Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtung einer in Unkenntnis der Schwangerschaft erklärten Eigenkündigung
Leitsatz (redaktionell)
Die Unkenntnis der Arbeitnehmerin von einer im Zeitpunkt des Ausspruchs einer Eigenkündigung bestehenden Schwangerschaft rechtfertigt in der Regel keine Irrtumsanfechtung.
Orientierungssatz
Aufzählung der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum zur (verneinten) Möglichkeit der Anfechtung einer in Unkenntnis der Schwangerschaft erklärten Kündigung durch die Schwangere.
Normenkette
BGB §§ 121, 242, 823, 119; MuSchG § 9
Verfahrensgang
LAG München (Entscheidung vom 11.04.1991; Aktenzeichen 10 Sa 46/91) |
ArbG München (Entscheidung vom 04.12.1990; Aktenzeichen 23 Ca 11270/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die wirksame Anfechtung einer Eigenkündigung.
Die 1965 geborene Klägerin war "seit geraumer Zeit" bei der Beklagten angestellt. Ihr Monatsgehalt betrug zuletzt 2.500,-- DM brutto.
Mit Schreiben vom 9. August 1990 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis "fristgerecht" zum 1. Oktober 1990. Die Kündigung erfolgte nach nicht bestrittenem Vortrag der Klägerin "wegen ständiger und gravierender und äußerst belastender Querelen mit dem Arbeitgeber".
Aufgrund einer am 18. September 1990 durchgeführten frauenärztlichen Untersuchung wurde bei der Klägerin eine Schwangerschaft festgestellt; als voraussichtlicher Entbindungstermin wurde der 10. Mai 1991 bescheinigt. Nach unwidersprochen gebliebenem Vortrag der Klägerin bestand die Schwangerschaft schon am 9. August 1990. Mit Schreiben vom 26. September 1990 nahm die Klägerin ihre Kündigung zurück. In dem Schreiben heißt es:
"Die von mir am 08. August 1990 eingereichte Kün-
digung basierte auf einem Irrtum meinerseits,
weshalb ich die Kündigung zurücknehme.
Zum o.g. Zeitpunkt wußte ich nicht, daß ich mich
bereits in anderen Umständen befand.
Wäre mir mein Zustand bekannt gewesen, hätte ich
keinesfalls gekündigt. Ich gehe daher davon aus,
daß das alte Arbeitsverhältnis unverändert fort-
besteht.
Eine ärztliche Bestätigung füge ich bei."
Die Beklagte verweigerte mit Schreiben vom 27. September 1990 ihre Zustimmung zur Rücknahme und bestand auf der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung.
Mit ihrer am 4. Oktober 1990 erhobenen Klage hat die Klägerin Feststellung begehrt, daß das Arbeitsverhältnis durch ihre Kündigung vom 9. August 1990 nicht aufgelöst worden sei. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft zur Anfechtung ihrer Kündigungserklärung berechtigt. Die Unkenntnis der Schwangerschaft stelle einen solchen Irrtum dar. Dieser sei für die Kündigung von ausschlaggebender Bedeutung gewesen. Hätte sie von der Schwangerschaft gewußt, hätte sie nicht gekündigt. Ihr sei bekannt, daß sie in schwangerem Zustand keine Arbeitsstelle finden werde und damit bis über den Zeitpunkt der Geburt hinaus der Möglichkeit beraubt sei, eigenen Verdienst im bisher üblichen Umfang zu erzielen.
Es gehe auch nicht um einen Irrtum über die mutterschutzrechtlichen Folgen einer Eigenkündigung; sie habe von der Schwangerschaft schlicht keine Kenntnis gehabt. Daß eine Anfechtungsmöglichkeit bestehen müsse, ergebe sich auch im Umkehrschluß aus der in § 9 Abs. 2 in Verb. mit § 5 Abs. 1 Satz 3 MuSchG normierten Pflicht des Arbeitgebers, die Aufsichtsbehörde über die Eigenkündigung der schwangeren Arbeitnehmerin zu informieren. Ansonsten wäre diese Vorschrift unverständlich bzw. überflüssig.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, ein Anfechtungsgrund sei nicht gegeben. Ein Erklärungsirrtum oder ein Irrtum über den Erklärungsinhalt schieden aus, weil die Klägerin mit der Kündigung die von ihr gewollte Erklärung abgegeben habe. Die Anfechtung sei auch nicht wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft berechtigt. Die Schwangerschaft stelle wegen ihrer nur vorübergehenden Dauer eine solche beachtliche Eigenschaft nicht dar. Ein eventueller Irrtum über die mutterschutzrechtlichen Folgen der Eigenkündigung sei ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum. Etwas anderes könne sich nur dann ergeben, wenn ein dahingehender Verzicht ausdrücklich oder stillschweigend Inhalt der Willenserklärung gewesen sei und ein Irrtum über den Inhalt des erklärten Verzichts vorliege. Streitgegenständlich scheide ein beachtlicher Inhaltsirrtum also schon deswegen aus, weil die zum Zeitpunkt der Kündigung bestehende Schwangerschaft und die sich daraus ergebenden Mutterschutzrechte nicht Gegenstand der Kündigungserklärung gewesen seien.
Ein Anfechtungsrecht könne auch nicht aus § 9 Abs. 2 MuSchG abgeleitet werden. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei, daß die Aufsichtsbehörde die schwangere Arbeitnehmerin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses berate. An der Beendigung selbst vermöge die Aufsichtsbehörde hingegen nichts zu ändern.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Die Eigenkündigung der Klägerin sei wirksam. Das Kündigungsverbot des § 9 Abs. 1 MuSchG gelte nicht für die Eigenkündigung der schwangeren Arbeitnehmerin. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers nach § 9 Abs. 2 in Verb. mit § 5 Abs. 1 Satz 3 MuSchG. Der Vorschrift könne insbesondere nicht entnommen werden, daß die Eigenkündigung erst innerhalb angemessener Zeit nach Benachrichtigung der Aufsichtsbehörde wirksam werde. Der Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergebe sich auch nicht als Schadenersatzanspruch aus einer Verletzung der Mitteilungspflicht; diese setze die Wirksamkeit der Kündigung vielmehr gerade voraus.
Die Klägerin habe die Eigenkündigung auch nicht wirksam wegen Irrtums angefochten. Ein Irrtum über die mutterschutzrechtlichen Folgen der Kündigung scheide schon deshalb aus, weil die Klägerin von der Schwangerschaft gar keine Kenntnis gehabt habe; er sei im übrigen ein unbeachtlicher Rechtsfolgenirrtum.
Ein Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft - hier der eigenen Person - könnte allenfalls in Betracht kommen, wenn der Erklärende sich z.B. bei einem Vertrag über die Erbringung persönlicher Leistungen über seine Fähigkeiten irre, diese Leistungen erbringen zu können. Die Klägerin habe aber nicht hierüber geirrt, sondern darüber, daß sie während der Schwangerschaft kaum einen neuen Arbeitsplatz finden werde. Ein solcher Irrtum sei ein unbeachtlicher Motivirrtum.
Auch wenn man aber grundsätzlich die Anwendbarkeit des § 119 Abs. 2 BGB bejahe, liege eine verkehrswesentliche Eigenschaft nicht vor. Es handele sich bei der Schwangerschaft nicht um eine solche Eigenschaft, sondern lediglich um einen vorübergehenden Zustand. Sowenig die Schwangerschaft zugunsten des Arbeitgebers bei einer Anfechtung des Arbeitsverhältnisses als verkehrswesentliche Eigenschaft angesehen werden könne, sowenig könne dies umgekehrt zugunsten der Schwangeren im Hinblick auf eine von ihr erklärte Kündigung gelten.
Für eine ausweitende Auslegung des Mutterschutzgesetzes bestehe keine Veranlassung und keine Möglichkeit. Der Gesetzgeber habe im Falle der Eigenkündigung der werdenden Mutter eine Regelung wie in § 9 Abs. 1 MuSchG für die Kündigung durch den Arbeitgeber gerade nicht in das Gesetz aufgenommen. Daraus ergebe sich, daß er den Schutz der Schwangeren vor ihren eigenen Rechtshandlungen und Erklärungen für die Zwecksetzungen des Mutterschutzes nicht in dem Maße für geboten gehalten habe, wie dies im Falle der Arbeitgeberkündigung erforderlich erschienen sei. Bei ihrer eigenen Kündigung sei die Schwangere durchaus in der Lage, sich über ihre mutterschutzrechtliche und ihre familiäre Situation, insbesondere bei bestehendem Kinderwunsch, und ihre Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt klarzuwerden. Insoweit sei es auch sozialpolitisch nicht geboten, die Eigenkündigung einer Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft nichts wisse und die aus vielerlei Motivationen heraus ihr Arbeitsverhältnis beendet habe, mit einer derartigen Anfechtungsmöglichkeit zu belasten.
B. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Die von der Revision erhobene Rüge der Verletzung materiellen Rechts ist nicht begründet.
I. 1. Die von der Klägerin mit Schreiben vom 26. September 1990 erklärte "Rücknahme" der Kündigung hat nicht zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geführt. Die Kündigung wird als einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung mit ihrem Zugang wirksam. Damit wird die mit ihr verfolgte Gestaltungswirkung unmittelbar herbeigeführt. Deshalb kann der Kündigende die Kündigung nicht einseitig zurücknehmen (vgl. schon BAG Urteil vom 21. Februar 1957 - 2 AZR 410/54 - AP Nr. 22 zu § 1 KSchG; BAGE 35, 30, 35 und BAGE 40, 56, 61 = AP Nr. 6 und Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969, jeweils zu II 2 a der Gründe; KR-Friedrich, 3. Aufl., § 4 KSchG Rz 51 ff.; Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 121). Die "Rücknahme" ist allenfalls als Angebot des Kündigenden anzusehen, entweder ein neues Arbeitsverhältnis abzuschließen oder das bisher bestehende einvernehmlich zu verlängern (vgl. BAGE 35, 30, 35 = AP, aaO, zu II 2 a der Gründe; KR-Friedrich, aaO, § 4 KSchG Rz 55). Dieses Angebot auf Abschluß eines neuen Vertrages bedarf aber der Annahme durch den Kündigungsempfänger.
Die Beklagte hat eine solche Annahme eines Angebotes auf Fortsetzung der arbeitsvertraglichen Beziehungen nicht erklärt. Sie hat mit Schreiben vom 27. September 1990 ausdrücklich die Kündigung als "rechtskräftig" bezeichnet und das Ende des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 1990 bestätigt.
2. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, eine Unwirksamkeit der Kündigung lasse sich nicht aus § 9 Abs. 2 MuSchG ableiten.
a) Gem. § 9 Abs. 2 i. Verb. m. § 5 Abs. 1 Satz 3 MuSchG hat der Arbeitgeber bei Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Schwangere selbst die Aufsichtsbehörde unverzüglich von der Kündigung zu unterrichten. Ob dies vorliegend geschehen ist, läßt sich dem Vortrag der Parteien nicht eindeutig entnehmen. Da die Beklagte erstmals mit Schreiben der Klägerin vom 26. September 1990 von der Schwangerschaft Kenntnis erlangte, könnte eine solche Unterrichtung auch erst frühestens nach diesem Zeitpunkt erfolgt sein.
aa) Eine Verletzung der Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung führt nicht zur Unwirksamkeit der Eigenkündigung. Dies hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 19. August 1982 (- 2 AZR 116/81 - AP Nr. 10 zu § 9 MuSchG 1968 mit zust. Anm. von Zmarzlik) festgestellt. Dem entspricht auch die ganz herrschende Meinung in der Literatur (vgl. etwa nur Bulla/Buchner, MuschG, 5. Aufl., § 9 Rz 203; Gröninger/Thomas, MuSchG, Stand November 1991, § 9 Rz 89; Meisel/Sowka, MuSchG, 3. Aufl., § 9 Anm. 69 b; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, MuSchG, 6. Aufl., § 9 Rz 46; Mummenhoff, SAE 1984, 58; a.A. Heilmann, MuSchG, 2. Aufl., § 9 Rz 151).
bb) Wie der Senat in seinem Urteil vom 19. August 1982 (aaO, zu B II 1 der Gründe) im einzelnen ausgeführt hat, ist eine derartige Auslegung des § 9 Abs. 2 MuSchG weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Die Rechtsfolge einer schwebend unwirksamen oder gar nichtigen Kündigung ist auch nicht im Wege einer richterlichen Rechtsfortbildung zu begründen. Eine verdeckte Regelungslücke liegt nicht vor (zu den Voraussetzungen s. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl., S. 377 ff. und S. 391 ff.). Der Gesetzgeber hat die Frage, welche Rechtsfolgen eine Kündigung der werdenden Mutter auslöst, nicht übersehen, sondern den Schutz der werdenden Mutter insoweit nur unvollkommen ausgestaltet. Diese sozialpolitische Entscheidung des Gesetzgebers ist für die Gerichte bindend (vgl. Senatsurteil vom 19. August 1982, AP, aaO, zu B II 1 b der Gründe).
cc) An dieser Rechtsprechung, die auch das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist festzuhalten. Die Revision hat keine neuen Gesichtspunkte vorgebracht. Auch verfassungsrechtliche Erwägungen helfen nicht weiter. Die werdende Mutter soll gegen unberechtigte Kündigungen durch den Arbeitgeber geschützt werden. Ein verfassungsrechtlicher Schutz vor Nachteilen, die auf eigene Rechtshandlungen zurückzuführen sind, ist weder vorgesehen noch zwingend geboten (so schon Senatsurteil vom 10. Mai 1984 - 2 AZR 112/83 -, zu II 5 der Gründe, n.v.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht auch einen Anspruch der Klägerin auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aus dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB i. Verb. m. § 9 Abs. 2 MuSchG verneint. Auch dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Senatsurteil vom 19. August 1982, aaO, zu B II 3 der Gründe). Danach ist § 9 Abs. 2 MuSchG zwar als Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB anzusehen. Da die Mitteilungspflicht aber nur dazu dient, die werdende Mutter über ihre Rechte nach der von ihr bereits bewirkten Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufzuklären, können in den Schutzbereich dieser Nebenverpflichtung auch nur solche Schäden fallen, die der Arbeitnehmerin aus der Unkenntnis ihrer Rechte nach § 10 Abs. 2 MuSchG entstehen. Die Verletzung der Mitteilungspflicht führt deswegen nicht dazu, die Arbeitnehmerin so zu stellen, als wenn sie keine Kündigung ausgesprochen hätte (Senatsurteil, aaO; so auch Bulla/ Buchner, aaO, § 9 Rz 205; Gröninger/Thomas, aaO, § 9 Rz 89; KR-Becker, 3. Aufl., § 9 MuSchG Rz 162; Meisel/Sowka, aaO, § 9 Rz 69 b).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend weiter die Voraussetzungen für eine wirksame Anfechtung der Kündigungserklärung der Klägerin wegen Irrtums verneint. Die Unkenntnis der Klägerin von ihrer Schwangerschaft stellt keinen rechtlich relevanten Irrtum dar.
1. a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen eines Inhaltsirrtums verneint.
aa) Ein solcher ist anzunehmen, wenn der äußere Erklärungstatbestand dem Willen des Erklärenden auch entspricht, dieser aber über Bedeutung oder Tragweite der Erklärung irrt (statt aller Palandt/Heinrichs, BGB, 51. Aufl., § 119 Rz 11). Die Klägerin wollte durch ihre Kündigungserklärung das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1990 beenden. Diese Rechtswirkung hat sie mit ihrer Erklärung erzielt, so daß insoweit Deckungsgleichheit vorliegt.
bb) Ein Inhaltsirrtum kann ausnahmsweise auch ein Irrtum über die Rechtsfolgen einer Willenserklärung sein, wenn diese selbst Inhalt der Willenserklärung geworden sind und dem Erklärenden über diesen Inhalt ein Irrtum unterläuft (BAG Urteil vom 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - AP Nr. 22 zu § 123 BGB, zu I 4 der Gründe). Auch diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Da die Klägerin in Unkenntnis der Schwangerschaft war, konnte ein Irrtum über die Rechtsfolgen der Kündigung - nämlich den Verlust der Mutterschutzrechte - schon dem Grunde nach nicht gegeben sein. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend gesehen. Den Einwendungen der Revision, in den Inhalt der Kündigungserklärung sei konkludent hineinzulesen die Erklärung, die Klägerin verzichte nicht auf mutterschutzrechtliche Ansprüche, sie habe also keine Erklärung abgeben wollen, die zu einem Verlust der Ansprüche führte, kann nicht beigepflichtet werden. Die Klägerin hätte sich dann nicht über die Rechtsfolgen geirrt - sie wußte, daß bei Vorliegen einer Schwangerschaft die Eigenkündigung zum Verlust der Rechte führte -, sondern über eine tatsächliche Eigenschaft der eigenen Person. Ein solcher Irrtum wäre aber kein Inhaltsirrtum, sondern allenfalls nach Maßgabe des § 119 Abs. 2 BGB einem Inhaltsirrtum gleichgestellt, wenn es sich um einen Irrtum über eine verkehrswesentliche Eigenschaft gehandelt hätte.
2. Das Berufungsgericht hat zu Recht auch die Voraussetzungen einer Anfechtung wegen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft verneint. Gem. § 119 Abs. 2 BGB gilt als Irrtum über den Inhalt der Erklärung auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.
a) Gegen einen derartigen Anfechtungsgrund spricht schon, daß die Schwangerschaft wegen ihres nur vorübergehenden Zustandes grundsätzlich keine Eigenschaft im Sinn des § 119 Abs. 2 BGB darstellt. Dies entspricht bei Begründung des Arbeitsverhältnisses der ganz herrschenden Rechtsprechung und Lehre (vgl. schon BAG Urteil vom 8. Juni 1955 - 2 AZR 14/54 - AP Nr. 2 zu § 9 MuSchG, zu III der Gründe; BAGE 59, 285, 291 f. = AP Nr. 1 zu § 8 MuSchG 1968, zu B II 2 a der Gründe; Bulla/Buchner, aaO, § 5 Rz 59; Gröninger/Thomas, aaO, § 9 Rz 52; KR-Becker, aaO, § 9 MuSchG Rz 137; Erman/Brox; BGB, 8. Aufl., § 119 Rz 45; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 119 Rz 46; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 119 Rz 47, alle m.w.N.).
aa) Richtig ist, daß der Begriff der Verkehrswesentlichkeit nicht abstrakt zu bestimmen ist, sondern auf das konkrete Rechtsgeschäft abzustellen ist (Palandt/Heinrichs, aaO, § 119 Rz 25; Soergel/Hefermehl, aaO, § 119 Rz 36; Staudinger/Dilcher, aaO, § 119 Rz 47). Dies kann aber für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu keiner anderen Beurteilung führen. Insoweit ist die Beendigung sozusagen spiegelbildlich zur Begründung zu sehen (s. etwa Bulla/Buchner, aaO, § 9 Rz 65).
bb) Die ganz herrschende Auffassung verneint denn auch die Möglichkeit der Anfechtung einer in Unkenntnis der Schwangerschaft erklärten Kündigung durch die Schwangere (so ausdrücklich das unveröffentlichte Senatsurteil vom 10. Mai 1984 - 2 AZR 112/83 -, zu II 4 der Gründe unter Berufung auf BAG Urteil vom 16. Februar 1983 - 7 AZR 134/81 - AP Nr. 22 zu § 123 BGB, s. dort unter I 4 der Gründe; Bulla/Buchner, aaO, § 9 Rz 65; Gröninger/Thomas, aaO, § 9 Rz 85; Heilmann, aaO, § 9 Rz 136; KR-Becker, aaO, § 9 MuSchG Rz 153; Meisel/Sowka, aaO, § 9 Rz 73; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 170 V 9; Stahlhacke/Preis, aaO, Rz 826; Zmarzlik/Zipperer/Viethen, aaO, § 9 Rz 47; so auch aus der älteren Rechtsprechung LAG Düsseldorf, Urteile vom 20. Dezember 1954 - 3 Sa 102/54 - sowie vom 17. Mai 1956 - 3 Sa 5/56 -, DB 1955, 268 und DB 1956, 824; a.A. vor allem Gamillscheg, Festschrift für Erich Molitor, 1962, S. 57, 80; ders. RdA 1968, 117, 118).
cc) Hieran ist festzuhalten. Selbst wenn man das Moment der "nur vorübergehenden Dauer" bezweifeln wollte - das müßte dann aber auch bei der Anfechtung durch den Arbeitgeber gelten -, sprechen hier weitere Gründe für die Unbeachtlichkeit eines solchen Irrtums. Zwar steht der Anfechtung nicht entgegen, daß es sich abweichend vom Regelfall nicht um einen Irrtum über die Person des Erklärungsgegners, sondern um einen solchen über die eigene Person handelt. Dies schließt eine Anfechtung nicht von vornherein aus (Soergel/Hefermehl, aaO, § 119 Rz 38; BGH Urteil vom 11. Juli 1968 - IX ZR 218/66 - LM Nr. 20 zu § 81 BEG 1956). Im Interesse der Rechtssicherheit dürfen jedoch grundsätzlich nur solche Eigenschaften der Person berücksichtigt werden, die von dem Erklärenden in irgendeiner Weise erkennbar der Erklärung zugrunde gelegt worden sind (vgl. Soergel/Hefermehl, aaO). Von einer verkehrswesentlichen Eigenschaft kann nur dann gesprochen werden, wenn eine Beziehung zwischen ihr und der Erklärung für den Erklärungsempfänger erkennbar ist, wenn also die Eigenschaft zwar vielleicht nicht geradezu zum Inhalt der Erklärung gemacht ist, diese aber doch in irgendeiner Weise zum Ausdruck bringt, daß es dem Erklärenden bei der von ihm gestalteten Rechtsfolge auf die Eigenschaft maßgeblich ankommt und sie den Beweggrund für seine Willenserklärung bildet (BGH, aaO).
dd) Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Frage der Schwangerschaft oder Nichtschwangerschaft spielte bei der Kündigungserklärung der Klägerin oder auch in deren Vorfeld keine Rolle. Für die Beklagte war auch nicht erkennbar, daß es der Klägerin bei der von ihr ausgesprochenen Kündigung maßgeblich auf das Fehlen einer Schwangerschaft ankam und sie nur deshalb kündigte, weil sie - irrtümlich - davon ausging, nicht schwanger zu sein. Dies konnte schon deshalb nicht der Fall sein, weil die Klägerin sich offenbar selbst insoweit vor oder bei Ausspruch der Kündigung keine Gedanken über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Schwangerschaft gemacht hatte.
ee) Die ganz allgemeine Überlegung, eine Schwangere scheide in der Regel nicht freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis aus, reicht nicht aus. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen dies anders ist, sei es, daß die Schwangere einen anderen Arbeitsplatz bereits fest in Aussicht hat, sei es, daß sie aus welchen Gründen auch immer die Belastung aus dem Arbeitsverhältnis als so groß ansieht, daß sie den Verlust der Mutterschutzrechte in Kauf nimmt. Es gilt deswegen nicht die Erfahrungsregel, die Eigenkündigung einer Arbeitnehmerin beinhalte für den Erklärungsgegner immer erkennbar die Annahme, der Kündigung liege die maßgebliche Überzeugung der Erklärenden zugrunde, zur Zeit nicht schwanger zu sein. Die Annahme einer verkehrswesentlichen Eigenschaft scheidet also auch aus diesem Grunde aus.
III. 1. Ein Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Fürsorgepflicht.
a) Der Arbeitgeber ist im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Fürsorgepflicht gehalten, auch soweit er Rechte ausübt, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Bedacht zu nehmen und unter Umständen besondere Maßnahmen zu treffen, die die Entstehung eines Schadens verhindern können (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 50, 362, 366 = AP Nr. 96 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, zu B I 1 der Gründe; BAG Urteil vom 10. März 1988 - 8 AZR 420/85 - AP Nr. 99, aaO; BAG Urteil vom 13. April 1988 - 5 AZR 537/86 - AP Nr. 100, aaO, zu 1 der Gründe; Münch Komm-Söllner, 2. Aufl., § 611 BGB Rz 381). Eine Ausprägung dieser allgemeinen Fürsorgepflicht kann die Pflicht des Arbeitgebers sein, auf Rechtsnachteile hinzuweisen - z.B. Versorgungsschäden -, die dem Arbeitnehmer bei einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses drohen (vgl. etwa BAGE 47, 169 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; BAG Urteil vom 18. September 1984 - 3 AZR 118/82 - AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen - jeweils zu Versorgungsschäden; BAG Urteil vom 10. März 1988 - 8 AZR 420/85 - AP Nr. 99 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht).
b) Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber aufgrund seiner allgemeinen Fürsorgepflicht verpflichtet ist, die Schwangere auf die mutterschutzrechtlichen Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinzuweisen (verneinend etwa Bulla/Buchner, aaO, § 9 Rz 62; Meisel/Sowka, aaO, § 9 Rz 68). Eine solche Hinweispflicht scheidet hier schon deshalb aus, weil der Beklagten - wie der Klägerin - bei der Kündigung die Schwangerschaft gar nicht bekannt war. Eine ganz allgemeine Verpflichtung in dem Sinne, eine Arbeitnehmerin auf alle theoretisch möglichen Folgen der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses hinzuweisen, kann nicht verlangt werden. Die Klägerin hat sich im übrigen auch gar nicht darüber geirrt, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Verlust eventueller Mutterschutzrechte bedeutet. Sie hat sich über das Bestehen einer Schwangerschaft geirrt bzw. gar keine Gedanken gemacht. Eine kausale Fürsorgepflichtverletzung könnte also nur darin gesehen werden, daß die Beklagte die Klägerin nicht vorsorglich darauf hingewiesen hat, sich auf eine eventuelle Schwangerschaft untersuchen zu lassen - eine eher abwegige Vorstellung.
c) Wie schließlich zu berücksichtigen bleibt, handelt es sich bei der Kündigung um eine einseitige Willenserklärung, auf deren Abgabe der Arbeitgeber - anders als bei einem Aufhebungsvertrag - keinen rechtlichen Einfluß hat. Insoweit ist auch nicht erkennbar, wo der Ansatzpunkt für eine Fürsorgepflichtverletzung liegen soll. Zu denken wäre allenfalls an Fälle, in denen die Arbeitnehmerin ihre Kündigung im Gespräch mit dem Arbeitgeber vorher ankündigt. Für einen derartigen Sachverhalt liegen aber keinerlei Anhaltspunkte vor.
2. Die Weigerung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis trotz inzwischen erlangter Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin fortzusetzen, kann entgegen der Auffassung der Revision auch nicht als treuwidrig angesehen werden. Es liegt keiner der Tatbestände vor, nach denen das Verhalten als unzulässige Rechtsausübung eingestuft werden könnte.
a) Die Beklagte hat ihre "Rechtsstellung" - nämlich die Beendigung des mit der Klägerin geschlossenen Arbeitsvertrages - nicht unredlich erworben (statt aller Palandt/Heinrichs, aaO, § 242 Rz 43). Die Beendigung ist vielmehr aufgrund einseitiger Willenserklärung der Klägerin erfolgt. Der Sachverhalt gibt nichts dafür her, daß die Beklagte die Klägerin etwa zur Kündigung provoziert hätte, um sich - was als weitere Voraussetzung für die Annahme eines Rechtsmißbrauchs zu verlangen wäre - den Belastungen eines dem Mutterschutz unterliegenden Arbeitsverhältnisses zu entziehen.
b) Es fehlen auch die Voraussetzungen eines venire contra factum proprium vor in dem Sinne, daß die Weigerung der Beklagten, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, mit ihrem früheren Verhalten in Widerspruch stünde (Palandt/Heinrichs, aaO, § 242 Rz 55 ff.). Hiervon könnte allenfalls ausgegangen werden, wenn die Beklagte in irgendeiner Weise vor Ausspruch der Kündigung zu erkennen gegeben hätte, sie werde die Klägerin an dieser für den Fall, daß sich eine bereits bestehende Schwangerschaft herausstellen sollte, nicht festhalten und die Klägerin hierauf nach Treu und Glauben vertrauen durfte. Für einen derart vertrauensbildenden Tatbestand liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.
c) Schließlich können auch nicht die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu einem anderen Ergebnis führen. Geschäftsgrundlage sind die bei Abschluß eines Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Partei oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien von dem Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (wiederum statt aller Palandt/Heinrichs, aaO, § 242 Rz 113 mit Nachweisen).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Zum einen handelte es sich nicht um einen Vertrag, sondern um ein einseitiges Rechtsgeschäft, für das die Anwendung der Regeln der Geschäftsgrundlage ohnehin zweifelhaft ist (verneinend BGH Urteil vom 20. November 1969 - III ZR 93/69 - NJW 1970, 1418, 1420; zurückhaltender BGHZ 37, 233, 241; a.A. MünchKomm-Roth, 2. Aufl., § 242 BGB Rz 521; Palandt/Heinrichs, aaO, § 242 Rz 114). Unabhängig davon ist auch nicht davon auszugehen, die Vorstellung einer nicht bestehenden Schwangerschaft sei für die Beklagte erkennbare Grundlage des Inhalts der Willenserklärung der Klägerin gewesen. Die Schwangerschaft spielte keine irgendwie hervorgehobene Rolle bei Ausspruch der Kündigung. Die ganz allgemeine Überlegung, eine Schwangere spreche wegen der damit verbundenen Nachteile eine Kündigung nicht aus, reicht für sich nicht als Geschäftsgrundlage im vorstehend genannten Sinne aus.
IV. Da die von der Klägerin ausgesprochene Kündigung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt unwirksam ist, bleibt es bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Revision ist mithin mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Rost
Dr. Bächle Dr. Wolter
Fundstellen
Haufe-Index 437882 |
BB 1991, 1286-1287 (LT1) |
BB 1992, 1286 |
BB 1992, 790-793 (LT1) |
DB 1992, 1529-1530 (LT1) |
DStR 1992, 1446-1446 (T) |
NJW 1992, 2173 |
NJW 1992, 2173-2175 (LT1) |
SteuerBriefe 1992, 458-460 (KT) |
EBE/BAG 1992, 98-101 (LT1) |
FamRZ 1992, 1072 (L) |
ARST 1992, 182-185 (LT1) |
EEK, I/110 (ST1-3) |
NZA 1992, 790 |
RdA 1992, 223 |
RzK, I 9k Nr 20 (LT1) |
AP § 119 BGB (LT1), Nr 13 |
AR-Blattei, ES 1220 Nr 96 (LT1) |
Arbeitgeber 1993, 144 (L) |
EzA § 119 BGB, Nr 16 (LT1) |
EzBAT § 53 BAT Anfechtung, Nr 1 (LT1) |