Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Leitsatz (amtlich)
- Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das mehrere Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen eines Aufhebungsvertrages vereinbart wird, ist nichtig, wenn es überhaupt keine Karenzentschädigung vorsieht.
- Eine für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagte Abfindung ist keine Karenzentschädigung i.S. des § 74 Abs. 2 HGB.
Normenkette
HGB §§ 74, 75d; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 11.09.1992; Aktenzeichen 15 Sa 219/92) |
ArbG Hannover (Urteil vom 05.12.1991; Aktenzeichen 11 Ca 79/91) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 11. September 1992 – 15 Sa 219/92 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines zeitlich unbegrenzten Wettbewerbsverbots.
Der im Oktober 1934 geborene Beklagte war seit Mai 1957 in einem Produktionsbetrieb der Klägerin in Hannover beschäftigt. Dort werden sog. White Cap-Gläserverschlüsse und Verschließsysteme hergestellt. Er war als Leiter der Produktion und Technik für den Bereich Verschlüsse zuständig. Aufgrund seiner Funktion hatte er Kenntnisse über das gesamte Fertigungs-Know-How, die Kalkulation, Bezugspreise und Bezugsquellen sowie Kundenstrukturen und Innovationsvorhaben. Zuletzt erhielt er ein Jahresbruttogehalt in Höhe von 185.000,-- DM und verfügte über einen Dienst-Pkw. Im Frühsommer 1989 nahmen die Parteien auf Veranlassung der Klägerin Verhandlungen über eine einvernehmliche Vertragsbeendigung auf. Im Vordergrund der Verhandlungen stand die Höhe der für ein vorzeitiges Ausscheiden zu zahlenden Abfindung. Dabei erklärte der Beklagte, er sei bereit, “in keiner Weise in Wettbewerb zu treten”. Nach mehreren Verhandlungsrunden vereinbarten die Parteien am 20./21. Juli 1989 die Aufhebung des Arbeitsvertrages zum 31. Dezember 1989 unter folgenden Bedingungen:
- “
Herr K… erhält als Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in Höhe von
DM 540.000,-- netto.
Die Zahlung der Abfindung erfolgt spätestens bis zum 31.1.1990.
Herr K… hat einen unverfallbaren Ruhegehaltsanspruch gegen die S…-L… AG nach Maßgabe seines Pensionsvertrages. Das Ruhegehalt wird ohne versicherungsmathematische Abschläge fällig ab 01.11.1994.
Im Falle des Ablebens von Herrn K… nach dem 31.12.1989 und vor dem 31.10.1994 werden etwaige Witwen- und Waisenrenten im Hinblick auf die bezahlte Abfindung erst am 1.11.1994 fällig.
- Da Herr K… in der Zeit vom 01.01.90 bis zum 31.10.94 (= 58 Monate) insgesamt für 22 Monate Arbeitslosengeld beantragen wird, zahlt S…-L… für die restliche Zeit (= 36 Monate) die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung in voller Höhe.
- Wesentlicher Bestandteil dieser Gesamtregelung ist die Verpflichtung von Herrn K…, sich jeglicher Tätigkeit und Beratung zu enthalten in den Bereichen Produktion, Technik und Entwicklung von Gläserverschlüssen und sonstigen SLW-Produkten.”
Vom 21. Juli 1989 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 1989 war der Beklagte von der Arbeit freigestellt. Nach der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses machte er sich zunächst mit einem Ingenieurbüro selbständig. Nach der deutschen Vereinigung erwarb er am 9. April 1991 von der Treuhandanstalt 30 % der Geschäftsanteile der Meißner Metallverpackungen GmbH. Diese in Meißen ansässige Firma stellt ebenfalls Verschlüsse für die Getränke- und Nahrungsmittelindustrie her. Am 12. April 1991 teilte der Beklagte der Klägerin den Erwerb der Geschäftsanteile von der Treuhandanstalt mit. Er war der Meinung, die mit der Klägerin getroffene Wettbewerbsvereinbarung habe sich nicht auf das Gebiet der früheren DDR bezogen. Die Wiedervereinigung habe eine völlig veränderte Situation geschaffen.
Die Klägerin forderte den Beklagten am 15. Mai 1991 auf, die Tätigkeit für die M… Verpackungen GmbH sofort einzustellen und verlangte die Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung. Der Beklagte antwortete am 17. Mai 1991, daß das vereinbarte Wettbewerbsverbot unwirksam sei.
Mit der am 27. Juni 1991 erhobenen Klage hat die Klägerin die Unterlassungsverpflichtung gerichtlich geltend gemacht.
Die Klägerin hat beantragt,
dem Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung – wobei ein Verstoß von jeweils einer Woche als eine selbständige Zuwiderhandlung gilt – fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren zu untersagen, für ein anderes Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Entwicklung von Gläserverschlüssen und Verschließsystemen und sonstigen von der Klägerin hergestellten Produkten befaßt, unmittelbar oder mittelbar, insbesondere aber als Geschäftsführer oder in sonstiger Weise für die M… Metallverpackungen GmbH mit Sitz in M…, Z… Straße 45, oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens tätig zu werden,
hilfsweise, mit folgender Ergänzung: … soweit diese Unternehmen Gläserverschlüsse oder Verschließsysteme auf dem Gebiet der alten Bundesländer und Europa herstellen oder Abnehmern in diesen Gebieten anbieten oder an solche vertreiben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Klage im übrigen den Beklagten zur Unterlassung des Wettbewerbs bis zum 31. Dezember 1991 verurteilt, da die Klägerin aus Nr. 6 des Aufhebungsvertrages einen nach Maßgabe der §§ 74 ff. HGB auf zwei Jahre befristeten Anspruch auf Unterlassung des nachvertraglichen Wettbewerbs auch für das Gebiet der fünf neuen Bundesländer habe. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin einschließlich des erstmals in der Berufungsinstanz gestellten hilfsweisen Antrags
… daß dem Beklagten bis zum 31.12.1991 untersagt war, für ein anderes Unternehmen, das sich mit der Herstellung, dem Vertrieb und der Entwicklung von Gläserverschlüssen und Verschließsystemen und sonstigen von der Klägerin hergestellten Produkten befaßt, unmittelbar oder mittelbar, insbesondere aber als Geschäftsführer oder in sonstiger Weise für die M… Metallverpackungen GmbH mit Sitz in M…, Z… Straße 45, oder eines mit ihr verbundenen Unternehmens tätig zu werden.
zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten ist das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen worden.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsrechtszug gestellten Sachanträge. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Weder war der Beklagte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet, sich des Wettbewerbs zu enthalten, noch besteht zur Zeit eine derartige Verpflichtung.
1. Die Unterlassungsklage ist unbegründet, weil das von den Parteien vereinbarte nachvertragliche Wettbewerbsverbot nichtig und ansonsten keine gesetzliche Grundlage für eine Unterlassungsverpflichtung gegeben ist.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, daß die zwischen den Parteien am 20./21. Juli 1989 fünf Monate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 1989 getroffene Vereinbarung ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot i.S. des § 74 HGB enthält. Die vereinzelt im Schrifttum vertretene Ansicht (Bauer, Arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge, 3. Aufl., Rz 536). Vereinbarungen im Rahmen eines Aufhebungsvertrages würden vom Schutz des § 74 HGB nicht erfaßt, ist abzulehnen. Richtiger Ansicht nach ist § 74 HGB anwendbar, solange das Wettbewerbsverbot noch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Abwicklung vereinbart wird (GK-HGB/Etzel, Stand Dezember 1972, §§ 74 bis 75d Rz 6; Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., § 74 Anm. 1 Ba; Heymann/Honsell, HGB, § 74 Rz 6; Würdinger in GroßKomm-HGB, 3. Aufl., § 74 Anm. 4). Von dieser Auffassung geht auch das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung aus (BAG Urteile vom 11. März 1968 – 3 AZR 37/67 – AP Nr. 23 zu § 74 HGB, zu A I der Gründe; vom 5. August 1968 – 3 AZR 128/67 – AP Nr. 24 zu § 74 HGB, zu I der Gründe; vom 25. September 1980 – 3 AZR 638/78 – zu II 2a der Gründe; vom 18. Mai 1982 – 3 AZR 1024/79 – zu II 2a der Gründe; vom 9. März 1993 – 9 AZR 390/91 – zu II 1 der Gründe). Es besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen.
b) Nichtig sind Wettbewerbsverbote, die entgegen der nicht abdingbaren (§ 75d HGB) Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB überhaupt keine Karenzentschädigung vorsehen (BAG Urteil vom 13. September 1969 – 3 AZR 138/68 – BAGE 22, 125, 130 = AP Nr. 24 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel, zu III 3 der Gründe).
Das Landesarbeitsgericht hat die Vereinbarung der Parteien dahin ausgelegt, die Klägerin habe keine Karenzentschädigung, sondern nur eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagt. Dieses Auslegungsergebnis ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegt nämlich nur, ob das Berufungsgericht bei der Auslegung dieser nichttypischen Vereinbarung allgemeine Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB verletzt hat, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vorliegen oder wesentlicher Auslegungsstoff unberücksichtigt geblieben ist (vgl. BAG Urteil vom 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP Nr. 63 zu § 74 HGB, zu 1 der Gründe; BAG Urteil vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 558/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 1b der Gründe). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand. Die Revision legt nämlich nicht dar, welche Begleitumstände eine andere Auslegung der Vereinbarung logisch zwingend machen und damit zu einer rechtsfehlerhaften Auslegung durch das Landesarbeitsgericht führen. Es genügt nicht, eine vertretbare Auslegung durch eine andere zu ersetzen.
c) Die Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Wegfall der Geschäftsgrundlage unberücksichtigt gelassen, kann keinen Erfolg haben. Eine mögliche Anpassung des Vertrages der Parteien vom 20./21. Juli 1989 hätte entgegen der Ansicht der Revision nicht automatisch die Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses mit der Folge des Weiterbestehens des gesetzlichen Wettbewerbsverbots nach § 60 HGB zur Folge. Nach den vom Landesarbeitsgericht in seinen Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen, die das Revisionsgericht nach § 561 Abs. 2 ZPO binden, ist davon auszugehen, daß die Klägerin gegenüber dem Beklagten ihr angebliches Interesse an dem Wiederaufleben des Arbeitsverhältnisses nicht erkennbar gemacht hat.
2. Bestand von Anfang an keine Verpflichtung des Beklagten, sich des Wettbewerbs zu enthalten, so muß auch die hilfsweise erhobene Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen werden. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist nur für ein stattgebendes Urteil Sachurteilsvoraussetzung (vgl. BGHZ 12, 308, 316; BGH Urteil vom 14. März 1978 – VI ZR 68/76 – NJW 1978, 2031, 2032). Es bedarf daher keiner Prüfung, ob die Anforderungen vorliegen, die der Senat an das Rechtsschutzinteresse für die Feststellung des Bestehens eines vergangenen Rechtsverhältnisses stellt (vgl. Senatsurteil vom 21. September 1993 – 9 AZR 580/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
II. Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels nach § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Düwell, Dr. Klosterkemper, Tirre
Fundstellen
Haufe-Index 856738 |
BB 1994, 2282 |
NJW 1995, 151 |
JR 1995, 176 |
NZA 1995, 72 |
ZIP 1994, 1975 |