Entscheidungsstichwort (Thema)
Schichtarbeit
Leitsatz (redaktionell)
Schichtarbeit im Sinne von § 7 Satz 3 Manteltarifvertrag des Westdeutschen Rundfunks Köln vom 8. August 1979 liegt dann vor, wenn mindestens zwei Arbeitnehmer eine übereinstimmende Arbeitsaufgabe erfüllen, indem sie sich regelmäßig nach einem feststehenden Plan ablösen. Dabei braucht der jeweils abgelöste Arbeitsplatz nicht identisch zu sein, wenn nur die jeweils betroffenen Arbeitnehmer gegenseitig austauschbar sind.
Orientierungssatz
Für den Begriff der Schichtarbeit ist wesentlich, daß eine bestimmte Arbeitsaufgabe über die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus zu erfüllen ist und daher von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht werden muß.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 25.01.1985; Aktenzeichen 9 Sa 912/84) |
ArbG Köln (Entscheidung vom 13.07.1984; Aktenzeichen 2 Ca 3165/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Beklagte dem Kläger Freischichten nach § 7 des Manteltarifvertrages für den Westdeutschen Rundfunk vom 8. August 1979 (künftig: MTV) zu gewähren hat.
Der Kläger ist seit dem Jahre 1962 bei dem Beklagten zuletzt als Kameramann an einer elektronischen Kamera (E-Kameramann) tätig. Er erhält eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V Stufe 6 in Höhe von monatlich 4.746,-- DM brutto. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Manteltarifvertrag des Westdeutschen Rundfunks vom 8. August 1979 kraft Tarifbindung Anwendung.
Der Beklagte unterhält u.a. die Abteilungen VP/E (Vorproduktion - Elektronisch), AP/E (Aktuelle Produktion - Elektronisch), Fs-AÜ (Fs-Außenübertragung) sowie das "Studio B". Der Kläger gehört der Abteilung VP/E an. Er arbeitet nach wöchentlichen Dienstplänen, die ihm und seinen Kollegen sieben Tage im voraus durch Aushang zur Kenntnis gebracht werden. In erster Linie wird er in seiner Abteilung in den Studios A, B und C und dem Bereich der magnetischen Aufzeichnung eingesetzt. Darüber hinaus wird er aber auch im Bereich der Abteilung AP/E, der Abteilung Fs-AÜ und im "Studio B" beschäftigt. Diese Abteilungen verfügen nicht über eigene Kameraleute. Auch diese Einsätze werden durch Dienstpläne zehn bis sieben Tage zuvor bekannt gegeben. Demgegenüber arbeiten die ständigen Mitarbeiter in der Abteilung AP/E und dem "Studio B" nach einem sogenannten Rahmendienstplan, der auf ein Jahr im voraus erstellt wird. Aufgrund aktuellen Sonderbedarfs unterliegen die Dienstpläne in allen Abteilungen kurzfristigen Änderungen. Den ständigen Mitarbeitern der Abteilung AP/E und des "Studio B" gewährt der Beklagte Freischichten nach Maßgabe des § 7 MTV.
Der Kläger erhielt, ebenso wie die übrigen Mitarbeiter der Abteilungen VP/E und Fs-AÜ, solche Freischichten auch dann nicht, wenn er im Bereich der Abteilung AP/E oder im "Studio B" tätig war oder der Dienst in der eigenen Abteilung vor 6.00 Uhr begann oder nach 22.00 Uhr endete.
Der Kläger hat an 82 Tagen im Jahr 1981, an 94 Tagen im Jahr 1982 und an 63 Tagen in den ersten acht Monaten des Jahres 1983 seine Arbeit vor 6.00 Uhr begonnen oder nach 22.00 Uhr beendet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Freischichten nach § 7 MTV, wenn seine tägliche Arbeitszeit entweder vor 6.00 Uhr beginne oder nach 22.00 Uhr ende. Dieser Anspruch folge auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Die ständigen Mitarbeiter der Abteilung AP/E und des "Studio B" erhielten die tarifliche Freischicht ebenso wie die sogenannten "Springer", die für einen nach dem Dienstplan eingesetzten Mitarbeiter bei dessen Verhinderung die Vertretung übernähmen. Demgegenüber gewähre der Beklagte ohne sachlichen Grund den Mitarbeitern der Abteilung VP/E auch dann keine Freischicht, wenn sie in der Abteilung AP/E eingesetzt seien.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet
ist, ihm Freischichten nach Maßgabe von § 7
des MTV vom 8. August 1979 zu gewähren, sofern
seine Arbeit innerhalb von vier aufeinanderfolgenden
Monaten insgesamt mindestens zweimal
vor 6.00 Uhr beginnt oder nach 22.00 Uhr
endet,
hilfsweise,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist,
ihm Freischichten nach Maßgabe von § 7 des MTV
vom 8. August 1979 zu gewähren, sofern seine
Arbeit innerhalb von vier aufeinanderfolgenden
Monaten insgesamt mindestens achtmal vor 6.00 Uhr
beginnt oder nach 22.00 Uhr endet.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Er meint, der Kläger leiste keine Schichtarbeit im Sinne von § 7 MTV. Der Kläger erbringe vielmehr unregelmäßige Dienste. Die dadurch entstehende Belastung gehöre zum Berufsbild eines Kameramannes und werde bei der Bemessung der Vergütung berücksichtigt. Mit den Aufgaben der ständigen Mitarbeiter der Abteilung AP/E sei die Tätigkeit des Klägers nicht vergleichbar. Die ständigen Mitarbeiter erhielten Freischichten, weil sie nach dem langfristig für 52 Wochen im voraus erstellten Rahmendienstplan im Schichtdienst arbeiteten; das gelte auch für die "Springer", die ständig in diesem langfristigen Dienstplan als Vertretungskräfte tätig seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage zum Teil entsprochen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen und die Anschlußberufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Begehren weiter. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Freischichten nach § 7 MTV.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Freischichten nach § 7 MTV, da er allenfalls Nachtarbeit leiste. Diese löse unbeschadet ihrer Häufigkeit jedoch keinen Anspruch auf Freischichten aus. Nach § 7 Abs. 1 MTV sei u.a. Voraussetzung, daß der Kläger "Schichtarbeit" leiste. Diese liege nach allgemeinem Sprachgebrauch aber nur vor, wenn die Arbeitsleistungen mehrerer Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatz einander ablösten, damit der Arbeitsplatz nicht nur während der regelmäßigen Arbeitszeit eines einzelnen Arbeitnehmers besetzt sei, sondern nacheinander von mehreren Arbeitnehmern für eine die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers übersteigende Zeit. Wesentlich für den Begriff der Schichtarbeit sei, daß eine bestimmte Arbeitsaufgabe über die tägliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus zu erfüllen sei und daher von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht werden müsse. Dieser Begriff der Schichtarbeit gelte auch im vorliegenden Manteltarifvertrag. § 7 Abs. 1 MTV verwende nämlich neben dem Begriff des "Schichtdienstes" den Begriff des "Nachtdienstes". Beide Begriffe seien nicht deckungsgleich. Dies spreche dafür, daß es auch einen Schichtdienst gebe, der nicht zugleich Nachtdienst sei und umgekehrt. Wenn § 7 Abs. 3 MTV von Schichtarbeit spreche, "die vor 6.00 Uhr beginne und nach 22.00 Uhr ende", so bedeute dies, daß nur solche Schichtarbeit gemeint sei, die die dort angegebenen zusätzlichen zeitlichen Voraussetzungen erfülle. Daraus folge, daß es auch Schichtarbeit zwischen 6.00 Uhr und 22.00 Uhr gäbe. Das gleiche ergebe sich aus § 18 Abs. 5 MTV.
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II.1. Nach § 7 Satz 1 MTV besteht ein Anspruch auf Freischicht nur nach Schichtdienst in vier aufeinanderfolgenden Monaten zum Ausgleich für die Belastung durch Nachtdienste. Schichtdienst liegt nach § 7 Satz 3 MTV dann vor, wenn im Rahmen eines Dienstplanes wiederkehrend Schichtarbeit zu leisten ist, die vor 6.00 Uhr beginnt oder nach 22.00 Uhr endet, wobei der MTV selbst nicht klarstellt, was unter "Schichtarbeit" zu verstehen ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.
a) Die Tarifauslegung hat entsprechend den Grundsätzen der Auslegung von Gesetzen zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mit zu berücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (ständige Rechtsprechung des BAG, zuletzt erkennender Senat vom 17. September 1987 - 6 AZR 560/84 -; Urteil vom 14. Mai 1987 - 6 AZR 555/85 - und vom 30. April 1987 - 6 AZR 428/84 - alle zur Veröffentlichung bestimmt; BAG Urteil vom 24. September 1986 - 4 AZR 400/85 - AP Nr. 2 zu § 2 BAT und BAGE 46, 308, 313 f. = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung = NZA 1985, 160). Verbleiben bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlautes und des tariflichen Gesamtzusammenhanges als den stets und in erster Linie heranzuziehenden Auslegungskriterien im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf weitere Kriterien wie die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden, ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge. Im Zweifel ist der Tarifauslegung der Vorzug zu geben, die zu einer vernünftigen sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG, aaO; Senatsurteil vom 30. April 1987 - 6 AZR 644/84 - zur Veröffentlichung vorgesehen; BAGE 46, 308, aaO).
b) Weder der Begriff "Schichtdienst" noch der Begriff "Schichtarbeit" sind gesetzlich definiert (vgl. BAGE 12, 143 = AP Nr. 7 zu § 59 BetrVG 1952 für den Begriff "Mehrschichtbetrieb"; Röhsler, Die Arbeitszeit, S. 30). In § 4 Abs. 2 JArbSchG ist die "Schichtzeit" als die tägliche Arbeitszeit unter Hinzurechnung der Ruhepausen definiert. § 2 Abs. 2 erster Halbsatz AZO enthält lediglich eine arbeitszeitrechtliche Umschreibung der sogenannten "Schichtzeit" im Steinkohlenbergbau. Dort wird unter "Schichtzeit" oder "Schicht" die Zeit verstanden, in der der Arbeitnehmer ununterbrochen im Betrieb sein muß, um die ihm obliegende Arbeit zu leisten. Der Begriff der "Schicht" wird dabei insbesondere für Fälle verwendet, in denen nicht sämtliche Beschäftigte eines Betriebes zu gleicher Zeit arbeiten, sondern der eine Teil arbeitet, während der andere Teil Freizeit hat, beide sich also regelmäßig gegenseitig ablösen (sogenannte Schichtarbeit: vgl. BAG Urteil vom 20. Januar 1965 - 4 AZR 424/63 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Betonsteingewerbe; Denecke/Neumann, AZO, 10. Aufl., § 2 Rz 2). Im Arbeitszeitrecht wird somit eine Unterscheidung zwischen "Schicht" und "Schichtarbeit" getroffen.
c) Die Rechtsprechung geht von einem feststehenden Inhalt des Begriffes "Schichtdienst" aus. So hat das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 23. September 1960 - 1 AZR 567/59 - AP Nr. 4 zu § 2 AZO) ausgeführt, Schichtdienst liege nach allgemeinem Sprachgebrauch dann vor, wenn die Arbeitsleistungen mehrerer Arbeitnehmer an einem Arbeitsplatz einander ablösten, damit der Arbeitsplatz nicht nur während der regelmäßigen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers, sondern nacheinander von mehreren Arbeitnehmern für eine die Arbeitszeit eines Arbeitnehmers übersteigende Zeitspanne besetzt sei. Mit einer Schichtenregelung zur Besetzung eines Arbeitsplatzes mit mehreren Arbeitnehmern solle ein einheitlicher Arbeitserfolg, ein einheitlicher Arbeitsablauf erzielt werden.
Im Urteil vom 18. Januar 1983 (- 3 AZR 447/80 - AP Nr. 1 zu § 24 BMT-G II) hat das Bundesarbeitsgericht ausgeführt, für Schichtarbeit sei wesentlich, daß eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die wirkliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus erfüllt und daher von mehreren Arbeitnehmern (oder Arbeitnehmergruppen) in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht werde. Der Begriff "mehrere Schichten" wird definiert als Ableisten der täglichen Arbeit in Zeitabschnitten, die jeweils die Arbeitszeit für eine Gruppe von Arbeitnehmern darstellen (vgl. BAGE 12, 143 = AP, aaO).
d) Dieses betriebsorientierte Verständnis der "Schichtarbeit" setzt allerdings nicht notwendig die Ablösung des Arbeitnehmers am selben Arbeitsplatz voraus. Der Begriff "Schichtarbeit" liegt nicht nur dann vor, wenn ein Arbeitnehmer das begonnene Arbeitsergebnis des anderen mit denselben Mitteln oder der gleichen Intensität und Belastung vervollständigt, sondern auch dann, wenn ein gewisses Maß an Arbeitsteilung für ein und denselben Arbeitserfolg erforderlich ist, die verschiedenen Arbeitsergebnisse also aufeinander aufbauen (BAG Urteil vom 20. Dezember 1961, aaO). Maßgeblich für den Begriff der "Schichtarbeit" ist die Identität der Arbeitsplätze allerdings insoweit, als der gesamte Arbeitsinhalt der sich gegenseitig ablösenden Arbeitnehmer übereinstimmen muß. Dabei ist der Begriff des Arbeitsinhaltes eng zu fassen, da anderenfalls alle Beschäftigten eines Betriebes an ein und demselben Arbeitsinhalt arbeiteten und selbst dann Schichtarbeit leisten würden, wenn sie mit völlig verschiedenen Aufgaben und unterschiedlicher Qualifikation nur einander ablösten. Vielmehr müssen die einzelnen Funktionen gegeneinander austauschbar sein, wobei dieser Austausch regelmäßig erfolgt, d.h. kontinuierlich und mit einer gewissen Dauer (vgl. Schoden/Bösche, AR-Blattei D Schichtarbeit I zu C III 3).
"Schichtarbeit" liegt danach vor, wenn mindestens zwei Arbeitnehmer ein und dieselbe (übereinstimmende) Arbeitsaufgabe erfüllen, indem sie sich regelmäßig nach einem feststehenden und für sie überschaubaren Plan ablösen, so daß der eine Arbeitnehmer arbeitet, während der andere arbeitsfreie Zeit hat, ohne daß der jeweils abgelöste Arbeitsplatz identisch sein muß, wenn nur die jeweils betroffenen Arbeitnehmer gegenseitig untereinander austauschbar sind.
e) Dieser Begriff der "Schichtarbeit" gilt auch gemäß § 7 Satz 3 MTV.
aa) Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist "Schichtarbeit" sowohl innerhalb als außerhalb der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr möglich, also auch am Tage, auch wenn die Tarifvertragsparteien solche Art von Schichtarbeit gerade nicht als (Freischichten auslösenden) Schichtdienst verstanden wissen wollten. Nur die zur Nachtzeit (zwischen 22.00 und 6.00 Uhr) im Rahmen eines Dienstplanes geleistete "Schichtarbeit" ist "Schichtdienst" im Sinne der Vorschrift. Damit aber verliert die nicht zur Nachtzeit geleistete Arbeit in einander ablösenden Schichten aber nicht den Charakter der "Schichtarbeit". Sie stellt lediglich keinen "Schichtdienst" im Sinne des § 7 MTV dar. Ein solcher setzt vielmehr notwendig Schichtarbeit zur Nachtzeit voraus, ohne daß damit "Schichtarbeit" auch außerhalb dieser Zeiten ausgeschlossen wäre. Schichtdienst im Sinne des § 7 MTV liegt somit nur dann vor, wenn er zusätzlich des Nachts geleistet wird. "Schichtarbeit" und "Nachtarbeit" sind damit ebensowenig identisch wie "Schichtdienst" und "Nachtarbeit" bzw. "Schichtdienst" und "Schichtarbeit".
bb) Auch aus dem Gesamtzusammenhang des Manteltarifvertrages läßt sich nicht entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien einen erweiterten Begriff der "Schichtarbeit" unter Verzicht sowohl auf das Merkmal der Regelmäßigkeit als auch der Identität der Arbeitsplätze oder doch zumindest der Austauschbarkeit der betroffenen Arbeitnehmer zugrunde gelegt haben.
In § 6 Abs. 3, 3. Unterabs. MTV ist zwar von den Dienstplänen für den regelmäßigen Schichtdienst die Rede. Daraus kann aber allenfalls gefolgert werden, daß auch unregelmäßiger Schichtdienst möglich ist. Die Vorschrift gibt jedoch keine abweichende Definition des Begriffs "Schichtarbeit".
Nach § 18 Abs. 2 MTV wird für Nachtarbeit, die nicht Schichtarbeit sein muß, ein Zuschlag von 25 % je Stunde gezahlt. Es ist deshalb nicht erkennbar, warum für Nachtarbeit, die nicht Schichtarbeit ist, Zuschläge gezahlt werden, wenn sie bereits zur Gewährung von Freischichten führen würde, sofern nur die von § 7 MTV geforderte Häufigkeit vorliegt.
Gegen ein weites Verständnis der "Schichtarbeit" in § 7 MTV - ohne regelmäßige Nachtarbeit und ohne Ablösung durch andere Arbeitnehmer - spricht die tarifliche Regelung des § 18 Abs. 5 MTV. Diese Norm schließt an die Vorschrift des § 7 MTV insofern an, als sie deren jeweilige Regelungsgegenstände - wenn auch nicht lückenlos - gegeneinander abgrenzt. Sie erfaßt nämlich nicht alle in einer bestimmten Häufigkeit Schichtarbeit leistenden Arbeitnehmer, auch wenn sie gerade zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr arbeiten, sondern auch die übrigen Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmer, sofern ihr Einsatz weniger als drei Tage zuvor bekanntgegeben wird. Der Begriff "Wechselschichtzulage", wie er in § 18 Abs. 5 MTV verwendet wird, steht einem solchen Verständnis nicht entgegen, da der Begriffsteil "Schicht" hier eine andere Bedeutung hat als die der "Schichtarbeit". Aus dem in der Norm gleichfalls verwendeten Begriff des "unregelmäßigen Dienstes" folgt nämlich, daß mit der Zulage der durch variierende Arbeitszeiten und deren ständigem Wechsel innerhalb eines Tages verbundenen Belastung Rechnung getragen werden soll, wenn der betroffene Arbeitnehmer sich nicht rechtzeitig, d.h. drei Tage zuvor, auf den geplanten Arbeitseinsatz einstellen und seine privaten Dispositionen entsprechend ausrichten kann. Das schließt aber nicht aus, weitere nachts arbeitende Personengruppen von tariflichen Leistungen auszunehmen. Nicht alle Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmer müssen notwendig in den Genuß der einen oder anderen tariflichen Regelung kommen.
2. Die Tarifvertragsparteien haben mit dieser Regelung auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen. Die Tarifvertragsparteien haben bei der Entscheidung, welche arbeitsvertraglichen Leistungen sie besonders honorieren wollen, weitgehende Gestaltungsfreiheit, die grundsätzlich nur dadurch begrenzt wird, daß ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender und für die Ungleichbehandlung sprechender Grund nicht erkennbar ist und die Regelung mithin als willkürlich bezeichnet werden muß (vgl. BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 578/80 - AP Nr. 16 zu § 23 a BAT; BAGE 42, 231 = AP Nr. 71 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 37, 73 = AP Nr. 1 zu § 29 BAT). Abgesehen davon, daß ein Verstoß gegen Art. 3 GG für den Kläger nicht zwingend zu einem Anspruch auf Gewährung von Freischichten führen würde, weil die Tarifpartner das Problem für die Zukunft auch auf andere Weise verfassungskonform zu lösen in der Lage wären (vgl. zu diesem Problemkreis BAGE 50, 137, 141, 142 = AP Nr. 136 zu Art. 3 GG), ist die Gewährung einer Zulage allein an die Arbeitnehmer, die Nachtarbeit in einer bestimmten Häufigkeit als Schichtarbeit leisten und diejenigen, die kurzfristig zur Nachtarbeit eingeteilt werden, nicht willkürlich. Diese Arbeitnehmer sind nämlich durch die Lage ihrer Arbeitszeit oder die kurzfristige Nachricht von ihrem nächtlichen Arbeitseinsatz stärker belastet. Unter dem Gesichtspunkt sachgerechter Gruppenbildung ist es daher nicht zu beanstanden, wenn die Tarifvertragsparteien durch ihre tariflichen Regelungen nur diese beiden Gruppen begünstigen, nicht aber den Kläger als Arbeitnehmer ohne Schichtarbeitsverpflichtung, der von seinen mehr oder minder häufig geplanten Einsätzen nach 22.00 Uhr oder vor 6.00 Uhr jedenfalls drei Tage zuvor erfährt.
3. Schließlich ist auch die Aufklärungsrüge der Revision unbegründet, das Landesarbeitsgericht habe nicht ausreichend aufgeklärt, daß in den Studios der Vorproduktion in Schichten gearbeitet werde. Der Kläger leistet nämlich auch dann keine Schichtarbeit, wenn nach Beendigung seiner täglichen Arbeit Mitarbeiter der Abteilung "Ausstattung" und deren Unterabteilungen "Bühnen" und "Requisite" am gleichen Arbeitsort, nämlich den großen Studios A, B und C, tätig sind, um Kulissen und Dekorationen aus- und abzubauen, damit der Kläger mit seiner Abteilung die Arbeit später fortsetzen oder wiederaufnehmen kann. Schichtarbeit setzt nämlich, wie bereits erörtert, zumindest die gegenseitige Austauschbarkeit der einander ablösenden Arbeitnehmer voraus, die nicht einmal vom Kläger behauptet wird.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Dr. Jobs Dörner Schneider
Scheerer Mergenthaler
Fundstellen
DB 1988, 1855 (LT1) |
RdA 1988, 254 |
ZTR 1988, 425-426 (LT1) |
AP § 1 TVG Tarifverträge - Rundfunk (LT1), Nr 17 |
AR-Blattei, ES 1410 Nr 9 (LT1) |
AR-Blattei, Schichtarbeit Entsch 9 (LT1) |
EzA § 4 TVG Rundfunk, Nr 16 (LT1) |
PersR 1989, 283 (L1) |