Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte Zusammensetzung des Wahlvorstandes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beteiligung der Gruppe der Arbeiter und der Gruppe der Angestellten gemäß § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG ist nicht nur bei der Bestellung des Wahlvorstandes, sondern auch während der Durchführung des Wahlverfahrens zu gewährleisten.
2. § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG stellt eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren i. S. von § 19 Abs. 1 BetrVG dar.
3. Ein Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG läßt nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß hierdurch das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte.
Normenkette
BetrVG § 16 Abs. 1 S. 5, § 19
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Beschluss vom 22.10.1987; Aktenzeichen 5 TaBV 87/87) |
ArbG Mönchengladbach (Beschluss vom 24.06.1987; Aktenzeichen 2 BV 22/87) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Oktober 1987 – 5 TaBV 87/87 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die im Betrieb der weiteren Beteiligten (Arbeitgeberin) am 2. April 1987 durchgeführte Betriebsratswahl unwirksam ist.
Zur Durchführung der Betriebsratswahl bestellte der damals im Amt befindliche Betriebsrat einen Wahlvorstand, der sich aus zwei wahlberechtigten Arbeitern und dem ebenfalls wahlberechtigten Angestellten S. zusammensetzte. Als Ersatzmitglied wurde die Arbeiterin H. bestellt (Beschluß vom 12. Januar 1987). Der Angestellte S. war in der Folgezeit arbeitsunfähig krank. Infolgedessen tagte der Wahlvorstand überwiegend unter Hinzuziehung der Arbeiterin H. als Ersatzmitglied des Wahlvorstandes. Der Betriebsrat bestellte durch seinen Beschluß vom 13. Februar 1987 den Angestellten W. als weiteres Ersatzmitglied für den Wahlvorstand. Der Angestellte W. wurde vom Wahlvorstand nicht ersatzweise herangezogen, weil vor ihm die Arbeiterin H. herangezogen wurde. Die Arbeiterin H. hat das Wahlausschreiben vom 19. Februar 1987 neben den beiden übrigen Wahlvorstandsmitgliedern aus der Gruppe der wahlberechtigten Arbeiter unterzeichnet.
Die Betriebsratswahl ist am 2. April 1987 durchgeführt worden. Mit ihrem am 14. April 1987 eingegangenen Antrag machen die Antragsteller, sämtlich wahlberechtigte Arbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin, geltend, daß die Wahl unwirksam sei.
Sie haben vorgetragen, mit der Heranziehung der Arbeiterin H. anstelle des Angestellten S. sei gegen § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG verstoßen worden. Dies mache die Betriebsratswahl anfechtbar. Bei einer dem Gesetz entsprechenden Zusammensetzung des Wahlvorstandes wäre ein anderer Wahlausgang möglich gewesen. Denkbar wäre gewesen, daß die Wahl als Gemeinschaftswahl und nicht – wie tatsächlich geschehen – als Gruppenwahl durchgeführt worden wäre.
Die Antragsteller haben beantragt,
die Betriebsratswahl vom 2. April 1987 für unwirksam zu erklären.
Der Antragsgegner hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat entgegnet, die Verpflichtung, beide Arbeitnehmergruppen zu berücksichtigen, bestehe nur bei der Bestellung des Wahlvorstandes. Der Minderheitenschutz gelte nicht für die Zusammensetzung des Wahlvorstandes bei einzelnen Sitzungen. Die Arbeiterin H. sei für beide Gruppen als gemeinsames Ersatzmitglied bestellt worden. Zumindest sei eine wesentliche Vorschrift im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG nicht verletzt. Schließlich könne das Wahlergebnis durch einen etwaigen Fehler bei der Zusammensetzung des Wahlvorstandes ohnehin nicht beeinflußt werden. Die beiden gewerblichen Arbeitnehmer hätten den Angestellten stets überstimmen können.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Die hiergegen vom Antragsgegner erhobene Beschwerde ist vom Landesarbeitsgericht unter Zulassung der Rechtsbeschwerde zurückgewiesen worden. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsgegner sein Ziel der Zurückweisung des Antrags weiter, während die Antragsteller beantragen, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Die in allen Rechtszügen beteiligte Arbeitgeberin hat einen eigenen Antrag nicht angekündigt.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Vielmehr haben die Vorinstanzen zu Recht die Wahl des Betriebsrates für unwirksam erklärt. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 19 BetrVG insgesamt vorliegen mit der Folge, daß die Wahl für unwirksam zu erklären war.
I. Mit der am 14. April 1987 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift ist die Frist von zwei Wochen zur Anfechtung der am 2. April 1987 durchgeführten Betriebsratswahl gewahrt (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG). Insbesondere läßt die Antragsschrift auch den Anfechtungsgrund erkennen. Da der Antrag von fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen der Arbeitgeberin gestellt worden ist, sind die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ebenfalls erfüllt.
II. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zuzustimmen, daß mit der Heranziehung der Arbeiterin H. anstelle des infolge seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit verhinderten Angestellten S. gegen § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG verstoßen worden ist.
§ 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG ordnet an, daß in Betrieben, in denen – wie hier – Arbeiter und Angestellte vorhanden sind, im Wahlvorstand beide Gruppen vertreten sein müssen. Diese Vorschrift ist – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat – auch für den Fall der Auffüllung des Wahlvorstandes durch Ersatzmitglieder zu beachten.
Zwar wird es in der Literatur weitgehend für rechtlich zulässig erachtet, ein Ersatzmitglied für mehrere Mitglieder des Wahlvorstandes zu bestellen (vgl. Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 16 Rz 14; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 16 Rz 20; Kreutz, GK-BetrVG, Bd. I, 4. Aufl., § 16 Rz 40; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 16 Rz 19, jeweils m. w. N.). Indessen muß auch beim Nachrücken von Ersatzmitgliedern die Vertretung der Gruppe im Wahlvorstand nach § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG gewährleistet bleiben (vgl. die vorstehende Literatur jeweils aaO). Ob dagegen – wie das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat – das Ersatzmitglied derselben Gruppe angehören muß wie das bestellte Mitglied des Wahlvorstandes oder ob es andererseits genügt, daß beim Nachrücken eines Ersatzmitgliedes überhaupt die Vertretung der Gruppe gewährleistet bleibt, der das verhinderte Vollmitglied angehört, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Denn hier war die Gruppe der Angestellten im Wahlvorstand überhaupt nicht mehr repräsentiert, weil der einzige Vertreter dieser Gruppe, der Angestellte S., infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert war, seinem Amt als Wahlvorstandsmitglied nachzukommen. Es hätte deswegen anstelle des alleinigen Vertreters der Gruppe der Angestellten S. ein anderes wahlberechtigtes Mitglied dieser Gruppe als Ersatzmitglied für den Wahlvorstand nicht nur bestellt, sondern auch tatsächlich herangezogen werden müssen. Dies war möglich, wie sich bereits daraus ergibt, daß der vormalige Betriebsrat unter dem 13. Februar 1987 als weiteres Ersatzmitglied des Wahlvorstandes den Angestellten W. bestellt hat.
III. Ebenso zutreffend ist die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß es sich bei der Regelung in § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG handelt.
1. Dies folgt bereits aus der vom Gesetzgeber gewählten Gestaltung des § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG. Als Muß-Vorschrift hat diese Bestimmung absolut zwingenden Charakter. Zwingende Wahlvorschriften sind regelmäßig als wesentliche Wahlvorschriften im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG anzusehen (vgl. im Ergebnis auch Kreutz, aaO, § 19 Rz 18; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 19 Rz 9; Dietz/Richardi, aaO, § 19 Rz 13).
2. Hanau (DB 1986, Beilage 4, S. 6) verkennt zwar ebenfalls nicht, daß es sich bei § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG um eine zwingende Vorschrift handelt. Gleichwohl meint er, § 16 Abs. 1 BetrVG sei, soweit dort die Bildung und Zusammensetzung des Wahlvorstandes geregelt werde, keine wesentliche Vorschrift im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG. Zu diesem Ergebnis gelangt er, weil nach seiner Ansicht die fehlerhafte Zusammensetzung des Wahlvorstandes für die Betriebsratswahl für sich allein noch keinen Einfluß auf das Wahlergebnis haben könne. Dem vermag sich der Senat ebensowenig anzuschließen wie das Landesarbeitsgericht. Die Frage, ob eine Vorschrift eine wesentliche im Sinne des § 19 Abs. 1 BetrVG ist, ist von der weiteren Frage, ob ein Verstoß gegen eine solche wesentliche Vorschrift für eine Wahlanfechtung ausreicht, zu trennen. Dies wird bereits an der Gesamtregelung des § 19 Abs. 1 BetrVG deutlich. Hiernach genügt auch ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften dann nicht zur Begründung einer Wahlanfechtung, wenn „durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflußt werden konnte” (vgl. § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG).
3. Abgesehen davon, daß bereits die Ausgestaltung von § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG als zwingende Vorschrift zu dem Ergebnis führt, sie auch als wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren im Sinne von § 19 Abs. 1 BetrVG zu betrachten, ist § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG auch deswegen als wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren anzusehen, weil in ihr der Minderheitenschutz tragend zum Ausdruck kommt. Das Gesetz will nämlich sicherstellen, daß auch die Minderheitengruppe in einem Betrieb auf die Entscheidungsbildung des Wahlvorstandes Einfluß nehmen kann, mag der Vertreter der Minderheitengruppe im Ergebnis auch von den die Mehrheit bildenden Vertretern der Mehrheitsgruppe überstimmt werden können.
IV. Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht schließlich zu dem Ergebnis gelangt, daß die Voraussetzungen von § 19 Abs. 1 letzter Halbsatz BetrVG nicht vorliegen. Seiner Begründung kann allerdings nicht in allen Punkten gefolgt werden.
1. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu ausgeführt: Nach der Fassung des § 19 Abs. 1 BetrVG sei zunächst davon auszugehen, daß der Verstoß sich auf das Wahlergebnis ausgewirkt habe und daß die „Beweislast” für die fehlende Kausalität beim Anfechtungsgegner liege. Ob ein solcher Nachweis bei Verstößen der vorliegenden Art überhaupt gelingen könne, erscheine fraglich. Vieles spreche dafür, daß nur der den gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Wahlvorstand die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen und Entscheidungen treffen könne, die für den Ablauf und das Ergebnis der Wahl von Bedeutung seien. Daraus folge stets die Möglichkeit einer Beeinflussung des Wahlergebnisses und der Anfechtbarkeit der Wahl. Insoweit bedürfe es jedoch keiner Festlegung, da es in diesem Punkt jedenfalls eines näheren Vorbringens des Antragsgegners bedurft hätte. An Konkretem habe der Antragsgegner indessen nichts vorgetragen. Einer näheren Darlegung wäre der Antragsgegner nur dann enthoben gewesen, wenn eine fehlerhafte Arbeit des unrichtig zusammengesetzten Wahlvorstandes von vornherein mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen gewesen wäre. Dies lasse sich jedoch in dieser Allgemeinheit nicht feststellen. Mit seinem Hinweis auf das weitgehend formalisierte Verfahren und die vielfältigen Kontrollmöglichkeiten der Arbeit eines Wahlvorstandes bringe der Antragsgegner lediglich zum Ausdruck, daß eine nicht zutage getretene fehlerhafte Arbeit auch eines unrichtig zusammengesetzten Wahlvorstandes äußerst unwahrscheinlich sei. Damit stehe jedoch die fehlende Kausalität noch nicht positiv fest. Rechtlich gesehen rede der Antragsgegner vielmehr einer Umkehr der Beweislast das Wort. Eine solche Umkehr der Beweislast lasse jedoch die Gesetzesbestimmung nicht zu. Nach ihr reiche es im Gegenteil für die Begründetheit des Antrages schon aus, wenn ein Einfluß auf das Wahlergebnis theoretisch denkbar sei. Ob die Überlegung der Antragsteller, bei einer ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Wahlvorstandes wäre möglicherweise eine Gemeinschaftswahl durchgeführt worden, ebenfalls zu dem Ergebnis der Unwirksamkeit der Wahl führe, brauche nach alledem nicht mehr entschieden zu werden.
2. Bei der Regelung in § 19 Abs. 1 letzter Haltsatz BetrVG handelt es sich nicht in erster Linie um eine Beweislastvorschrift. Vielmehr hat dieser mit „es sei denn” eingeleitete Halbsatz zum Ziel, Verstöße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl ausreichen zu lassen, wenn durch einen solchen Verstoß das Wahlergebnis objektiv weder geändert noch beeinflußt werden konnte. Wahlergebnis ist dabei die Feststellung, welche Arbeitnehmer Betriebsratsmitglieder sind bzw. welcher Arbeitnehmer Betriebsobmann ist. Nur wenn dieses Ergebnis aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten der Wahl im übrigen nicht beeinflußt sein kann, reicht der Verstoß gegen wesentliche Vorschriften im Sinne des § 19 Abs. 1 erster Halbsatz BetrVG nicht aus, um die Wahl für unwirksam zu erklären. Entscheidend ist, ob eine hypothetische Betrachtung (Wahl ohne den Verstoß gegen wesentliche Vorschriften) unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zwingend zu demselben Wahlergebnis führt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn ein nicht wahlberechtigter Arbeitnehmer mit gewählt hat, der Stimmenunterschied aber so groß ist, daß beim Eliminieren seiner Stimme das Wahlergebnis nicht geändert wird, sondern dieselben Personen in derselben Reihenfolge aus denselben Listen gewählt sind.
3. Ein Verstoß gegen die zwingende Vorschrift der Zusammensetzung des Wahlvorstandes nach § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG läßt den Schluß nicht zu, daß hierdurch das Wahlergebnis objektiv nicht geändert oder beeinflußt werden konnte. Der Rechtsauffassung, daß der bloße Verstoß gegen die zwingenden Regelungen über die Zusammensetzung des Wahlvorstandes für sich alleine nicht geeignet sei, die Anfechtbarkeit der Wahl zu begründen (so Kreutz, aaO, § 19 Rz 48 und Hanau, aaO; siehe zum Mitbestimmungsgesetz auch: Hanau/Ulmer, MitbestG 1981, § 21 Rz 30; Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, § 21 Rz 19; Matthes, GK-MitbestG, § 21 Rz 61), vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Vielmehr ist ein Verstoß gegen die zwingende Vorschrift zur Berücksichtigung der Gruppen bei der Bildung und tatsächlichen Zusammensetzung des Wahlvorstandes nach § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG, wenn er nicht berichtigt worden ist, nicht derart gelagert, daß hierdurch schlechthin das Wahlergebnis objektiv weder geändert noch beeinflußt werden konnte (vgl. BAGE 1, 317, 319 = AP Nr. 1 zu § 18 BetrVG für den Fall der Bestellung eines Wahlvorstandes durch einen nicht mehr im Amt befindlichen Betriebsrat; BVerwGE 9, 357, 360 = AP Nr. 1 zu § 6 WahlO z. PersVG sowie BAGE 27, 163, 166 = AP Nr. 1 zu § 5 BetrVG 1972 Rotes Kreuz, zu II 4 der Gründe, für Fälle nicht ordnungsgemäßer Zusammensetzung des Wahlvorstandes; siehe auch Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 19 Rz 14; Dietz/Richardi, aaO, § 19 Rz 19).
Bei ordnungsgemäßer Zusammensetzung des Wahlvorstandes hätte der Vertreter der tatsächlich nicht repräsentierten Gruppe der Arbeitnehmer – hier der Vertreter der Gruppe der Angestellten – auf die Willensbildung und damit gegebenenfalls auch auf die Entscheidungsfindung des Wahlvorstandes Einfluß nehmen können. Dabei kommt es nicht darauf an, daß der nicht beteiligte Gruppenvertreter im Fall seiner tatsächlichen Beteiligung hätte überstimmt werden können. Gleichermaßen ist denkbar, daß der Wahlvorstand bei seiner Willensbildung und Entscheidungsfindung die durch den Gruppenvertreter dargestellten Interessen seiner Gruppe hätte mit einfließen lassen. Dementsprechend hätten die Entscheidungen des Wahlvorstandes verschieden ausfallen können mit der Folge, daß nicht ausgeschlossen werden kann, daß das Wahlergebnis durch die fehlerhafte Zusammensetzung des Wahlvorstandes geändert oder beeinflußt werden konnte.
Dies betrifft zunächst die Entscheidungen, für die dem Wahlvorstand von Gesetzes wegen ein Ermessensspielraum eingeräumt worden ist. So können der Zeitpunkt der Durchführung der Wahl (vgl. § 13 BetrVG, § 3 Abs. 1 Satz 3 BetrVGDV 1 (WahlO 1972) und – darauf abstellend – der Zeitpunkt des Erlasses des Wahlausschreibens (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 WahlO 1972) und des Beginns der Auslage der Wählerliste (vgl. § 2 Abs. 4 WahlO 1972), der oder die Orte für die Auslage der Wählerlisten und der Wahlordnung (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 2 WahlO 1972) sowie für den Aushang der Wahlvorschläge (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 9 WahlO 1972), Ort, Tag und Zeit der Stimmabgabe sowie die Betriebsteile und Nebenbetriebe, für die schriftliche Stimmabgabe beschlossen worden ist (vgl. § 3 Abs. 2 Nr. 10 WahlO 1972), die Art der Durchführung der Wahl (Urnenwahl oder Briefwahl) in räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernten Betriebsteilen oder Nebenbetrieben (vgl. § 26 Abs. 3 WahlO 1972) im Rahmen des dem Wahlvorstand zustehenden Ermessens verschieden bestimmt werden. Gleiches gilt hinsichtlich der als Soll-Vorschrift ausgestalteten Bestimmung über die Unterrichtung ausländischer, der deutschen Sprache nicht mächtiger Arbeitnehmer (vgl. § 2 Abs. 5 WahlO 1972). Gerade bei solchen Ermessensentscheidungen können die unterschiedlichen Gruppeninteressen Einfluß gewinnen. Solche Entscheidungen können auf das Wahlverhalten und damit auf das Wahlergebnis Einfluß haben.
Denkbar ist auch, daß der Wahlvorstand von sich aus die Initiative zur Abstimmung darüber ergreift, ob die Wahl als Gruppenwahl oder als Gemeinschaftswahl durchgeführt werden soll (vgl. Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 14 Rz 29 m. w. N.).
4. Da im vorliegenden Fall keine Umstände ersichtlich sind, die eine Beeinflussung des Wahlergebnisses durch den Verstoß gegen § 16 Abs. 1 Satz 5 BetrVG ausschließen, ist die Wahlanfechtung begründet.
5. Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt es auf Fragen der subjektiven Darlegungs- und Beweislast, wie sie von der Rechtsbeschwerde aufgeworfen worden sind, nicht an.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Dr. Gentz, Dr. Klebe
Fundstellen
Haufe-Index 441044 |
BAGE, 328 |
RdA 1989, 71 |