Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung. Prozessvergleich. Arbeitszeugnis
Leitsatz (redaktionell)
Verpflichtet ein Vollstreckungstitel den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer bestimmten Notenstufe, ist die Note nicht vollstreckungsfähig, weil zu unbestimmt.
Normenkette
GewO § 109; ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. September 2016 – 10 Ta 337/16 – wird zurückgewiesen.
2. Der Gläubiger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I. Die Schuldnerin, die Beklagte im Ausgangsverfahren, ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie beschäftigte den Gläubiger, den Kläger im Ausgangsverfahren, als Mitarbeiter im Innendienst. Mit Schreiben vom 26. November 2015 erklärte die Schuldnerin die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 2016. Mit seiner am 2. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrte der Gläubiger Kündigungsschutz. Am 8. Januar 2016 schlossen die Parteien des Ausgangsverfahrens vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, in dem es unter Ziff. 4 heißt:
„Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer sehr guten Führungs- und Leistungsbeurteilung und einer Bedauerns-, Dankes- und gute Wünscheformulierung im Schlusssatz.”
Ende Februar 2016 erteilte die Schuldnerin dem Gläubiger ein auf den 25. Januar 2016 datiertes Arbeitszeugnis, das auszugsweise wie folgt lautet:
„Herr T verfügt über ein umfassendes und fundiertes Fachwissen, das er jederzeit in die Praxis umzusetzen wusste. Er war sehr motiviert und zeigte ein hohes Maß an Initiative und Leistungsbereitschaft. Er arbeitete sehr effizient, zielstrebig und sorgfältig und bewies ein gutes Organisationsgeschick. Dabei war er auch erhöhtem Zeitdruck und Arbeitsaufwand gut gewachsen. Er lieferte stets qualitativ und quantitativ tolle Ergebnisse. Herr T hat unsere Erwartungen stets ausgezeichnet erfüllt. Wir waren mit seinen Leistungen jederzeit sehr zufrieden. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Externen war immer einwandfrei.
Das Arbeitsverhältnis endet im gegenseitigen Einvernehmen zum 31.01.2016 aus betriebsbedingten Gründen. Wir danken Herrn T, bedauern sein Ausscheiden sehr und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute.”
Mit Schreiben vom 3. März und vom 6. April 2016 forderte der Gläubiger die Schuldnerin auf, das Zeugnis inhaltlich zu ändern. Dabei rügte der Gläubiger, aus dem Wortlaut des Zeugnisses ergebe sich keine sehr gute Leistungs- und Führungsbeurteilung. Das Zeugnis weise insgesamt strukturell und inhaltlich große Mängel auf.
Der Gläubiger beantragte mit Schriftsatz vom 21. März 2016 eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs vom 8. Januar 2016, die ihm das Arbeitsgericht am 21. März 2016 erteilte. Am 25. April 2016 wurde diese der Schuldnerin zugestellt. Zur Durchsetzung der unter Ziff. 4 des Vergleichs vom 8. Januar 2016 geregelten Verpflichtung der Schuldnerin zur Erteilung eines Zeugnisses hat der Gläubiger unter dem 8. Mai 2016 beantragt, gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld festzusetzen und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft gegen ihren Geschäftsführer anzuordnen. Zur Begründung hat er ausgeführt, das von der Schuldnerin erteilte Zeugnis entspreche nicht den Vorgaben von Ziff. 4 des Vergleichs vom 8. Januar 2016. Mit Beschluss vom 21. Juni 2016 hat das Arbeitsgericht den Antrag des Gläubigers zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Gläubiger mit Schriftsatz vom 12. Juli 2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 2. August 2016 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 8. September 2016 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelung unter Ziff. 4 des Vergleichs vom 8. Januar 2016 sei zu unbestimmt und daher nicht vollstreckungsfähig.
Hiergegen wendet sich der Gläubiger mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er geltend macht, hinsichtlich der Durchsetzung eines titulierten Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses sei es erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Führungs- und Leistungsbeurteilung anhand einer dem Notensystem entsprechenden Stufe aus dem Titel ersichtlich ist. Ihn darauf zu verweisen, den Berichtigungsanspruch in einem weiteren Erkenntnisverfahren geltend zu machen, sei mit dem Gebot eines effektiven Rechtsschutzes nicht zu vereinbaren.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers ist zulässig, aber nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers zu Recht zurückgewiesen.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass Ziff. 4 des Vergleichs vom 8. Januar 2016, wonach die Schuldnerin zur Erteilung eines Zeugnisses mit einer sehr guten Führungs- und Leistungsbeurteilung verpflichtet ist, mangels Bestimmtheit einer Zwangsvollstreckung nicht zugänglich ist.
Nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO findet die Zwangsvollstreckung aus Vergleichen statt, die zwischen den Parteien zur Beilegung eines Rechtsstreits geschlossen worden sind. Ein Prozessvergleich ist jedoch nur dann Vollstreckungstitel, wenn er einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat (vgl. Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 794 Rn. 14). Fehlt es an einer hinreichenden Konkretisierung der den Schuldner treffenden Leistungspflicht, scheidet eine Vollstreckung aus (vgl. BGH 4. März 1993 – IX ZB 55/92 – zu II 2 der Gründe, BGHZ 122, 16). Die Vollstreckung aus einem Titel kann daher nur in den Fällen erfolgen, in denen hinreichend klar ist, welche konkrete Leistung von dem Schuldner gefordert wird (vgl. BGH 26. November 2004 – V ZR 83/04 – zu II 2 a der Gründe). Ob der zur Vollstreckung anstehende Titel hinreichend bestimmt ist, ist unter Rückgriff auf die für das Erkenntnisverfahren maßgebliche Regelung des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 1. April 2009 – 3 Ta 40/09 – zu II 3 a der Gründe; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 75. Aufl. Grundz. § 704 Rn. 19 mwN).
a) Verlangt ein Arbeitnehmer nicht nur ein einfaches oder qualifiziertes Zeugnis, sondern außerdem auch einen bestimmten Zeugnisinhalt, so hat er im Klageantrag genau zu bezeichnen, was das Zeugnis in welcher Form enthalten soll (BAG 14. März 2000 – 9 AZR 246/99 – zu II 2 der Gründe). Denn nur wenn der Entscheidungsausspruch bereits eine hinreichend klare Zeugnisformulierung enthält, wird verhindert, dass sich der Streit über den Inhalt des Zeugnisses vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert (in diesem Sinne BAG 14. März 2000 – 9 AZR 246/99 – aaO). Aufgabe des Vollstreckungsgerichts ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (vgl. BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 13). Diese Erwägungen fußen letztlich auf dem Rechtsstaatsprinzip. Dieses verlangt, dass für den Schuldner erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 14).
b) In Anwendung dieser Grundsätze geht die herrschende Meinung sowohl in der Rechtsprechung (vgl. LAG Nürnberg 3. Mai 2016 – 2 Ta 50/16 – zu II 2 a der Gründe; Hessisches LAG 19. Februar 2004 – 16 Ta 515/03 – zu II der Gründe) als auch im arbeitsrechtlichen Schrifttum (vgl. HWK/Gäntgen 7. Aufl. § 109 GewO Rn. 54; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 109 GewO Rn. 76a; sh. ferner Weuster/Scheer Arbeitszeugnisse in Textbausteinen 13. Aufl. S. 190; in diese Richtung auch Schaub/Linck 16. Aufl. ArbR-HdB § 147 Rn. 34) zu Recht davon aus, dass ein Vollstreckungstitel, der den Arbeitgeber zur Erteilung eines Zeugnisses verpflichtet, dessen Inhalt einer bestimmten Notenstufe entspricht, nicht den zwangsvollstreckungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt. Es bleibt Sache des Arbeitgebers, das Zeugnis im Einzelnen abzufassen, wobei die Formulierung in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht (vgl. BAG 15. November 2011 – 9 AZR 386/10 – Rn. 11, BAGE 140, 15). Anders als bei der Verpflichtung, ein Zeugnis gemäß einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erteilen (vgl. hierzu BAG 9. September 2011 – 3 AZB 35/11 – Rn. 15 ff.; LAG Hamm 14. November 2016 – 12 Ta 475/16 – zu II 2 b bb der Gründe), lässt die Vereinbarung einer bestimmten Notenstufe dem Arbeitgeber einen derart weiten Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Auswahl und Gewichtung einzelner Gesichtspunkte, des Umfangs des Zeugnistextes sowie der Formulierung der Leistungs- und Führungsbeurteilung, dass von einem konkreten Leistungsbefehl, der die Grundlage einer mit staatlichen Zwangsmitteln zu vollziehenden Vollstreckung bildet, nicht die Rede sein kann. Wollte man anders entscheiden, hätte es der Arbeitnehmer in der Hand, durch die ungenaue Formulierung seines Leistungsbegehrens den Streit in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, in dem sich der Arbeitgeber unter der Androhung von Zwangsmaßnahmen seitens des Vollstreckungsgerichts unklaren Handlungspflichten ausgesetzt sähe.
c) Der Hinweis des Gläubigers auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes, dem zufolge es möglich sein muss, materiell-rechtliche Ansprüche – auch in der Zwangsvollstreckung – effektiv durchzusetzen (vgl. BAG 15. April 2009 – 3 AZB 93/08 – Rn. 17, BAGE 130, 195), verhilft der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg. Es obliegt der klagenden Partei eines Rechtsstreits, ihr Leistungsbegehren sprachlich so zu fassen, dass der das Verfahren abschließende Vollstreckungstitel den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen entspricht. Kommt sie dieser Obliegenheit nicht nach, steht es ihr frei, ihre Ansprüche in einem erneuten Erkenntnisverfahren durch die Gerichte für Arbeitssachen vollstreckungsfähig titulieren zu lassen.
2. Soweit sich der Gläubiger in der Beschwerdeschrift gegen das Ausstellungsdatum des von der Schuldnerin erteilten Zeugnisses gewandt hat, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass der zur Vollstreckung anstehende Titel keine Angabe zum Ausstellungsdatum enthält. Der Gläubiger hat hiergegen im Rechtsbeschwerdeverfahren keine Einwände erhoben.
3. Soweit sich die Schuldnerin im Vergleich verpflichtet hat, das Zeugnis mit einer Schlussformel zu versehen, in der sie dem Gläubiger dankt, sein Ausscheiden bedauert und ihm für die Zukunft alles Gute wünscht, ist der Anspruch des Gläubigers durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Gläubiger ist dem weder im Beschwerdeverfahren noch im Rechtsbeschwerdeverfahren entgegengetreten.
Unterschriften
Brühler, Zimmermann, Suckow
Fundstellen
FA 2017, 143 |
JurBüro 2017, 497 |
ZAP 2017, 571 |
RDV 2017, 197 |
ArbR 2017, 169 |