Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Entgelterhöhung. unzulässige Feststellungsklage. feststellungsfähiges Rechtsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
Es stellt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar, wenn der Betriebsrat die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts „in Bezug auf die über die tarifliche Vergütung nach dem TVöD-V hinausgehende Vergütung” beantragt.
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. August 2015 – 12 TaBV 37/15 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Entgelterhöhungen.
Die Arbeitgeberin betreibt einen Blutspendedienst. Antragsteller ist der im Betrieb B bestehende Betriebsrat. Dieser und die in zwei weiteren Betrieben der Arbeitgeberin gebildeten Betriebsräte haben den zu 3. beteiligten Gesamtbetriebsrat errichtet.
Die Arbeitgeberin hatte zunächst mit ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di), dem DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V. (DHV) und medsonet. Die Gesundheitsgewerkschaft e.V. (medsonet) – für letzteren hat der Senat mit Beschluss vom 11. Juni 2013 (– 1 ABR 33/12 – BAGE 145, 205) das Fehlen der Tariffähigkeit festgestellt – unterschiedliche Haustarifverträge geschlossen. Auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse fanden entweder einer dieser Haustarifverträge Anwendung oder kraft vertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages (BAT). Zum 1. März 2011 begründete die Arbeitgeberin eine Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV). Der KAV und ver.di schlossen danach den „Tarifvertrag vom 26. Juli 2011 zur Überleitung der Beschäftigten der DRK-Blutspendedienst West gGmbH in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (ÜTV-DRK-BSD)”, der ua. wie folgt lautet:
(1) |
Dieser Tarifvertrag regelt die Überleitungsbedingungen in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD-V) in der für die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände jeweils geltenden Fassung für die Beschäftigten des DRK-BSD, deren Arbeitsverhältnis am 31. Juli 2011 bereits bestanden hat und über den 1. August 2011 hinaus ununterbrochen fortbesteht. Einzelvertragliche Ansprüche gelten – vorbehaltlich der weiteren Regelungen dieses Tarifvertrages unverändert fort; soweit Ansprüche dynamisch ausgestaltet sind, verändern sie sich bei allgemeinen Entgeltanpassungen des TVöD-V entsprechend der Regelung des TVöD-NRW um den von den Tarifvertragsparteien für die Entgeltgruppe 6, Stufe 2 festgelegten Vomhundertsatz.” |
In einer Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 26. Mai 2011 heißt es auszugsweise wie folgt:
”1. |
Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht Einvernehmen, dass aus Anlass der Überleitung in das neue Tarifrecht beim DRK-BSD für die Beschäftigten keine finanziellen Nachteile entstehen. Alle bisher dynamischen Entgelte werden künftig entsprechend den Tarifabschlüssen für den TVöD-V/VKA zum jeweiligen Zeitpunkt linear erhöht. Der Arbeitgeber sichert zu, dass der DHV/medsonet-Tarifvertrag fristgerecht zum 31. Dezember 2011 gekündigt wird.” |
Die mit dem DHV und dem medsonet geschlossenen Haustarifverträge kündigte die Arbeitgeberin am 5. August 2011 zum Jahresende. Mit Schreiben vom 26. September 2011 teilte sie dem Gesamtbetriebsrat ua. mit:
„… im Nachgang zu der Besprechung … möchten wir die folgenden drei Punkte … näher konkretisieren und bitten um eine entsprechende Rückäußerung des Gesamtbetriebsrates.
Da es sich bei allen diesen Themen um Entlohnungsfragen für das Gesamtunternehmen handelt, gehen wir von einer originären Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrates aus, bitten jedoch auch hier um eine entsprechende Stellungnahme.
1. Dynamisierung der unterschiedlichen Tarife
Wie Ihnen … bekannt ist, planen wir, die Tarifentgelte des BAT sowie des DHV/medsonet-Tarifvertrags künftig analog der Tarifentwicklung im TVöD kommunal zu entwickeln.
In diesem Zusammenhang beabsichtigen wir, eine überbetriebliche Gesamtzusage durch den DRK-Blutspendedienst West in Umsetzung des Aussagegehaltes des Überleitungstarifs in den TVöD vom 26. Juli 2011 und der damit abgegebenen Niederschriftserklärung zu geben.
Die Dynamisierung im Bereich BAT bzw. DHV/medsonet würde sich auf alle Entgeltbestandteile beziehen, die in § 5 Abs. 2 bzw. Abs. 3 in das Vergleichsentgelt einbezogen wurden.”
Seit Beginn des Jahres 2012 passt die Arbeitgeberin die Entgelte derjenigen Beschäftigten, für deren Arbeitsverhältnisse der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst im Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA) keine Anwendung findet, sondern die Entgeltregelungen der mit dem DHV und medsonet geschlossenen Haustarifverträge maßgebend sind oder der BAT kraft vertraglicher Bezugnahme anwendbar ist, entsprechend den Entgelthöhungen des TVöD/VKA an. Dabei werden die Monatsentgelte aller Arbeitnehmer in den Entgeltabrechnungen einerseits mit einem Betrag ausgewiesen, der sich nach dem TVöD/VKA ergeben würde und ein darüber hinaus bestehender Entgeltanspruch, der sich aufgrund der Entgeltregelungen nach den beiden anderen Haustarifverträgen einschließlich deren „Dynamisierung” ergibt, als „Überleitungszulage” bezeichnet.
Der Betriebsrat meint, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG über die Verteilung des sich aus den Überleitungszulagen ergebenden Volumens zu. Die Arbeitgeberin stelle für diejenigen Arbeitsverhältnisse, deren Entgelt das tariflich geregelte überschreite, eine freiwillige Leistung zur Verfügung. Zuständig sei nicht der Gesamtbetriebsrat, sondern jeweils die örtlichen Betriebsräte.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei der Weitergabe der regelmäßigen Anpassungen nach dem TVöD-V entsprechend der Regelung des TVöD-NRW um den von den Tarifvertragsparteien für die Entgeltgruppe 6, Stufe 2 festgelegten Vomhundertsatz an nicht dem TVöD-V unterworfene Arbeitnehmer in Bezug auf die über die tarifliche Vergütung nach dem TVöD-V hinausgehende Vergütung, die im Betrieb als Überleitungszulage ausgewiesen wird, zusteht.
Die Arbeitgeberin hat die Abweisung des Antrags beantragt.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dessen Beschwerde zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.
I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
1. Die Rechtsbeschwerdebegründungsschrift genügt entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin dem Erfordernis des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG (zu den Anforderungen etwa BAG 14. Mai 2013 – 1 ABR 4/12 – Rn. 30). Sie setzt sich mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts ausreichend auseinander. Die Schlüssigkeit der Argumentation des Betriebsrats ist für die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde unerheblich (vgl. BAG 11. Juni 2013 – 9 AZR 855/11 – Rn. 12).
2. Die Arbeitgeberin rügt auch zu Unrecht eine unzulässige Antragsänderung in der Rechtsbeschwerdeinstanz. Der Betriebsrat hat seinen Antrag im Wortlaut lediglich an die gebotene und zutreffende Auslegung seines zweitinstanzlich gestellten Feststellungsantrags – „festzustellen, dass ihm ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zur Dynamisierung der Arbeitsentgelte hinsichtlich der Mitarbeiter zusteht, die nicht dem TVöD-V unterworfen sind” – durch das Landesarbeitsgericht angepasst und sich diese in der Rechtsbeschwerdeinstanz ausdrücklich zu eigen gemacht.
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Der Antrag des Betriebsrats ist unzulässig. Der iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zwar hinreichend bestimmte Feststellungsantrag genügt nicht den Anforderungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist nicht auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Der Senat muss deshalb eine Beteiligung der weiteren Betriebsräte nicht nachholen.
1. Das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts betrifft zwar regelmäßig ein betriebsverfassungsrechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien und kann nach der ständigen Senatsrechtsprechung Gegenstand eines Feststellungsbegehrens iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sein (BAG 25. September 2012 – 1 ABR 45/11 – Rn. 17 mwN). Ein Feststellungsantrag muss sich nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen, sondern kann sich auch auf Teilrechtsverhältnisse, etwa auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen beschränken. Bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können jedoch nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (BAG 3. Mai 2006 – 1 ABR 63/04 – Rn. 19 mwN).
2. Die vom Betriebsrat begehrte Feststellung eines Mitbestimmungsrechts „in Bezug auf die über die tarifliche Vergütung nach dem TVöD-V hinausgehende Vergütung” betrifft kein feststellungsfähiges (Teil-)Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Es handelt sich nicht um einen eigenständigen Entgeltanteil, für den ein Mitbestimmungsrecht festgestellt werden kann.
a) Das monatliche Entgelt desjenigen Arbeitnehmerkreises, für den der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht geltend macht, lässt sich nicht in zwei rechtlich getrennt zu beurteilende Entgeltbestandteile „aufspalten”, bei dem lediglich für den das Tabellenentgelt nach § 15 Abs. 1 TVöD/VKA übersteigenden Anteil ein Mitbestimmungsrecht festgestellt werden kann.
aa) Die Arbeitgeberin erhöht in Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 19 ÜTV-DRK-BSD das gesamte Monatsentgelt derjenigen Arbeitnehmer, deren vertragliche Entgeltansprüche bis zum Inkrafttreten des ÜTV-DRK-BSD an der Entwicklung der mit dem DHV und medsonet geschlossenen Haustarifverträge teilgenommen haben, nach deren Kündigung unter Heranziehung der Tarifentgeltentwicklung für die Entgeltgruppe 6, Stufe 2 TVöD/VKA. Ebenso verfährt sie bei denjenigen Arbeitnehmern, für die kraft vertraglicher Bezugnahme die Entgeltregelungen des BAT maßgebend sind.
bb) Aus dem Umstand, dass Entgelte dieser Arbeitnehmer auf den Abrechnungen der Arbeitgeberin mit zwei Positionen – einem Tabellenentgelt nach dem TVöD/VKA und ein ggf. über diese Vergütung hinausgehendes Einkommen als „Überleitungszulage” – ausgewiesen werden, ergibt sich keine andere rechtliche Einordnung der monatlichen Entgeltzahlungen. Das zeigt auch Nr. 1 Satz 2 der Niederschrift der Tarifvertragsparteien vom 26. Mai 2011 und das Schreiben der Arbeitgeberin an den Gesamtbetriebsrat vom 26. September 2011 unter Nr. 1. Das gesamte monatliche Entgelt dieses Arbeitnehmerkreises wird anhand der Tarifentwicklung des TVöD/VKA angepasst „dynamisiert”). Diese Vorgehensweise trägt – wie die Arbeitgeberin unwidersprochen vorgetragen hat – allein dem Umstand Rechnung, dass sie aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm (30. November 2012 – 13 TaBV 56/10 –) im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung bei der Eingruppierung alle Arbeitnehmer den Entgeltgruppen des TVöD/VKA zuordnet. Anders als der Betriebsrat offenbar meint, handelt es sich bei demjenigen Teil des monatlichen Entgelts, das diesen Arbeitnehmern über dasjenige Entgelt geleistet wird, welches das monatliches Tabellenentgelt nach § 15 Abs. 1 TVöD/VKA übersteigt, nicht um „freiwillige, übertarifliche Leistungen” der Arbeitgeberin, sondern nach wie vor um das monatliche Entgelt, das ihnen geleistet wird. Dieses partizipiert dann auch insgesamt an der Tarifentwicklung im Bereich des TVöD/VKA.
b) Die monatlichen Entgelte dieses Arbeitnehmerkreises können aber weder individualrechtlich noch kollektivrechtlich in zwei unterschiedliche und rechtlich gesondert zu bewertende Entgeltbestandteile aufgeteilt werden, um anschließend für einen davon ein Mitbestimmungsrecht geltend zu machen. Davon geht aber offensichtlich der Betriebsrat aus, wenn er meint, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG sei aufgrund des Eingangshalbsatzes insoweit ausgeschlossen, als der TVöD/VKA ein Tabellenentgelt regele, und bei dem das aktuelle Tabellenentgelt übersteigenden Entgeltbestandteil handele es sich um eine freiwillige übertarifliche Leistung der Arbeitgeberin, für deren Verteilung ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe.
3. Einer Anhörung der weiteren örtlichen Betriebsräte im Rechtsbeschwerdeverfahren bedurfte es demnach nicht mehr. Durch die Abweisung des Antrags als unzulässig erwächst weder eine Rechtskraft noch eine Bindungswirkung in Bezug auf das Bestehen oder die Zuständigkeit für ein Mitbestimmungsrecht. Daher werden die beiden nicht beteiligten Betriebsräte durch die Entscheidung in diesem Verfahren nicht in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung betroffen.
Unterschriften
Schmidt, Richterin am Bundesarbeitsgericht K. Schmidt ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhindert. Schmidt, Treber, Hayen, Fritz
Fundstellen
Haufe-Index 10995485 |
ArbR 2017, 422 |