Entscheidungsstichwort (Thema)
Nicht vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. Rechtsfolge
Leitsatz (redaktionell)
Im Fall des Verstoßes gegen das Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 AÜG wird nicht gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer fingiert, wenn der Verleiher die erforderliche Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung hat.
Normenkette
AÜG § 1 Abs. 1, § 10 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. August 2013 – 18 Sa 845/13 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten vor allem darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. Dezember 2011 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die Beklagte betreibt Krankenhäuser. Sie beschäftigte die Klägerin zunächst vom 1. Mai 2008 bis zum 30. April 2009 als Leiharbeitnehmerin auf der Grundlage eines zwischen der Klägerin und der P GmbH geschlossenen Arbeitsvertrags als Diplom-Psychologin. Seit dem 1. Mai 2009 wird die Klägerin bei der Beklagten aufgrund eines mit einer Agentur für Gesundheitsfachberufe (G GmbH) geschlossenen Arbeitsvertrags als Diplom-Psychologin eingesetzt. Die P GmbH und die G GmbH, die über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügen, sowie die Beklagte gehören einem Konzern an. Im Arbeitsvertrag mit der G GmbH ist vereinbart, dass auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge des Interessenverbands Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und der Mitgliedsgewerkschaften des DGB in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung finden.
Die Klägerin meint, ihr Einsatz bei der Beklagten sei nicht vorübergehend iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG, sodass zwischen ihr und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Die Beklagte nutze in rechtsmissbräuchlicher Weise die Arbeitnehmerüberlassung, um eigenen Arbeitskräftebedarf auf Dauer zu günstigeren tariflichen Bedingungen abzudecken. Selbst wenn eine echte Überlassungskonstruktion anzunehmen wäre, würde es sich um einen institutionellen Rechtsmissbrauch iSv. § 242 BGB handeln. Der durch die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (im Folgenden: Leiharbeitsrichtlinie) bezweckte Mindestschutz für Arbeitnehmer würde verfehlt, wenn die Beklagte sich ihren typischen Arbeitgeberpflichten entziehen könnte.
Im Revisionsverfahren hat die Klägerin behauptet, die aktuelle Koalition von CDU, CSU und SPD habe eine Gesetzesänderung in Aussicht gestellt, derzufolge nach dem Ablauf einer Höchstüberlassungsdauer von 18 Monaten ein Arbeitsverhältnis zum Entleiherunternehmen angeordnet werde. In der Übergangsphase bis zur Umsetzung des gesetzgeberischen Vorhabens bleibe es der Rechtsprechung überlassen, die Sanktionierung der verbotenen Dauerüberlassung unter Einbeziehung dieser Planungen und unter Zugrundelegung der Leiharbeitsrichtlinie vorzunehmen.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, dass zwischen ihr und der Beklagten seit dem 1. Mai 2009 ein Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem sie bei der Beklagten als Diplom-Psychologin angestellt ist,
- die Beklagte zu verurteilen, sie bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als Diplom-Psychologin zu beschäftigen,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einer vergleichbaren Arbeitnehmerin zu erteilen, die in der Zeit seit Mai 2009 als Diplom-Psychologin beschäftigt gewesen ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat im Wege eines Teilurteils festgestellt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten seit dem 1. Dezember 2011 ein Arbeitsverhältnis besteht, nach welchem die Klägerin bei der Beklagten als Diplom-Psychologin angestellt ist. Darüber hinaus hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Ausgang des Rechtsstreits tatsächlich als Diplom-Psychologin zu beschäftigen und der Klägerin Auskunft über die wesentlichen Arbeitsbedingungen einer vergleichbaren Arbeitnehmerin zu erteilen, die in der Zeit seit Mai 2009 als Diplom-Psychologin beschäftigt gewesen ist. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Teilurteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin im Wesentlichen die Wiederherstellung des Teilurteils des Arbeitsgerichts mit der Maßgabe, dass die Anträge zu 2. und 3. nur für den Fall gestellt werden, dass dem Antrag zu 1. stattgegeben wird. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat mit Recht das Teilurteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
1. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten verneint. Die Anträge der Klägerin zu 2. und 3. sind dem Senat deshalb nicht zur Entscheidung angefallen.
a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (– 9 AZR 51/13 – Rn. 11 ff.) eingehend begründet, dass der Gesetzgeber bis zum 30. November 2011 bewusst darauf verzichtete, die Dauer der Arbeitnehmerüberlassung zeitlich zu begrenzen, und dass ein Verstoß gegen das ab dem 1. Dezember 2011 geltende Verbot der nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zum Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer führt, wenn der Verleiher – wie hier die G GmbH – die nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG erforderliche Erlaubnis hat, seine Arbeitnehmer Dritten zur Arbeitsleistung zu überlassen. Er hat ferner ausgeführt, aus welchen Gründen eine analoge Anwendung des § 10 Abs. 1 AÜG nicht in Betracht kommt und weshalb auch die Leiharbeitsrichtlinie bei einem nicht nur vorübergehenden Einsatz des Leiharbeitnehmers beim Entleiher das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher nicht vorgibt. Schließlich hat der Senat Ausführungen dazu gemacht, dass auch unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs kein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher begründet wird, wenn gegen das Verbot eines nicht nur vorübergehenden Einsatzes des Leiharbeitnehmers verstoßen wird. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
b) Die Klägerin hat keine Argumente vorgebracht, die die tragenden Ausführungen des Senats im Urteil vom 10. Dezember 2013 (– 9 AZR 51/13 –) infrage stellen könnten. Sie hat insbesondere keine Umstände aufgezeigt, aus denen entgegen der Annahme des Senats folgt, der Gesetzgeber habe unbewusst davon abgesehen anzuordnen, dass bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher begründet wird. Argumente, die auf ein unbewusstes, versehentliches Unterlassen des Gesetzgebers schließen lassen könnten, hat die Klägerin nicht vorgebracht.
c) Der Hinweis der Klägerin auf den zwischen CDU, CSU und SPD am 16. Dezember 2013 unterzeichneten Koalitionsvertrag geht in mehrfacher Hinsicht fehl. Absichtserklärungen von Parteien in einer Koalitionsvereinbarung berechtigen Gerichte nicht, die geltende Rechtslage außer Acht zu lassen. Im Übrigen haben die Koalitionsparteien unter Ziff. 2.2 des Koalitionsvertrags nicht vereinbart, dass eine nicht mehr vorübergehende Überlassung eines Leiharbeitnehmers hinsichtlich der Rechtsfolge einer Überlassung ohne Erlaubnis gleichgestellt werden soll. Nur bei einer „verdeckten” Überlassung (Scheinwerk- und -dienstverträge) soll geregelt werden, dass über § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem vermeintlichen Werkbesteller/Dienstberechtigten zustande kommt.
2. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Brühler, Klose, Krasshöfer, Faltyn, Neumann-Redlin
Fundstellen