Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeitsklage wegen nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts – Zulässigkeit der Beschränkung der Anfechtung auf die Entscheidung über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung
Leitsatz (amtlich)
Eine Wiederaufnahmeklage des Arbeitnehmers kann auf die auf Antrag des Arbeitgebers erfolgte Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung beschränkt werden. Dies gilt auch dann, wenn die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht aufgelöst worden, nicht in den Tenor des anzufechtenden Urteils aufgenommen wurde.
Normenkette
ArbGG §§ 39, 79; ZPO § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1, §§ 583, 586-588; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 25. September 1998 – 11 Sa 1326/97 – aufgehoben.
2. Auf die Nichtigkeitsklage des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts – 3 (4) Sa 695/91 – im Kostenausspruch sowie teilweise insoweit aufgehoben, als es über die Feststellung, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 17. Februar 1988 nicht aufgelöst worden, hinaus erkannt hat, das Arbeitsverhältnis der Parteien werde mit dem 30. Juni 1988 aufgelöst und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Abfindung von 90.000,00 DM zu zahlen. Die erneute Entscheidung über den Auflösungsantrag der Beklagten und die Kosten des Rechtsstreits ist dem Landesarbeitsgericht vorbehalten.
Tatbestand
Der am 7. September 1955 geborene Kläger, der aus Polen stammt, trat am 16. März 1983 als Redakteur in die Dienste der Beklagten und wurde in der polnischen Nachrichtenabteilung beschäftigt.
Die Beklagte betrieb im Zeitpunkt der Kündigung einen Radiosender in München. Der Sitz des Senders wurde im Jahre 1995 nach Prag verlegt.
Mit Schreiben vom 17. Februar 1988, dem Kläger durch den Gerichtsvollzieher zugestellt am 23. Februar 1988, kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich zum 30. Juni 1988.
Die hiergegen am 24. Februar 1988 zur Niederschrift des Arbeitsgerichts erhobene Klage hat das Arbeitsgericht mit Endurteil vom 27. Juli 1988 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 18. Dezember 1989 abgeändert, der Klage stattgegeben und den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen.
Auf die zugelassene Revision der Beklagten hin hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil des Landesarbeitsgerichts mit Urteil vom 16. August 1991 aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat in dem am 13. November 1992 anberaumten Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung nach Vernehmung verschiedener Zeugen die mündliche Verhandlung geschlossen und Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 21. Januar 1993 bestimmt.
Nach Verlegung dieses Termins mit Beschluß vom 14. Januar 1993 hat der Vorsitzende am 4. Februar 1993 einen umfangreichen Beschluß verkündet, in dem neben rechtlichen Hinweisen und Auflagen unter anderem folgendes bestimmt ist:
„II. Da die Parteien zu dem Auflösungsantrag der Beklagten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG im ersten Berufungsverfahren zwar umfangreich schriftlich Stellung genommen haben, darüber aber bisher praktisch noch nicht und insbesondere noch gar nicht in dem zweiten Berufungsverfahren mit den neuen Beisitzern mündlich verhandelt worden ist, wird wieder in die mündliche Verhandlung eingetreten und Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt auf
Freitag, den 2. April 1993, 9.00 Uhr.
III. In diesem Termin
- tagt die Kammer in derselben Besetzung wie im Termin vom 13. November 1992 weiter,
- soll vornehmlich über den Auflösungsantrag der Beklagten verhandelt werden,
…”
Der Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts für das Geschäftsjahr 1993 sieht in Bezug auf die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter folgendes vor:
„2. Heranziehung der ehrenamtlichen Richter und ehrenamtlichen Richterinnen
2.1 Die ehrenamtlichen Richter/Richterinnen werden zu den Sitzungen nach der Reihenfolge in den Beisitzerlisten herangezogen.
2.2 Für die Kammer 1 bis 10 bestehen eine gemeinsame Beisitzerliste (Anlage 2) und für Eilfälle eine gemeinsame Hilfsliste (Anlage 3).
2.3 Für die von der Kammer 1 nach Ziffer 3.3.2.3 zu bearbeitenden Sachen bestehen eine gesonderte allgemeine Beisitzer- und eine Hilfsliste (Anlage 5 bzw. 6), deren ehrenamtliche Richter/Richterinnen sich aus Anlage 4 ergeben. Für Sachen, die ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, sind die ehrenamtlichen Richter/Richterinnen nach den in Ziffer 2.2 genannten Listen heranzuziehen.
…”
In der Anlage 2 des Geschäftsverteilungsplanes 1993 ist unter anderem folgendes bestimmt:
„4. Maßgeblich für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter/Richterinnen nach dem Turnus ist der Arbeitstag, der auf den Tag folgt, an dem die Kammergeschäftsstelle die Beisitzeranforderung dem Listenführer vorgelegt hat. Gehen an einem Tag mehrere Anforderungen verschiedener Kammergeschäftsstellen beim Listenführer ein, so werden die ehrenamtlichen Richter/Richterinnen aus der Liste zunächst auf die Kammer mit der kleinsten Ordnungszahl verteilt. Gehen von derselben Kammer gleichzeitig Anforderungen für mehrere Sitzungstage ein, so richtet sich die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter/Richterinnen für diese Kammer nach der zeitlichen Reihenfolge der Sitzungstage, wobei mit dem dem Kalender nach frühesten Sitzungstag zu beginnen ist.
5. Ist ein ehrenamtlicher Richter/Richterin verhindert, so wird er/sie im laufenden Turnus ausgelassen. Für ihn/sie wird der/die ehrenamtliche Richter/Richterin herangezogen, der/die im Turnus als nächster ansteht. Dabei wird gemäß und unter Beachtung der Nummer 4 verfahren. In der Liste ist bei dem verhinderten Richter oder der verhinderten Richterin die Verhinderung und der Tag ihrer Mitteilung (nach Mitteilung v. … verhindert), bei dem/der an seiner Stelle herangezogenen ehrenamtlichen Richter/Richterin zu vermerken: für den/die verhinderte (n) H. XY, F. XY.
…
10. Wird in einer Sache dieselbe Kammerbesetzung angeordnet, so wird die darauf gegründete Heranziehung eines/einer ehrenamtlichen Richters/Richterin zur weiteren Verhandlung der Rechtssache im Turnus nicht angerechnet. Die Heranziehung in gleicher Kammerbesetzung ist bei dem/der Richter/Richterin am betreffenden Sitzungstag zu vermerken.
Ist die gleiche Kammerbesetzung angeordnet, so werden deren ehrenamtliche Richter/Richterinnen für den ganzen Sitzungstag herangezogen, es sei denn, der Listenführer hat bei Kenntniserlangung von der gleichen Kammerbesetzung bereits andere ehrenamtliche Richter/Richterinnen herangezogen.
Ist ein ehrenamtlicher Richter oder eine ehrenamtliche Richterin in einer Sache kraft Gesetzes ausgeschlossen, so gilt er/sie unbeschadet der Regelung in Abs. 2 für den ganzen Sitzungstag als verhindert. Der Vorgang ist in der Liste zu vermerken.”
Entsprechende Bestimmungen enthält der Geschäftsverteilungsplan des Landesarbeitsgerichts für das Jahr 1992.
Abstrakte, allgemeine Regelungen über die Voraussetzungen oder die Zulässigkeit der Anordnung derselben Kammerbesetzung und deren Modalitäten enthalten die Geschäftsverteilungspläne ansonsten nicht.
Nach Verlegung des Termins vom 2. April 1993 auf Antrag der Beklagten und erneuter zweimaliger Verlegung – einmal, um dem Kläger Gelegenheit zur Erwiderung auf schriftsätzliches Vorbringen der Gegenseite zu ermöglichen, und das andere mal (mit Beschluß vom 16. Juni 1993) wegen Verhinderung eines der in der Verhandlung vom 13. November 1992 amtierenden ehrenamtlichen Richter – hat das Landesarbeitsgericht die mündliche Verhandlung am 9. Juli 1993 in derselben Besetzung wie im Termin vom 13. November 1992 fortgesetzt. Nach Schließung der mündlichen Verhandlung im Termin vom 9. Juli 1993 hat das Landesarbeitsgericht in dem auf 7. Juni 1996 anberaumten Entscheidungsverkündungstermin ein Urteil verkündet, mit dem es das Urteil des Arbeitsgerichts vom 27. Juli 1988 dahin abgeändert hat, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 30. Juni 1988 aufgelöst und die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger eine Abfindung von 90.000,00 DM zu zahlen. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers und die Klage abgewiesen. Die Revision ist nicht zugelassen worden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers zum Bundesarbeitsgericht blieb erfolglos. Der Beschluß des Senats vom 18. September 1997 (– 2 AZN 522/97 –) wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 1. Oktober 1997 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 28. Oktober 1997, beim Landesarbeitsgericht am 30. Oktober 1997 eingegangen, hat der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 7. Juni 1996 Nichtigkeitsklage erhoben. Er hat geltend gemacht, im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG sei eine Abweichung von § 39 ArbGG, wonach die ehrenamtlichen Richter zu den Sitzungen nach der Reihenfolge einer Liste herangezogen werden, nicht zulässig. Unter Sitzungen seien die jeweiligen Sitzungstage, nicht die mündliche Verhandlung insgesamt zu verstehen. Durch den Beschluß des Vorsitzenden über die Anordnung derselben Kammerbesetzung sei das nach allgemeinen, abstrakten Regeln zur Entscheidung berufene Richtergremium umgangen worden. Die Mitwirkung von speziell mit Blick auf den Fall bestellten ehrenamtlichen Richtern sei mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu vereinbaren. Eine der von der Rechtsprechung zugelassenen Ausnahmen von diesem Grundsatz liege nicht vor. Ziffer 10 der Anlage 2 zum Geschäftsverteilungsplan verstoße gegen die gegebene Rechtslage. Mit dem letzten Verlegungsbeschluß vom 16. Juni 1993, der mit der Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters begründet wurde, sei erneut gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen worden, weil laut Geschäftsverteilungsplan bei Verhinderung eines ehrenamtlichen Richters ein Richter nach dem Turnus heranzuziehen sei (Ziff. 5 der Anlage 2 zum Geschäftsverteilungsplan 1993). Somit sei das Gericht bei der Urteilsfindung am 7. Juni 1996 im Sinne § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen. Allerdings solle nur über die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses neu entschieden werden. Die Beschränkung der Nichtigkeitsklage auf die Auflösungsentscheidung sei gemäß § 588 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zulässig.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
- Das rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. Juni 1996 – 3 (4) Sa 695/91 – wird insoweit aufgehoben, als es das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien gegen Abfindung auflöst.
- Das Verfahren wird wieder aufgenommen.
- Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Hilfsweise zu Ziffer 1:
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. Juni 1996 – 3 (4) Sa 695/91 – wird aufgehoben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage und den Hilfsantrag zurückzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Nichtigkeitsklage sei jedenfalls unbegründet. Für die Begründetheit sei grundsätzlich auf das Jahr 1993, den seinerzeit gültigen Geschäftsverteilungsplan und die bis dahin ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung abzustellen. Die zwischenzeitlich verschärfte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 39 ArbGG könne nicht herangezogen werden. Für die Abweichung von § 39 ArbGG lägen sachliche Gründe vor; sie sei nicht willkürlich im Sinne der bis 1993 ergangenen Rechtsprechung.
Das Landesarbeitsgericht hat gemäß Beschluß vom 15. Mai 1998 gesonderte Verhandlung und Entscheidung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens vor der Verhandlung über die Hauptsache angeordnet und unter Zurückweisung des Hauptantrags des Klägers nach dessen Hilfsantrag erkannt.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiter die auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses beschränkte Aufhebung des Urteils vom 7. Juni 1996.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Auf seine Nichtigkeitsklage war das Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 7. Juni 1996 wegen fehlerhafter Besetzung des Gerichts nur insoweit aufzuheben, als es das Arbeitsverhältnis der Parteien gegen Abfindung aufgelöst hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die im Hauptantrag des Klägers vorgenommene Einschränkung der Nichtigkeitsklage sei unzulässig. Gegenstand der Wiederaufnahmeklage sei nämlich die Urteilsformel, die in äußere Rechtskraft erwachse. Vorliegend sei die Unwirksamkeit der Kündigung nicht in den Tenor aufgenommen, sondern als bloße Vorfrage behandelt worden, was zulässig sei. Selbst wenn man aber insoweit von einem gegenüber der Auflösung eigenständigen, der Rechtskraft fähigen Streitgegenstand ausgehe, erfasse der vom Kläger geltend gemachte Wiederaufnahmegrund das ganze Urteil, weil über die Unwirksamkeit der Kündigung kein Teilurteil hätte ergehen dürfen und das verfassungsrechtliche Gebot des gesetzlichen Richters nicht in einen schädlichen und einen unschädlichen Teil teilbar sei.
Der Hilfsantrag des Klägers sei dagegen begründet, weil die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter aus dem Termin vom 13. November 1992 auch für die mündliche Verhandlung am 9. Juli 1993, aufgrund derer das Urteil vom 7. Juni 1996 ergangen sei, nicht nach im voraus abstrakt bestimmten Merkmalen erfolgt sei, was das Gebot des gesetzlichen Richters verletze. Auf diesem Fehler beruhe das angefochtene Urteil. Die Beklagte könne sich demgegenüber nicht auf die bis 1993 ergangene – großzügigere – höchstrichterliche Rechtsprechung berufen.
II. Dem folgt der Senat nur teilweise.
1. Rechtsfehlerfrei ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, mit seiner gemäß § 79 Satz 1 ArbGG, § 578 Abs. 1, § 579 Abs. 1 Nr. 1, § 583 ZPO statthaften Nichtigkeitsklage habe der Kläger den Nichtigkeitsgrund gemäß § 586 ZPO rechtzeitig und gemäß §§ 587 f. ZPO formgerecht geltend gemacht. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist die Klage jedoch nicht erst im Hilfsantrag, sondern schon mit dem Hauptantrag zulässig.
a) Aus § 588 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sowie aus der im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozeß geltenden Dispositionsmaxime folgt, daß sich der Wiederaufnahmekläger auch dann mit einer teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils begnügen kann, wenn sich der Wiederaufnahmegrund auf die ganze Entscheidung bezieht (vgl. Stein/Jonas/Grunsky ZPO 21. Aufl. § 588 Rn 6). Das Gericht darf das Urteil quantitativ nicht in weiterem Umfang aufheben, als der Kläger eine Beseitigung beantragt hat. Betrifft der Anfechtungsgrund den gesamten Vorprozeß, beantragt der Kläger die Wiederaufnahme aber nur zum Teil, so behält das Urteil im übrigen Bestand. Der Kläger kann die Urteilsaufhebung also zwar nicht über das zulässige Maß hinaus erweitern, wohl aber einschränken (vgl. MünchKommZPO/Braun § 590 Rn. 3; ferner Gilles, Rechtsmittel im Zivilprozeß S 121; AK-ZPO/Greulich § 588 Rn. 5; Wieczorek/Rössler ZPO 2. Aufl. § 585 C I j 3; Zöller/Greger ZPO 21. Aufl. § 588 Rn. 4).
b) Zutreffend verweist die Revision darauf, die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und die Auflösung gegen Abfindung beträfen unterschiedliche Streitgegenstände. Sie seien daher grundsätzlich einer getrennten Antragstellung fähig und könnten auch jeweils isoliert mit einem Rechtsmittel angegriffen werden (vgl. BAG 29. Januar 1981 – 2 AZR 1055/78 – BAGE 35, 30, 37; 26. November 1981 – 2 AZR 509/79 – BAGE 37, 135; 21. Oktober 1982 – 2 AZR 579/80 – nv; 10. November 1994 – 2 AZR 207/94 – AP KSchG 1969 § 9 Nr. 24 = EzA KSchG nF § 9 Nr. 43). Mit der Annahme der Unzulässigkeit eines Teilurteils gemäß § 301 ZPO über die Unwirksamkeit der Kündigung übersehe das Landesarbeitsgericht die einschlägige neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (29. Januar 1981, aaO; 20. März 1997 – 8 AZR 769/95 – BAGE 85, 330; vgl. 21. Oktober 1982 – 2 AZR 579/80 – nv).
Auch wenn wie hier die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung nicht aufgelöst worden, nicht ausdrücklich in den Tenor aufgenommen worden ist, sondern sich das Gericht mit dem Ausspruch der Auflösung begnügt hat, ist die in den Gründen festgestellte Unwirksamkeit der Kündigung entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts keineswegs bloß die Beurteilung einer Vorfrage, die nicht in Rechtskraft erwächst. Vielmehr ist die genannte Feststellung gemäß § 9 Abs. 1 KSchG zwingende Voraussetzung der Auflösung, daher im Auflösungsausspruch konkludent zum Ausdruck gebracht und ihrerseits der Rechtskraft fähig (vgl. BAG 9. Dezember 1955 – 1 AZR 531/54 – AP KSchG § 7 Nr. 2; 13. Dezember 1956 – 2 AZR 353/54 – AP KSchG § 7 Nr. 5; 28. November 1968 – 2 AZR 76/68 – BAGE 21, 221, 228; Hueck/von Hoyningen-Huene KSchG 12. Aufl. § 9 Rn. 51). Bei dieser Sach- und Rechtslage wäre es, wie die Revision mit Recht geltend macht, Sache der Beklagten gewesen, den sie beschwerenden Teil des Urteils ebenfalls mit einer Nichtigkeitsklage anzugreifen, wenn sie ihn nicht gegen sich gelten lassen wollte. Daß der Kläger seine auf § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gestützte Anfechtung auf die ihn allein beschwerende Auflösung beschränkte, war entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts zulässig.
2. Die derart beschränkte Nichtigkeitsklage ist auch begründet. Das Landesarbeitsgericht ist, wenn auch erst zum Hilfsantrag des Klägers, mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, die Kammerbesetzung im Termin vom 9. Juli 1993 sei im Sinne von § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht vorschriftsmäßig gewesen, weil die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter aus dem Termin vom 13. November 1992 im Geschäftsverteilungsplan nicht im voraus abstrakt generell bestimmt gewesen und somit das Verbot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, niemand dürfe seinem gesetzlichen Richter entzogen werden, verletzt worden sei (vgl. BAG 16. November 1995 – 8 AZR 864/93 – BAGE 81,265; 26. September 1996 – 8 AZR 126/95 – BAGE 84, 189; 7. Mai 1998 – 2 AZR 344/97 – BAGE 88, 344). Die Beklagte kann, wie das Landesarbeitsgericht ebenfalls richtig erkannt hat, nicht verlangen, daß der Verfassungsverstoß im vorliegenden Verfahren deshalb unberücksichtigt bleibt, weil die nicht normativ gebundene Heranziehung derselben ehrenamtlichen Richter bei Vertagung einer damals noch verbreiteten Praxis entsprach und fälschlich als von § 39 ArbGG gedeckt angesehen wurde.
III. Eine Kostenentscheidung des Senats war nicht veranlaßt, weil die Kostentragung davon abhängt, ob der Kläger bei der neuen Entscheidung über den Auflösungsantrag obsiegt oder unterliegt (vgl. Thomas/Putzo ZPO 22. Aufl. § 590 Rn. 5).
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Baerbaum, Mauer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 02.12.1999 durch Anderl, der Urkundsbeamtin Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 55 |
BB 2000, 1042 |
BB 2000, 2367 |
DB 2000, 1084 |
FA 2000, 93 |
NZA 2000, 733 |
SAE 2000, 216 |
AP, 0 |
AUR 2000, 199 |