Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei betrieblichem Vergütungssystem. tarifgebundener Arbeitgeber. Tarifvorbehalt. Rechtsbeschwerdebegründung. Antragsauslegung. Mitbestimmung bei Entlohnungsgrundsätzen
Orientierungssatz
1. Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers ist das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Einführung und Änderung des Vergütungssystems nach dem Eingangshalbsatz des § 87 Abs. 1 BetrVG ausgeschlossen, soweit die Tarifvertragsparteien hierfür eine abschließende und zwingende tarifliche Regelung getroffen haben. Der Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG erfordert keine Tarifgebundenheit der einzelnen Arbeitnehmer.
2. Passt ein tarifgebundener Arbeitgeber die monatliche Vergütung derjenigen Arbeitnehmer, deren Monatsentgelt sich nicht nach der tariflichen Entgeltordnung bestimmt, entsprechend der Tarifentwicklung an, besteht für den Betriebsrat auch insoweit kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG.
3. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird auch dann nicht ausgelöst, falls der Arbeitgeber bei der Entgeltanpassung für diesen Arbeitnehmerkreis die tariflichen Entgeltgrundsätze modifizieren würde. Der Tarifvorbehalt wird durch eine etwaige tarifwidrige Maßnahme nicht aufgehoben.
Normenkette
ArbGG § 83 Abs. 3, § 94 Abs. 2 S. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Eingangshalbs., Abs. 1 Nr. 10; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 322 Abs. 1; Tarifvertrag vom 26. Juli 2011 zur Überleitung der Beschäftigten der DRK-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (ÜTV-DRK-BSD) § 1 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. August 2015 – 11 TaBV 42/14 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats bei Entgelterhöhungen.
Die Arbeitgeberin betreibt einen Blutspendedienst. In ihrem Unternehmen bestehen drei Betriebe, in denen die zu 3. bis 5. beteiligten Betriebsräte gebildet sind. Antragsteller ist der von diesen errichtete Gesamtbetriebsrat.
Die Arbeitgeberin hatte zunächst mit ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di), dem DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) und medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft e.V. (medsonet) – für letzteren hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juni 2013 (– 1 ABR 33/12 – BAGE 145, 205) das Fehlen der Tariffähigkeit festgestellt – unterschiedliche Haustarifverträge geschlossen. Auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse fanden entweder einer dieser Haustarifverträge Anwendung oder kraft vertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT). Zum 1. März 2011 begründete die Arbeitgeberin eine Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV). Der KAV und ver.di schlossen danach den „Tarifvertrag vom 26. Juli 2011 zur Überleitung der Beschäftigten der DRK-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (ÜTV-DRK-BSD)”, der ua. wie folgt lautet:
(1) |
Dieser Tarifvertrag regelt die Überleitungsbedingungen in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-V) in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung für die Beschäftigten des DRK-BSD, deren Arbeitsverhältnis am 31. Juli 2011 bereits bestanden hat und über den 1. August 2011 hinaus ununterbrochen fortbesteht. Einzelvertragliche Ansprüche gelten – vorbehaltlich der weiteren Regelungen dieses Tarifvertrages unverändert fort; soweit Ansprüche dynamisch ausgestaltet sind, verändern sie sich bei allgemeinen Entgeltanpassungen des TVöD-V entsprechend der Regelung des TVöD-NRW um den von den Tarifvertragsparteien für die Entgeltgruppe 6, Stufe 2 festgelegten Vomhundertsatz.” |
In einer Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 26. Mai 2011 heißt es auszugsweise wie folgt:
”1. |
Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen, dass aus Anlass der Überleitung in das neue Tarifrecht beim DRK-BSD für die Beschäftigten keine finanziellen Nachteile entstehen. Alle bisher dynamischen Entgelte werden künftig entsprechend den Tarifabschlüssen für den TVöD-V/VKA zum jeweiligen Zeitpunkt linear erhöht. Der Arbeitgeber sichert zu, dass der DHV/medsonet-Tarifvertrag fristgerecht zum 31. Dezember 2011 gekündigt wird.” |
Die mit dem DHV und dem medsonet geschlossenen Haustarifverträge kündigte die Arbeitgeberin am 5. August 2011 zum Jahresende. Mit Schreiben vom 26. September 2011 teilte sie dem Gesamtbetriebsrat ua. mit:
„… im Nachgang zu der Besprechung … möchten wir die folgenden drei Punkte … näher konkretisieren und bitten um eine entsprechende Rückäußerung des Gesamtbetriebsrates.
Da es sich bei allen diesen Themen um Entlohnungsfragen für das Gesamtunternehmen handelt, gehen wir von einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates aus, bitten jedoch auch hier um eine entsprechende Stellungnahme.
1. Dynamisierung der unterschiedlichen Tarife
Wie Ihnen … bekannt ist, planen wir, die Tarifentgelte des BAT sowie des DHV/medsonet-Tarifvertrags künftig analog der Tarifentwicklung im TVöD kommunal zu entwickeln.
In diesem Zusammenhang beabsichtigen wir, eine überbetriebliche Gesamtzusage durch den DRK-Blutspendedienst West in Umsetzung des Aussagegehaltes des Überleitungstarifs in den TVöD vom 26. Juli 2011 und der damit abgegebenen Niederschriftserklärung zu geben.
Die Dynamisierung im Bereich BAT bzw. DHV/medsonet würde sich auf alle Entgeltbestandteile beziehen, die in § 5 Abs. 2 bzw. Abs. 3 in das Vergleichsentgelt einbezogen wurden.”
Seit Beginn des Jahres 2012 passt die Arbeitgeberin die Entgelte derjenigen Beschäftigten, auf deren Arbeitsverhältnisse der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) keine Anwendung findet, sondern die Entgeltregelungen der mit dem DHV und medsonet geschlossenen Haustarifverträge maßgebend sind oder der BAT kraft vertraglicher Bezugnahme anwendbar ist, entsprechend den Entgelthöhungen des TVöD/VKA an. Im Hinblick darauf wurde im Betrieb des zu 5. beteiligten Betriebsrats eine Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Dynamisierung der Arbeitsentgelte” eingerichtet. Diese stellte mit Spruch vom 29. Oktober 2012 das Verfahren mangels Zuständigkeit ein. In einem vom Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahren wies das Landesarbeitsgericht Hamm auf dessen Beschwerde hin seinen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs mit Beschluss vom 26. April 2013 (– 13 TaBV 21/13 –) ab.
Der Gesamtbetriebsrat meint, ihm stehe bei der „Dynamisierung der Arbeitsentgelte” für die im Schreiben vom 26. September 2011 genannten Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Die Arbeitgeberin stelle eine freiwillige übertarifliche Leistung zur Verfügung. Der Gesamtbetriebsrat sei zuständig, weil gegenüber allen Arbeitnehmern eine Gesamtzusage erteilt worden sei.
Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass er bei der von der Arbeitgeberin in den Schreiben an ihn vom 26. September 2011 und 21. Februar 2012 angekündigten sowie zum 1. März 2012 (3,5 %), 1. Januar 2013 (1,4 %) und 1. August 2013 (1,4 %) vollzogenen „Dynamisierung der Arbeitsentgelte” ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat.
Die Arbeitgeberin hat die Abweisung des Antrags beantragt und die Auffassung vertreten, aufgrund des Tarifvorbehalts des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG bestehe kein Mitbestimmungsrecht.
Der zu 3. beteiligte Betriebsrat meint, die Maßnahme der Arbeitgeberin sei mitbestimmungspflichtig, zuständig seien aber die örtlichen Betriebsräte.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Gesamtbetriebsrats abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat dessen Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Gesamtbetriebsrat sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet.
I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie genügt entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin dem Begründungserfordernis des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG (zu den Anforderungen etwa BAG 14. Mai 2013 – 1 ABR 4/12 – Rn. 30). Sie setzt sich mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts zur fehlenden Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats in ausreichendem Umfang auseinander.
II. Der zulässige Antrag des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet.
1. Der Antrag ist nach gebotener Auslegung zulässig.
a) Nach seinem Wortlaut bezieht er sich lediglich auf die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts bei der „Dynamisierung” der Entgelte für in der Vergangenheit liegende Zeiträume. Die Antragsbegründung und die Erklärungen des Gesamtbetriebsrats im Anhörungstermin lassen aber erkennen, dass damit lediglich der Anlassfall umschrieben ist und er ein Mitbestimmungsrecht gegenwarts- und zukunftsbezogen für solche Entgelterhöhungen festgestellt wissen will. Zudem wird, wie der Bezug auf das Schreiben vom 26. September 2011 und das weitere Vorbringen zeigt, ein Mitbestimmungsrecht nur für Entgeltanpassungen bei denjenigen Arbeitnehmern geltend gemacht, deren Entgelt sich nach den Regelungen der mit dem DHV oder medsonet geschlossenen Haustarifverträge bestimmt oder für die kraft vertraglicher Bezugnahme der BAT maßgebend ist.
b) Mit diesem Inhalt ist der Antrag auch hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit der Entscheidung steht fest, für welche Maßnahmen oder Vorgänge das Mitbestimmungsrecht bejaht oder verneint worden ist.
c) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 26. April 2013 (– 13 TaBV 21/13 –) in dem von dem zu 5. beteiligten Betriebsrat eingeleiteten Verfahren der Einwand der Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO entgegen.
aa) Die objektiven Grenzen der Rechtskraft des Entscheidungsgegenstandes werden durch den Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht Hamm bestimmt. Dieser richtet sich nach dem zur Entscheidung gestellten Antrag und dem zugehörigen Lebenssachverhalt, aus dem die begehrte Rechtsfolge hergeleitet wird (BAG 19. Januar 2010 – 1 ABR 55/08 – Rn. 15, BAGE 133, 75).
bb) Der Streitgegenstand des Verfahrens vor dem Landesarbeitsgericht Hamm, an dem die Arbeitgeberin und der hier zu 5. beteiligte Betriebsrat beteiligt waren, ist nicht mit dem des vorliegenden Beschlussverfahrens identisch. Deshalb muss der Senat nicht darüber befinden, welche Rechtsfolgen sich aus einer notwendigen, aber unterlassenen Beteiligung des Gesamtbetriebsrats und der anderen beiden Betriebsräte in diesem Beschlussverfahren für das vorliegende Verfahren ergeben.
(1) Das Landesarbeitsgericht hat den Feststellungsantrag des Betriebsrats, der Spruch der Einigungsstelle vom 29. Oktober 2012 sei unwirksam, rechtskräftig mit der Begründung abgewiesen, diese habe das Verfahren über die auch hier im Streit stehenden Entgelterhöhungen zu Recht eingestellt. Allein dieser Entscheidungsausspruch über die Wirksamkeit des Spruchs ist in Rechtskraft erwachsen, nicht aber die dazu erfolgte Begründung des Landesarbeitsgerichts.
(2) Zwar ist ein solcher Antrag nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unzulässig, weil Beschlüsse der Einigungsstelle, mit denen diese ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, als Entscheidungen über eine Rechtsfrage kein Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien begründen (BAG 23. Februar 2016 – 1 ABR 18/14 – Rn. 13 mwN). Der Antrag konnte allerdings nicht dahin gehend verstanden werden, es solle das Bestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts festgestellt werden (dazu BAG 8. Juni 2004 – 1 ABR 13/03 – zu B I 1 a der Gründe, BAGE 111, 36). Die Beteiligten hatten im Verlauf des Beschwerdeverfahrens einen weiteren Antrag des Betriebsrats auf Feststellung eines Mitbestimmungsrechts für die betriebliche Maßnahme übereinstimmend für erledigt erklärt und das Landesarbeitsgericht das Verfahren insoweit eingestellt. Dem verbliebenen Feststellungsbegehren des Betriebsrats konnte ohne Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO daher kein anderer Inhalt als den der Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs zukommen. Nur hierüber hat dann das Landesarbeitsgericht auch rechtskräftig entschieden.
2. Die Vorinstanzen haben zutreffend die bei der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsräte beteiligt (§ 83 Abs. 3 ArbGG). Die vom Gesamtbetriebsrat begehrte Feststellung betrifft deren betriebsverfassungsrechtliche Stellung. Würde dem Antrag des Gesamtbetriebsrats stattgegeben, stünde damit zugleich fest, dass die örtlichen Betriebsräte nicht Träger des Mitbestimmungsrechts sind.
3. Der Antrag des Gesamtbetriebsrats ist unbegründet. Es besteht für die von der Arbeitgeberin vorgesehenen Entgeltsteigerungen für diejenigen Arbeitnehmer, auf deren Arbeitsverhältnis die Entgeltbestimmungen der gekündigten Haustarifverträge oder kraft vertraglicher Bezugnahme die Regelungen des BAT maßgebend sind, kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ÜTV-DRK-BSD wirksam sein könnte.
a) Im Betrieb eines tarifgebundenen Arbeitgebers stellt die im einschlägigen Tarifvertrag enthaltene Vergütungsordnung zugleich das im Betrieb geltende System für die Bemessung des Entgelts der Arbeitnehmer dar. Der tarifgebundene Arbeitgeber ist betriebsverfassungsrechtlich verpflichtet, die tarifliche Vergütungsordnung ungeachtet der Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb anzuwenden, soweit deren Gegenstände der erzwingbaren Mitbestimmung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unterliegen. Das Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Änderung eines betrieblichen Vergütungssystems ist im Betrieb des tarifgebundenen Arbeitgebers durch den Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG, wonach der Betriebsrat nur mitbestimmen kann, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, ausgeschlossen, wenn Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben. Für das Eingreifen des Tarifvorbehalts des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG und dem damit einhergehenden Ausschluss des Mitbestimmungsrechts ist bereits die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ausreichend, ohne dass es einer solchen bei den betriebszugehörigen Arbeitnehmern (§ 4 Abs. 1 Satz 1 TVG) bedarf. Das gilt auch dann, wenn es sich bei der das Mitbestimmungsrecht verdrängenden tariflichen Regelung um Inhaltsnormen handelt. Das entspricht dem Zweck des Eingangshalbsatzes. Dieser geht davon aus, dass eine bestehende tarifliche Regelung dem Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer ausreichend Rechnung trägt und daher Mitbestimmungsrechte entbehrlich macht (ausf. BAG 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 – Rn. 16 ff., BAGE 139, 332).
b) Danach ist das Mitbestimmungsrecht bei der Maßnahme der Arbeitgeberin ausgeschlossen. Der TVöD-VKA, ggf. iVm. § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ÜTV-DRK-BSD, enthält hinsichtlich der Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eine abschließende und zwingende tarifliche Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG. Diese sperrt das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats.
aa) Bei der Arbeitgeberin besteht aufgrund ihrer Gebundenheit an den TVöD/VKA eine tarifliche Entgeltordnung, die die Entlohnungsgrundsätze für das monatliche Entgelt abschließend und zwingend regelt. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 TVöD/VKA enthält der Beschäftigte ein monatliches Tabellenentgelt. Dessen Höhe bestimmt sich nach der maßgebenden Entgeltgruppe (§ 15 Abs. 2 iVm. der Anlage 1 – Entgeltordnung – TVöD/VKA) und der einschlägigen Entgeltstufe (§§ 16, 17 TVöD/VKA) und einem Leistungsentgelt (§ 18 TVöD/VKA) sowie den Tarifregelungen zur Entgelthöhe nach den Tabellen der Anlagen A und C zum TVöD/VKA. Mit diesen tarifvertraglichen Entgeltregelungen werden zugleich Verteilungsrelationen als generell-abstrakte Grundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG festgelegt.
bb) Durch die Anpassung der monatlichen Entgelte für die nicht von den Entgeltregelungen des TVöD/VKA erfassten Arbeitnehmer entsprechend der Tarifentwicklung in diesem Bereich legt die Arbeitgeberin – insoweit mitbestimmungsfrei, weil die Gebundenheit des Arbeitgebers an die tarifliche Entgeltstruktur keinen Anspruch der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer auf das Tarifentgelt begründet (BAG 18. Oktober 2011 – 1 ABR 25/10 – Rn. 29, BAGE 139, 332) – deren monatliches Entgelt fest. Für eine betriebliche Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht in Anbetracht einer abschließenden und zwingenden tariflichen Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG kein Raum.
cc) Ob infolgedessen ein Teil der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer ein höheres als das tarifliche Entgelt erhält, ist für die rechtliche Beurteilung unbeachtlich. Entgegen der Auffassung des Gesamtbetriebsrats handelt es sich bei demjenigen Teil des monatlichen Entgelts, das den Arbeitnehmern, für die die Entgeltbestimmungen des TVöD/VKA nicht maßgebend sind, über dasjenige Entgelt geleistet wird, welches das monatliche Tabellenentgelt nach § 15 Abs. 1 TVöD/VKA übersteigt, nicht um „freiwillige, übertarifliche Leistungen” der Arbeitgeberin, sondern nach wie vor um das monatliche Entgelt, das dem jeweiligen Arbeitnehmer geleistet wird. Dieses Verständnis zeigt auch Nr. 1 Satz 2 der Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 26. Mai 2011 und das Schreiben der Arbeitgeberin an den Gesamtbetriebsrat vom 26. September 2011 unter Nr. 1. Deren monatliches Entgelt wird „lediglich” der Tarifentwicklung des TVöD/VKA angepasst „dynamisiert”).
dd) Aus dem Umstand, dass die Entgelte dieser Arbeitnehmer auf den Abrechnungen in einem Tabellenentgelt nach dem TVöD/VKA und ein über diese Vergütung hinausgehendes Einkommen in Anwendung eines anderen Tarifwerks als „Überleitungszulage” ausgewiesen werden, ergibt sich keine andere rechtliche Einordnung der monatlichen Entgeltzahlungen. Diese Vorgehensweise trägt – wie die Arbeitgeberin unwidersprochen vorgetragen hat – allein dem Umstand Rechnung, dass sie aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (30. November 2012 – 13 TaBV 56/10 –) im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung bei der Eingruppierung alle Arbeitnehmer nach Maßgabe des TVöD/VKA eingruppiert.
c) Ein anderes Ergebnis folgt nicht aus § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ÜTV-DRK-BSD. Dabei muss der Senat nicht darüber befinden, ob diese Tarifbestimmung wirksam sein könnte, obwohl sie Regelungen für individualvertragliche Vereinbarungen trifft. Sollte diese tarifliche Bestimmung unwirksam sein, wären allein die Entgeltgrundsätze des TVöD/VKA maßgebend. Im anderen Fall wäre die Maßnahme der Arbeitgeberin nicht mitbestimmungspflichtig, weil dann durch den TVöD/VKA iVm. § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 ÜTV-DRK-BSD eine abschließende und zwingende tarifliche Regelung iSd. § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG vorliegen würde.
d) Schließlich würde der Tarifvorbehalt des § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG auch dann eingreifen, wenn die Arbeitgeberin im Widerspruch zu den tariflichen Regelungen durch die Entgeltsteigerung für den nicht vom TVöD/VKA erfassten Arbeitnehmerkreis die Entlohnungsgrundsätze des TVöD/VKA modifizieren würde. Ein Betriebsrat könnte allenfalls auf die Einhaltung der zutreffenden tariflichen Entgeltgrundsätze drängen (dazu Koch SR 2016, 131, 140). Ein tarifwidriges Verhalten des Arbeitgebers ließe jedoch das Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht „aufleben” (BAG 5. Mai 1992 – 1 ABR 69/91 – zu B 2 der Gründe).
Unterschriften
Schmidt, Richterin am Bundesarbeitsgericht K. Schmidt ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Schmidt, Treber, Hayen, Fritz
Fundstellen
Haufe-Index 10995484 |
NJW 2017, 10 |
FA 2017, 323 |
NZA 2017, 1137 |
ZTR 2017, 620 |
AP 2017 |
EzA-SD 2017, 15 |
EzA 2017 |
NZA-RR 2017, 5 |
öAT 2017, 189 |
AUR 2017, 464 |
ArbR 2017, 421 |
GWR 2017, 400 |