Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitbeschäftigte. Urlaubsanspruch
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 2.10.1987, 8 AZR 166/86.
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 03.03.1986; Aktenzeichen 9 Sa 115/85) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.10.1985; Aktenzeichen 17 Ca 87/85) |
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1969 als mathematisch-technische Assistentin bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft Vereinbarung ein Haustarifvertrag anzuwenden, der im wesentlichen die Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrags, darunter § 48 BAT in Bezug nimmt.
§ 48 Abs. 4 BAT in der Fassung des 53. Änderungstarif-
vertrags vom 12. Dezember 1984 lautet auszugsweise:
"Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen
der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich
zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte,
mit Ausnahme der auf Arbeitstage fallenden gesetzlichen
Feiertage, für die kein Freizeitausgleich
gewährt wird. Endet eine Arbeitsschicht
nicht an dem Kalendertag, an dem sie begonnen
hat, gilt als Arbeitstag der Kalendertag, an
dem die Arbeitsschicht begonnen hat.
.....
Ist die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche
Arbeitszeit regelmäßig oder dienstplanmäßig im
Durchschnitt des Urlaubsjahres auf weniger als
fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt,
vermindert sich der Urlaub für jeden zusätzlichen
arbeitsfreien Tag im Urlaubsjahr um 1/250 des
Urlaubs nach Absatz 1 zuzüglich eines etwaigen
Zusatzurlaubs. Ein Zusatzurlaub nach § 48 a und
den entsprechenden Sonderregelungen hierzu, nach
dem Schwerbehindertengesetz und nach Vorschriften
für politisch Verfolgte bleibt dabei unberücksichtigt.
.....
Ergibt sich bei der Berechnung des Urlaubs nach
den Unterabsätzen 2 bis 4 ein Bruchteil eines
Urlaubstages, bleibt er unberücksichtigt."
Die Arbeitszeit der Klägerin von 20 Stunden wöchentlich ist gleichmäßig jeweils auf Montag bis Donnerstag je Kalenderwoche verteilt. Bei einer auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilten Arbeitszeit hätte die Klägerin nach § 48 Abs. 1 BAT einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen.
Die Beklagte hatte den Urlaubsanspruch der Klägerin für das Urlaubsjahr 1984 mit 23 Arbeitstagen berechnet. Hiermit war die Klägerin nicht einverstanden. Sie ist der Auffassung, daß ihr im Jahr 24 Arbeitstage Urlaub zustehen.
Mit ihrer am 26. Juli 1985 der Beklagten zugestellten Klage hat die Klägerin beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für das Urlaubsjahr 1985 über 23 Arbeitstage hinaus einen weiteren Arbeitstag Urlaub zu gewähren. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die zugelassene Berufung der Beklagten abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, daß der Klägerin für das Urlaubsjahr 1985 kein weiterer Urlaubstag über die von der Beklagten berechneten 23 Urlaubstage hinaus zusteht.
Die Beklagte hat den der Klägerin für das Kalenderjahr 1985 nach § 48 Abs. 1 BAT zustehenden Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zutreffend nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 und 5 BAT auf 23 Arbeitstage gekürzt.
1. Da die Klägerin als Teilzeitbeschäftigte nur an vier Arbeitstagen einer Kalenderwoche für die Beklagte tätig ist, vermindert sich nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT der Urlaubsanspruch der Klägerin für jeden zusätzlichen arbeitsfreien Tag im Urlaubsjahr um 1/250 des Urlaubs nach § 48 Abs. 1 BAT.
2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß für die Klägerin insgesamt 52 arbeitsfreie Tage anzusetzen sind und damit der Urlaubsanspruch von 30 Tagen sich um 52/250, also um 6,24 Tage vermindert. Wegen der Abrundungsregel in § 48 Abs. 4 Unterabs. 5 BAT steht der Klägerin für das Urlaubsjahr 1985 ein Urlaubsanspruch von 23 Arbeitstagen zu.
3. Die Angriffe der Revision hiergegen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Revision stützt ihre Auffassung, der Klägerin stehe ein höherer tariflicher Urlaubsanspruch zu, darauf, daß nicht von 52 freien Tagen, sondern nur von 50 Tagen ausgegangen werden dürfe, weil mit der Einführung des Divisors 250 die Tarifvertragsparteien 250 Arbeitstage als Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers zugrunde gelegt hätten, indem sie von den Kalendertagen des Jahres 104 Tage, die auf die Wochenenden und 11 Tage, die auf Wochenfeiertage fallen, abgezogen hätten. Da die Klägerin 4/5 der Arbeitszeit eines solchen Arbeitnehmers erbringe, seien für sie 50 zusätzliche arbeitsfreie Arbeitstage anzusetzen.
4. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Es mag sein, daß die Einführung des Divisors auf den von der Beklagten genannten Zahlen beruht. Zwingend ist dies nicht, da die Zahl der gesetzlichen Wochenfeiertage im Geltungsbereich des BAT unterschiedlich hoch ist und zwischen 14 und 10 Wochenfeiertagen in den einzelnen Ländern liegt. So gibt es in Berlin, dem Wohnsitz der Klägerin, nur 10 Wochenfeiertage. Selbst wenn jedoch mit der Klägerin davon ausgegangen werden müßte, daß die Einführung des Divisors 250 auf den von der Klägerin genannten Gründen beruht, kann es darauf nicht ankommen, weil diese Gründe nicht Inhalt der Tarifnorm geworden sind.
Dem für die Tarifauslegung in erster Linie maßgeblichen Tarifwortlaut (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) ist nicht zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die Jahresarbeitszeit auf 250 Arbeitstage begrenzt hätten. Die Bestimmung enthält vielmehr lediglich eine Kürzungsregelung für Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, deren durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage verteilt ist. Mit Hilfe dieser Berechnungsregelung sind zusätzliche arbeitsfreie Tage zu ermitteln, die sich aus einer anderen Verteilung der Arbeitszeit als der nach dem Tarifvertrag allgemein geregelten ergeben. Inhalt der Berechnungsregelung ist die Addition der zusätzlichen arbeitsfreien Tage, die sich im Durchschnitt des Urlaubsjahres aufgrund der anderen Verteilung der Arbeitszeit ergeben und die Kürzung des Urlaubsanspruchs mit dem Divisor 250 für die Gesamtzahl der pauschal für das Jahr zu bestimmenden zusätzlichen arbeitsfreien Tage.
Damit rechtfertigt sich die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß Wochenfeiertage bei der Berechnung nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nicht von der vom Arbeitnehmer durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit abgezogen werden dürfen. Für die Berechnung muß von der in der Woche nach dem Dienstplan oder sonst regelmäßig durchschnittlich zu leistenden Zahl von Arbeitstagen ausgegangen werden, unabhängig davon, ob die Arbeit gegebenenfalls wegen eines Wochenfeiertags ausfällt. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß die Berechnungsregelung bundesweit gilt und sich schon aus diesem Grunde eine Berücksichtigung von Besonderheiten landesrechtlicher Feiertagsregelungen verbietet. Als arbeitsfreie Tage sind damit nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nur die sich aus der jeweils für den Arbeitnehmer maßgeblichen anderen Verteilung der Arbeitszeit ergebenden Tage anzusetzen, an denen er anders als ein an fünf Tagen der Kalenderwoche tätiger Arbeitnehmer nicht arbeitet. Nicht jedoch können Tage berücksichtigt werden, die aufgrund anderer Umstände, etwa als Wochenfeiertage, arbeitsfrei sind. Dies entspricht der Regelung in § 48 Abs. 1 BAT, nach der der Urlaubsanspruch des in der Fünf-Tage-Woche tätigen Arbeitnehmers sich ebenfalls ohne Rücksicht auf Wochenfeiertage bestimmt.
Nach § 48 Abs. 4 BAT kommt es bei anderer Verteilung der Arbeitszeit als der nach § 48 Abs. 1 BAT vorausgesetzten Verteilung auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche nicht auf die Gesamtzahl der Arbeitstage im Jahr an, sondern auf die Gesamtzahl der arbeitsfreien Arbeitstage im Jahr. Damit ist die Gesamtzahl der Arbeitstage im Jahr, für deren Berechnung die Revision unterschiedlich einmal von 365 Kalendertagen, bzw. ein anderes Mal von 52 Wochen ausgeht, und dabei einmal zehn und einmal elf Wochenfeiertage zugrunde legt, unerheblich.
Die Revision hat schließlich unbeachtet gelassen, daß ihre Auffassung auch nicht mit § 48 Abs. 4 Unterabs. 1 BAT vereinbar ist. Nach dieser Bestimmung ist zwischen Arbeitstagen, also Kalendertagen, an denen der Angestellte dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte, und Wochenfeiertagen, also auf Arbeitstage fallende gesetzliche Feiertage, für die kein Freizeitausgleich gewährt wird, zu unterscheiden. Ist beides voneinander zu trennen, kann ein Wochenfeiertag nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nicht mit einem Arbeitstag als arbeitsfreier Arbeitstag gleichgesetzt werden. Dies entspricht im übrigen der im Schrifttum einhellig vertretenen Auffassung (Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand: Mai 1987, § 48 Rz 24, § 48 a Rz 33; Crisolli/Ramdohr, BAT, Stand: 2. Juni 1987, § 48 Anm. 24, § 48 a Anm. 15; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand: Februar 1987, § 48 Anm. 10, § 48 a Anm.18; Arndt/Baumgärtel, Recht der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst, in: Fürst, Gesamtkommentar öffentliches Dienstrecht, Stand: 1983, § 48 Rz 21 (Berechnungsbeispiel); Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand: Februar 1987, § 48 Erl. 6, § 48 a Erl. 14; Weber/Banse, Das Urlaubsrecht des öffentlichen Dienstes, Stand: 1986, Teil 2, § 48 BAT Anm. 6, S. 24 (Beispiel 2), § 48 a Anm. 17 a. E.).
Ob bei sehr kurzen regelmäßigen Beschäftigungszeiten gegen die Kürzungsregelung nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT Bedenken insoweit bestehen, als sie zu einem Eingriff in den gesetzlich garantierten Urlaubsanspruch führen kann, bedarf vorliegend keiner Erwägung des Senats.
Damit muß für die Klägerin für das Urlaubsjahr 1984 von 52 arbeitsfreien Arbeitstagen ausgegangen werden. Der Urlaubsanspruch von 30 Tagen nach § 48 Abs. 1 BAT vermindert sich somit um 52/250. Das sind 6,24 Tage.
5. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Landesarbeitsgericht auch die Kürzungsregelung in § 48 Abs. 4 Unterabs. 5 BAT zutreffend angewandt. Nach dieser Vorschrift bleibt ein Bruchteil eines Urlaubstags, der sich bei der Berechnung nach den Unterabsätzen 2 bis 4 ergibt, unberücksichtigt. Damit war nach Abzug von 6,24 Tagen ein Urlaub von 23 Arbeitstagen festzustellen. Soweit dagegen die Revision der Auffassung ist, daß bereits vorher der Bruchteil beim Abzug von 6,24 Tagen nicht berücksichtigt werden dürfe, kann dem nicht gefolgt werden. Diese Tage sind keine Urlaubstage, sondern lediglich ein Berechnungsposten zur Ermittlung des Urlaubsanspruchs für den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, um den sich der Urlaubsanspruch vermindert. Abzurunden ist aber der verbleibende Urlaubsanspruch.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Freitag
Plenge Hannig
Fundstellen