang des Pilotprojekts einem Anteil von 0,037 % des gesamten Zustellungsvolumens.
Die Arbeitgeberin informierte ihre Mitarbeiter durch ein Plakat vom 19. Juni 1997 mit folgendem Inhalt über das Pilotprojekt:
„Zwar ist der Abbau von Spitzenbelastungen das Hauptziel des erweiterten Piloten. Doch sollen damit auch Auswirkungen auf die Kostenstruktur ermittelt werden. Dies dient insbesondere zur Vorbereitung auf den kommenden Wettbewerb. Denn unabhängig von den freigegebenen Gewichtsgrenzen muß sich die Deutsche Post AG natürlich der Liberalisierung der Postmärkte stellen.”
Mit Schreiben vom 19. Juni 1997 unterrichtete die Arbeitgeberin außerdem den Gesamtbetriebsrat über den Stand des Projekts, ua. mit folgendem Inhalt:
„Allerdings lassen sich die Kosteneffekte der Zusammenarbeit wegen der relativ geringen eingebrachten Volumina noch nicht abschließend beurteilen. Dies hängt im wesentlichen damit zusammen, daß Kostendegressionen in Zustellnetzen erst oberhalb gewisser Mindestmengen spürbar werden und die Kooperationspartner nur bei Vorliegen dieser Voraussetzungen zu entsprechenden Abschlägen in den Verrechnungspreisen bereit sind.
Die Deutsche Post AG hat sich daher entschlossen, die Produktpalette für Zustellkooperationen um einen Teil der Infopostsendungen (Formate Groß und Maxi) zu ergänzen und die Pilotbetriebe vom 1.07.1997 an auf die Städte Chemnitz, Duisburg, Düsseldorf, Freiburg und Magdeburg auszudehnen.”
In einer Sitzung vom 24. Juni 1997 unterrichtete die Arbeitgeberin den Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten über den Stand der Planung und die Entwicklung des Pilotprojektes Zustellservice. In der Folgezeit verlangte der Gesamtbetriebsrat von der Arbeitgeberin, dem Wirtschaftsausschuß die vollständigen Kooperationsverträge mit den jeweiligen Service-Partnern vorzulegen und insbesondere die mit diesen vereinbarten Vergütungen anzugeben. Diesem Begehren kam die Arbeitgeberin nach einem gerichtlichen Vergleich mit der Einschränkung nach, daß die mit den jeweiligen Service-Partnern vereinbarten Entgelte in den Kooperationsverträgen geschwärzt waren. Eine entsprechende Auskunft verweigerte die Arbeitgeberin, da durch die Preisgabe der vereinbarten Vergütungen ein Geschäftsgeheimnis gefährdet würde.
Mit Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn vom 5. September 1997 (– 5 BV 66/97 –), bestätigt durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. März 1998 (– 10 TaBV 94/97 –), wurde auf Antrag des Gesamtbetriebsrats der damalige Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, K, zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Entscheidung über die Vorlage der vollständigen und ungeschwärzten Verträge mit den Service-Partnern im Bereich Postzustellservice gegenüber dem Wirtschaftsausschuß bestellt.
Am 5. Juni 1998 fand die Einigungsstellenverhandlung statt. Nachdem eine Einigung nicht hatte erzielt werden können, wurde über folgende Anträge des Gesamtbetriebsrats abgestimmt:
Die Einigungsstelle möge beschließen:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten die ungeschwärzten, vollständigen Verträge mit den Partnern im Projekt „PZS” zur Einsichtnahme vorzulegen.
1. Hilfsantrag:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten alle Preise zu nennen, die er mit den Partnern im Projekt „PZS” für die Auslieferung der Sendungen vereinbart hat und diesen bezahlt.
2. Hilfsantrag:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgenden Informationen zukommen zu lassen:
Vereinbarte Preise für die unterschiedlichen Produkte mit Partnern im Projekt „PZS” ohne Zuordnung zu den einzelnen Vertragspartnern; quartalsweise die Angabe der nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge (Gesamtsumme geteilt durch Anzahl der jeweiligen Sendungen, die im Rahmen des Projekts „PZS” – Stand 05.06.1998 – von den Vertragspartnern verteilt werden), die den Vertragspartnern für die von diesen zu erbringenden Leistungen bezahlt werden.
3. Hilfsantrag:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgenden Informationen zukommen zu lassen:
Die jeweils höchsten und niedrigsten vereinbarten Preise für die unterschiedlichen Produkte mit den Partnern im Projekt „PZS” ohne Zuordnung zu den einzelnen Vertragspartnern; quartalsweise die Angabe der nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge (Gesamtsumme geteilt durch Anzahl der jeweiligen Sendungen, die im Rahmen des Projekts „PZS” – Stand 05.06.1998 – von den Vertragspartnern verteilt werden), die den Vertragspartnern für die von diesen zu erbringenden Leistungen bezahlt werden.
4. Hilfsantrag:
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgenden Informationen zukommen zu lassen:
Quartalsweise die Angabe der nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge (Gesamtsumme geteilt durch Anzahl der jeweiligen Sendungen, die im Rahmen des Projektes „PZS” – Stand 05.06.1998 – von den Vertragspartnern verteilt werden), die den Vertragspartnern für die von diesen zu erbringenden Leistungen bezahlt werden.
Die Arbeitgeberin beantragte vor der Einigungsstelle:
Die Einigungsstelle möge sich für unzuständig erklären.
Hilfsweise hierzu,
Nach Bejahung ihrer Zuständigkeit faßte die Einigungsstelle unter Zugrundelegung des 4. Hilfsantrags des Gesamtbetriebsrats folgenden Beschluß:
„Die Unternehmerin ist verpflichtet, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgenden Informationen zukommen zu lassen:
Quartalsweise die Angabe der nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge (Gesamtsumme geteilt durch Anzahl der jeweiligen Sendungen, die im Rahmen des Projektes „PZS” – Stand 05.06.1998 – von den Vertragspartnern verteilt werden), die den Vertragspartnern für die von diesen zu erbringenden Leistungen bezahlt werden.”
Die Arbeitgeberin hat den Spruch der Einigungsstelle schon insoweit angegriffen, als diese ihre Zuständigkeit bejaht hat. Außerdem hat sie die Auffassung vertreten, bei den begehrten Auskünften über die Vergütungen der Service-Partner handele es sich um Geschäftsgeheimnisse. Das gehe schon daraus hervor, daß von den etwa 360.000 Beschäftigten der Arbeitgeberin abgesehen von einem Vorstandsmitglied nur vier Personen Kenntnis von der Höhe der fraglichen Vergütungen hätten. Es bestehe zudem eine enge personelle Beziehung zwischen dem Wirtschaftsausschuß und der Deutschen Postgewerkschaft, dem sozialen Gegenspieler in sämtlichen das Unternehmen betreffenden Tarifverhandlungen. Mehrere Mitglieder des Wirtschaftsausschusses gehörten dem Hauptvorstand oder der Tarifkommission der Postgewerkschaft an und hätten an Tarifverhandlungen teilgenommen. Die begehrten Informationen würden daher zu einer Schwächung der Verhandlungsposition der Arbeitgeberin bei den Tarifverhandlungen führen. Dementsprechend hat die Arbeitgeberin in dem Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn – 1 BV 61/98 – beantragt,
- festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 5. Juni 1998 unwirksam ist;
hilfsweise,
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 05.06.1998 insoweit unwirksam ist, als die Einigungsstelle die Verpflichtung der Beteiligten zu 1) bejaht hat, dem Ausschuß für wirtschaftliche Angelegenheiten die folgende Information zukommen zu lassen:
Quartalsweise die Angabe der nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge (Gesamtsumme geteilt durch die Anzahl der jeweiligen Sendungen, die im Rahmen des Projektes „PZS” – Stand 05.06.1998 – von den Vertragspartnern verteilt werden), die den Vertragspartnern für die von diesen zu erbringenden Leistungen bezahlt werden.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Zuständigkeit der Einigungsstelle bejaht und die Auffassung vertreten, die Zurückweisung seines Hauptantrages und der Hilfsanträge zu 1) bis 3) durch die Einigungsstelle sei ermessensfehlerhaft gewesen. Die Einigungsstelle habe die Interessen der Belegschaft nicht angemessen berücksichtigt. Aus der Doppelmitgliedschaft von Personen in den verschiedenen betriebsverfassungsrechtlichen und gewerkschaftlichen Gremien und Funktionen dürfe keine Einschränkung der Informationsrechte des Wirtschaftsausschusses hergeleitet werden.
Der Gesamtbetriebsrat hat daher im Verfahren – 1 BV 61/98 – die Abweisung der Anträge der Arbeitgeberin beantragt und seinerseits ein Beschlußverfahren vor dem Arbeitsgericht Bonn – 2 BV 62/98 – eingeleitet, in dem er beantragt hat
- festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 05.06.1998 insoweit unwirksam ist, als die in dem Hauptantrag des Gesamtbetriebsrats vor der Einigungsstelle angesprochene Auskunftsverpflichtung des Arbeitgebers verneint würde,
jeweils hilfsweise,
festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 05.06.1998 insoweit unwirksam ist, als die in den Hilfsanträgen zu 1) bis 3) des Gesamtbetriebsrats vor der Einigungsstelle angesprochenen Auskunftsverpflichtungen des Arbeitgebers von der Einigungsstelle verneint worden sind.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge des Gesamtbetriebsrats abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat im Verfahren – 1 BV 61/98 – die Anträge der Arbeitgeberin und im Verfahren – 2 BV 62/98 – die Anträge des Gesamtbetriebsrats abgewiesen. Der jeweils unterlegene Beteiligte hat Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat beide Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Der Gesamtbetriebsrat hat in der Beschwerdeinstanz weiter beantragt
festzustellen, daß die Mitgliedschaft gewerkschaftlicher Funktionsträger im Wirtschaftsausschuß nicht zu einer Beschränkung von dessen Informationsrechten führt.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerden der Arbeitgeberin und des Gesamtbetriebsrats einschließlich der Antragserweiterung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht jeweils zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat die zuletzt gestellten Anträge weiter.
B. Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den ihren Antrag abweisenden Beschluß des Arbeitsgerichts vom 17. November 1998 (– 1 BV 61/98 –) und die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den seinen Antrag abweisenden Beschluß vom 13. Januar 1999 (– 2 BV 62/98 –) in dem verbundenen Verfahren zurückgewiesen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Einigungsstelle zuständig ist und der Arbeitgeberin zutreffend die Verpflichtung auferlegt hat, den Wirtschaftsausschuß quartalsweise über die nach Produkten getrennten durchschnittlichen Beträge, die den Vertragspartnern für die von ihnen zu erbringenden Leistungen bezahlt werden, zu informieren. Ebenso zu Recht hat das Landesarbeitsgericht entschieden, daß die Einigungsstelle zutreffenderweise weitergehende Auskunftsansprüche des Gesamtbetriebsrats verneint hat. Auch die Abweisung des erweiterten Antrags des Gesamtbetriebsrats ist nicht zu beanstanden.
I. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, aber unbegründet.
1. Soweit die Arbeitgeberin sich darauf stützt, die Einigungsstelle sei unzuständig gewesen, kann das die Rechtsbeschwerde nicht begründen. Bei der streitigen Frage handelt es sich um eine wirtschaftliche Angelegenheit im Sinne von § 106 BetrVG, die Einigungsstelle hat ihre Zuständigkeit somit zu Recht bejaht.
a) Mit der Rüge, die Einigungsstelle sei nicht zuständig gewesen, macht die Arbeitgeberin einen Rechtsfehler der Einigungsstelle geltend(BAG 22. Januar 1991 – 1 ABR 38/89 – BAGE 67, 97; 17. September 1991 – 1 ABR 74/90 – AP BetrVG 1972 § 106 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 106 Nr. 17). Der Spruch der Einigungsstelle unterliegt insoweit der vollen Überprüfung durch die Arbeitsgerichte(BAG 8. August 1989 – 1 ABR 61/88 – BAGE 62, 294; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 76 Rn. 60 und § 109 Rn. 2, 12; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 109 Rn. 19; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 109 Rn. 11 mwN; Däubler/Kittner/Klebe BetrVG 7. Aufl. § 109 Rn. 14 mwN). Auf die Frist des § 76 Abs. 5 Satz 4 BetrVG kommt es nicht an.
b) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Streit um die Zuständigkeit der Einigungsstelle in einem Beschlußverfahren auszutragen ist (§ 2 a ArbGG), in dem die Einigungsstelle und der Wirtschaftsausschuß nicht zu beteiligen sind(Fabricius GK-BetrVG 6. Aufl. § 109 Rn. 53 f.; Richardi aaO § 109 Rn. 5; Hess/Schlochauer/Glaubitz aaO § 109 Rn. 3 ff.; ErfK/Hanau/Kania § 109 BetrVG Rn. 1; Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 109 Rn. 2).
c) Bei der im Streit stehenden Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses auch über die an die Service-Partner zu zahlenden Vergütungen handelt es sich um eine wirtschaftliche Angelegenheit nach § 106 BetrVG.
Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten nach § 106 Abs. 3 Nr. 10 BetrVG gehören „sonstige Vorgänge und Vorhaben, welche die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren können”. Diese beschränkte Generalklausel(Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 106 Rn. 50; Hess/Schlochauer/Glaubitz aaO § 106 Rn. 49; Däubler/Kittner/Klebe aaO § 106 Rn. 78) erfaßt alle nicht bereits in den Nummern 1–9 des § 106 BetrVG aufgeführten Fragen, die das wirtschaftliche Leben des Unternehmens in entscheidenden Punkten betreffen, dies jedoch stets unter der Voraussetzung, daß die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berührt werden können(BAG 22. Januar 1991 – 1 ABR 38/89 – aaO, zu B II 1 der Gründe).
Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß es sich bei dem Pilotprojekt PZS um ein Vorhaben handelt, das die Interessen der Arbeitnehmer des Unternehmens wesentlich berühren kann. Dabei fällt hier nicht entscheidend ins Gewicht, daß das Pilotprojekt selbst nur einen geringen Umfang – 0,037 % des Zustellaufkommens der Arbeitgeberin – hat. Die Bedeutung des Vorhabens ergibt sich vielmehr aus seinem Zweck, der weit über das zunächst betroffene Volumen hinausreicht. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf abgestellt, daß das Pilotprojekt als solches, dessen Dauer, die von dem Pilotprojekt betroffenen Niederlassungen und Postzustellungsbezirke, die Art und Weise der Zusammenarbeit und vor allem die Ergebnisse des Pilotprojekts für die Belegschaft bedeutende soziale Auswirkungen enthalten können. Das Pilotprojekt soll ggf. – wie sich aus der Information der Mitarbeiter mit dem Plakat vom 19. Juni 1997 ergibt – zu weiteren unternehmerischen Entscheidungen der Arbeitgeberin führen. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht insoweit angenommen, es liege ohne weiteres auf der Hand, daß ein solches Pilotprojekt geeignet ist, erhebliche Auswirkungen auch auf die zukünftige Personalplanung der Arbeitgeberin zu entfalten.
Das gilt gerade auch für die mit den Service-Partnern vereinbarten Vergütungen. Die Arbeitgeberin selbst hat ausgeführt, daß mit Abstand der wichtigste Faktor des Pilotprojekts die entstehenden Kosten, vor allem die den Service-Partnern zu zahlenden Vergütungen sind. Auch wenn die Kosten für die Beteiligung der Service-Partner an dem Pilotprojekt im Verhältnis zu den Gesamtumsätzen der Arbeitgeberin derzeit nicht ins Gewicht fallen, sind die Preise entsprechender Leistungen für die im Anschluß an die Durchführung des Pilotprojekts zu treffenden unternehmerischen Entscheidungen, ob generell in dieser Weise verfahren werden soll oder nicht, von großer Bedeutung und daher für den Wirtschaftsausschuß erforderlich.
Bestätigt wird das von Sinn und Zweck des § 106 BetrVG. Danach soll der Wirtschaftsausschuß gleichgewichtig und gleichberechtigt mit dem Unternehmer über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens beraten. Eine solche Beratung ist nur dann sinnvoll, wenn der Wirtschaftsausschuß Gelegenheit hat, auf die Planungen des Unternehmers Einfluß zu nehmen. Das setzt voraus, daß er rechtzeitig und umfassend unterrichtet wird. Der Unternehmer muß daher vor geplanten unternehmerischen Entscheidungen und sonstigen Vorhaben den Wirtschaftsausschuß frühzeitig und umfassend informieren, so daß dieser – und der Betriebsrat bzw. Gesamtbetriebsrat – durch seine Stellungnahme und eigenen Vorschläge noch Einfluß auf die Gesamtplanung wie auch auf die einzelnen Vorhaben nehmen kann(BAG 22. Januar 1991 – 1 ABR 38/89 – aaO, zu B II 2 der Gründe). Dafür sind die Preise der Beteiligung der Service-Partner, also die Kosten, von maßgeblicher Bedeutung.
2. Auch soweit die Arbeitgeberin weiter geltend macht, bei der Unterrichtung über die Entgelte der Service-Partner handle es sich um Geschäftsgeheimnisse, über die sie den Wirtschaftsausschuß unter den gegebenen Umständen – Beteiligung von Gewerkschaftsfunktionären, die in Tarifverhandlungen als Gegenspieler der Arbeitgeberin auftreten – nicht informieren müsse, verhilft das ihrer Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Dem Auskunftsanspruch steht nicht die Gefährdung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegen.
a) § 109 BetrVG ist auch dann anwendbar, wenn sich der Unternehmer auf Betriebs- bzw. Geschäftsgeheimnisse beruft(Däubler/Kittner/Klebe aaO § 109 Rn. 4; Richardi aaO § 109 Rn. 6; Fabricius aaO § 109 Rn. 37 ff.; ErfK/Hanau/Kania § 109 BetrVG Rn. 1). Auch soweit der Unternehmer eine Beschränkung der Unterrichtungspflicht geltend macht, weil ein Geschäftsgeheimnis gefährdet werde, entscheidet über das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zunächst die Einigungsstelle nach § 109 BetrVG.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unterliegt der Einigungsstellenspruch nach § 109 BetrVG der vollen Rechtskontrolle durch die Arbeitsgerichte. Der Senat folgt insoweit der herrschenden Meinung im Schrifttum(Fitting/Kaiser/Heither/Engels aaO § 109 Rn. 1, 4; Däubler/Kittner/Klebe aaO § 109 Rn. 14; Fabricius aaO § 109 Rn. 44; Hess/Schlochauer/Glaubitz aaO § 109 Rn. 11; Richardi aaO § 106 Rn. 58, § 108 Rn. 49, § 109 Rn. 19; Dütz DB 1972, 383, 385; Gutzmann DB 1989, 1083, 1086; Dütz/Vogg Anm. zu BAG 8. August 1989 – 1 ABR 61/88 – SAE 1991, 232 ff.).
Soweit der Senat mit Beschluß vom 8. August 1989(– 1 ABR 61/88 – aaO, mit Anm. Henssler in EzA BetrVG 1972 § 106 Nr. 8) Bedenken geltend gemacht hat, ob diese Konzeption dem Regelungsgehalt der Vorschriften des BetrVG über die Auskunftspflicht des Unternehmers gegenüber dem Wirtschaftsausschuß gerecht wird, hält er daran nach erneuter Überprüfung nicht fest. Die Entscheidung der Einigungsstelle darüber, ob, wann und in welcher Weise die Auskunft unter Vorlage welcher Unterlagen zu geben ist, also auch über die Frage, ob eine Gefährdung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen die Auskunft verbietet, unterliegt nicht nur einer eingeschränkten Ermessenskontrolle nach § 76 Abs. 5 BetrVG, sondern der Rechtskontrolle. Die Einigungsstelle trifft keine Ermessensentscheidung hinsichtlich des Umfangs der zu erteilenden Auskünfte, sondern wendet unbestimmte Rechtsbegriffe an. Die Abgrenzung dieser Begriffe obliegt im Streitfall den Gerichten. Dies ist gerade für den Begriff des „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses” in anderen Vorschriften anerkannt(vgl. zu § 79 BetrVG BAG 26. Februar 1987 – 6 ABR 46/84 – BAGE 55, 96; zu § 93 AktG BGH 5. Juni 1975 – II ZR 156/73 – DB 1975, 1308, 1310). Dies folgt schon daraus, daß die Einigungsstelle im Verfahren nach § 109 BetrVG über den Inhalt gesetzlich definierter Ansprüche befindet. Wie der Senat schon in der Entscheidung vom 8. August 1989(– 1 ABR 61/88 – aaO) erkannt hat ergibt sich der Informationsanspruch aus § 106 Abs. 2 BetrVG. So ist in § 121 Abs. 1 BetrVG als Anspruchsgrundlage § 106 Abs. 2 BetrVG genannt und nicht etwa § 109 BetrVG. Die Feststellung, in welchem Umfang dieser Anspruch gegeben ist, ob also eine Gefährdung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen droht, ist danach Rechtsfrage. Dem steht nicht entgegen, daß es insoweit um den Ausgleich widerstreitender Interessen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmervertretung geht. Ein solcher Interessenausgleich ist geradezu typisch für die gerichtliche Konfliktlösung im Arbeitsrecht. Er ist keineswegs der Einigungsstelle vorbehalten. Auch das vom Senat in der Entscheidung vom 8. August 1989 angeführte Argument, eine volle gerichtliche Überprüfung des Einigungsstellenspruches könne das Verfahren verzögern, hat nur geringes Gewicht. Das in § 109 BetrVG vorgesehene Einigungsstellenverfahren stellt lediglich ein vorgeschaltetes Schiedsverfahren dar, das die Möglichkeit einer raschen Einigung auf betrieblicher Ebene eröffnet, ohne die Anrufung des Gerichts auszuschließen. Das Gerichtsverfahren muß sich dadurch, daß es nicht nur eine Ermessens-, sondern eine Rechtskontrolle des Einigungsstellenspruchs zum Gegenstand hat, nicht so sehr verzögern, daß verfahrensökonomische Gesichtspunkte für das Verständnis des § 109 BetrVG maßgeblich sein könnten.
b) Auch auf der Grundlage dieser Erwägungen hält der Beschluß des Landesarbeitsgerichts jedoch im Ergebnis der Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz stand.
Bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe hat das Rechtsbeschwerdegericht nur zu prüfen, ob das Beschwerdegericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhaltes unter die Rechtsnorm Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat und ob es alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände widerspruchsfrei beachtet hat(BAG 10. Februar 1999 – 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42 = EzA KSchG nF § 15 Nr. 47). Danach ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
Zunächst ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet, den Wirtschaftsausschuß auch über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu informieren(MünchArbR/Joost Bd. 3 § 319 Rn. 55). Die Unterrichtungspflicht ist nur eingeschränkt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens gefährdet werden. Eine solche Gefährdung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, etwa wegen der besonderen Bedeutung einer Tatsache für den Bestand oder die Entwicklung des Unternehmens oder wegen persönlicher Umstände eines Mitglieds des Wirtschaftsausschusses(ErfK/Hanau/Kania § 106 BetrVG Rn. 6). Danach kann die Unterrichtung zB verweigert werden, wenn objektiv ein sachliches Interesse an der völligen Geheimhaltung bestimmter Tatsachen wegen der sonst zu befürchtenden Gefährdung des Bestandes oder der Entwicklung des Unternehmens besteht und – zum anderen – die konkrete Befürchtung begründet ist, daß Informationen von Mitgliedern des Wirtschaftsausschusses trotz der ihnen auferlegten Verschwiegenheitspflicht weitergegeben werden(Däubler/Kittner/Klebe aaO § 106 Rn. 58; ErfK/Hanau/Kania § 106 BetrVG Rn. 6). Dabei ist zu berücksichtigen, daß für die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses nach § 107 Abs. 3 Satz 4 BetrVG die gleiche Verschwiegenheitsverpflichtung gilt wie für Betriebsratsmitglieder (§ 79 BetrVG).
Hier macht die Arbeitgeberin auch gar nicht geltend, es könne zur Verletzung dieser Pflicht kommen. Sie beruft sich vielmehr darauf, die gewerkschaftlichen Mitglieder des Wirtschaftsausschusses könnten die erlangten Kenntnisse im Rahmen von Tarifverhandlungen verwerten, weshalb die Verschwiegenheitspflicht des § 79 BetrVG nicht ausreichend sei. Dieser Einwand kann indessen nicht durchgreifen. Die Verschwiegenheitspflicht soll das Unternehmen bei seiner Teilnahme am Wirtschaftsverkehr schützen, nicht dagegen in seiner Rolle als (Mitglied einer) Tarifpartei. Es ist systemimmanent, daß im Wirtschaftsausschuß Personen tätig werden, die zugleich Funktionsträger oder Beauftragte von Gewerkschaften sind(BAG 25. Juni 1987 – 6 ABR 45/85 – BAGE 55, 386 = AP BetrVG 1972 § 108 Nr. 6 mit Anm. Däubler; Däubler/Kittner/Klebe aaO § 108 Rn. 15). Hierbei ist auch zu beachten, daß ein auf Tarifauseinandersetzungen ausgerichteter Schutz von Geschäftsgeheimnissen in § 109 BetrVG im Widerspruch stünde zu den vielfältigen Unterrichtungsmöglichkeiten der Arbeitnehmerseite, beispielsweise der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer (auch Gewerkschaftsvertreter).
II. Auch die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats hat keinen Erfolg.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Einigungsstelle den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1) bis 3) des Gesamtbetriebsrats zutreffend verneint und entsprechend dem 4. Hilfsantrag beschlossen hat.
Zwar benötigt der Wirtschaftsausschuß Auskünfte über das Pilotprojekt, um seine gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen. Dafür sind aber – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen hat – die im 4. Hilfsantrag genannten Informationen ausreichend. Auf ihrer Grundlage läßt sich auf die Maßnahmen (zB Fremdvergabe von Dienstleistungen) schließen, welche die Arbeitgeberin möglicherweise in der Folge des Pilotprojekts ergreifen wird. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Arbeitnehmervertretung darüber hinaus auch die in den vorangehenden Anträgen genannten Einzelinformationen zur Verfügung gestellt werden müßten.
2. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch den vom Gesamtbetriebsrat in der Beschwerdeinstanz erstmals gestellten Antrag als unzulässig abgewiesen. Mit diesem Antrag hat der Gesamtbetriebsrat ein Teilelement der übrigen Anträge zum Antragsgegenstand erhoben. Da in deren Rahmen bereits zu prüfen und entscheiden war, ob die Mitgliedschaft gewerkschaftlicher Funktionsträger im Wirtschaftsausschuß zu einer Beschränkung von dessen Informationsrechten führt (vgl. oben S. 12), fehlt diesem Antrag das auch im Beschlußverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
Unterschriften
Wißmann, Rost, Hauck, Kehrmann, Rösch
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 11.07.2000 durch Schneider, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 228 |
BB 2001, 580 |
DB 2001, 598 |
DStR 2001, 1812 |
ARST 2001, 121 |
EWiR 2001, 561 |
FA 2001, 211 |
FA 2001, 87 |
NZA 2001, 402 |
SAE 2002, 177 |
AP, 0 |