Leitsatz (amtlich)
- Ersatzmitglieder des Betriebsrates, die stellvertretend für ein zeitweilig verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied dem Betriebsrat angehört und Aufgaben eines Mitgliedes des Betriebsrates wahrgenommen haben, genießen nach Beendigung des Vertretungsfalles grundsätzlich den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG (im Anschluß an BAG AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969).
- Es bleibt unentschieden, ob der nachwirkende Kündigungsschutz für zeitweilig in den Betriebsrat nachgerückte Ersatzmitglieder auch dann eingreift, wenn dem Arbeitgeber bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung nicht bekannt ist, daß das Ersatzmitglied vor Ablauf eines Jahres stellvertretend als Mitglied des Betriebsrates amtiert hat.
Normenkette
KSchG 1969 § 15 Abs. 1 S. 2; BetrVG 1972 § 25 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.05.1977; Aktenzeichen 1 a Sa 7/77) |
ArbG Reutlingen (Urteil vom 03.02.1977; Aktenzeichen 1 Ca 493/76) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 20. Mai 1977 – 1 a Sa 7/77 – aufgehoben.
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 3. Februar 1977 – 1 Ca 493/76 – abgeändert.
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die von der Beklagten am 16. November 1976 ausgesprochene Kündigung zum 31. Dezember 1976 nicht aufgelöst worden ist und das Arbeitsverhältnis über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der im Jahr 1955 geborene Kläger wurde ab September 1972 bei der Beklagten zunächst als Kaufmann ausgebildet. Nach dem Ende seiner Ausbildung wurde er Anfang 1975 als kaufmännischer Angestellter in der Debitorenbuchhaltung der Beklagten eingesetzt. Ab 1973 gehörte der Kläger der für den Betrieb der Beklagten gewählten Jugendvertretung an. Er schied aus der Jugendvertretung vorzeitig aus, nachdem er Anfang 1975 bei der Wahl zum Betriebsrat erstes Ersatzmitglied auf der Liste der Angestellten geworden war und am 13. Mai 1975 als Ersatzmitglied an einer Betriebsratssitzung teilgenommen hatte. In der Zeit vom 15. Juni bis zum 8. Juli 1976 wurde der Kläger für ein durch eine Kur zeitweilig verhindertes Mitglied des Betriebsrates zu sechs Sitzungen des Betriebsrates hinzugezogen.
Am 8. November 1976 unterrichtete die Beklagte den Betriebsrat von ihrer Absicht, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ordentlich zum 31. Dezember 1976 zu kündigen. Zur Begründung teilte sie mit, durch den Rückgang der Außenstände seien die Aufgaben des Klägers in der Debitorenbuchhaltung auf weniger als ein Drittel ihres bisherigen Umfanges zurückgegangen. Die verbleibenden Arbeiten sollten auf andere Arbeitnehmer aufgeteilt werden. Eine Umbesetzung des Klägers sei nicht möglich, weil kein anderer Arbeitsplatz frei sei.
An der Betriebsratssitzung, in der über die beabsichtigte Kündigung des Klägers beraten wurde, nahm für das Betriebsratsmitglied M… ein vom Vorsitzenden des Betriebsrates geladenes Ersatzmitglied teil. Die Beklagte hatte Herrn M… am 25. Juni 1976 fristlos entlassen, nachdem das Arbeitsgericht Reutlingen die Zustimmung des Betriebsrates der Beklagten gemäß § 103 Abs. 2 BetrVG ersetzt hatte. Der Beschluß des Arbeitsgerichts war durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts vom 4. Oktober 1976 aufgehoben und der Antrag der Beklagten auf Ersetzung der Zustimmung zurückgewiesen worden. Die Beklagte hatte daraufhin zwar mit Schreiben vom 9. November 1976 die fristlose Kündigung zurückgenommen, aber Herrn M… unter Fortzahlung des Lohnes von der Arbeit freigestellt und ihm das Betreten des Betriebsgeländes untersagt.
Nachdem der Betriebsrat am 15. November 1976 erklärt hatte, er sehe keine Möglichkeit, der beabsichtigten Kündigung des Klägers zu widersprechen, hat die Beklagte dem Kläger durch Schreiben vom 16. November 1976 zum 31. Dezember 1976 gekündigt.
Der Kläger hat Klage auf Feststellung erhoben, daß das Arbeitsverhältnis durch die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung nicht zum 31. Dezember 1976 aufgelöst worden sei, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortbestehe. Er hält die von ihm angegriffene Kündigung aus folgenden Gründen für rechtsunwirksam: Die ordentliche Kündigung sei nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG unzulässig, weil ihm wegen seiner mehrfachen Teilnahme an Betriebsratssitzungen auch als Ersatzmitglied ein nachwirkender Kündigungsschutz zustehe. Der besondere Kündigungsschutz dürfe nicht auf ordentliche Mitglieder des Betriebsrates beschränkt werden. Auch Ersatzmitglieder sollten sich, wenn sie ihr Amt im Betriebsrat ausübten, nicht durch die Furcht vor einer etwaigen Kündigung nach ihrer Vertretungszeit behindert fühlen. Der Betriebsrat sei zudem nicht ordnungsgemäß zu seiner Kündigung gehört worden, weil Herr M… wegen des von der Beklagten erteilten Hausverbotes nicht zu der Beratung über die beabsichtigte Kündigung geladen worden sei. Die Kündigung sei auch nicht sozial gerechtfertigt, weil er sich bereit erklärt habe, auch einen schlechter bezahlten Arbeitsplatz – notfalls im gewerblichen Bereich – zu übernehmen, und die Beklagte bei der Auswahl soziale Gesichtspunkte nicht hinreichend berücksichtigt habe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, die gesetzliche Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG gewähre Ersatzmitgliedern keinen nachwirkenden Kündigungsschutz. Ein Ersatzmitglied werde auch im Falle der Vertretung nicht zum “Mitglied” des Betriebsrates. Der Gesetzgeber habe auch nicht die Gleichstellung der “Amtszeit” des Betriebsrates mit der “Mitgliedschaft” im Betriebsrat gewollt. Die Anhörung des Betriebsrates beruhe nicht auf einem von ihr veranlaßten oder zu vertretenden Mangel, weil sie das nicht geladene Betriebsratsmitglied M… nicht an der Ausübung seiner Tätigkeit im Betriebsrat gehindert habe. Eine Versetzung des Klägers auf einen anderen freien Arbeitsplatz sei nicht möglich gewesen und eine soziale Auswahl scheide mangels vergleichbarer Arbeitsplätze aus.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. November 1976 ist unzulässig, weil sie während des Zeitraumes ausgesprochen worden ist, in dem für den Kläger noch der nachwirkende Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG bestanden hat.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, Ersatzmitgliedern des Betriebsrates stünden nur während der Dauer der Verhinderung des vertretenen Mitglieds alle Schutzrechte zu, die mit der Ausübung des Betriebsratsamtes verbunden seien. Die Bestimmung des § 15 Abs. 1 KSchG finde nach Ablauf der zeitweiligen Verhinderung eines Mitglieds des Betriebsrates auf ein zur Vertretung herangezogenes Ersatzmitglied keine Anwendung. Ersatzmitglieder seien in § 15 KSchG nicht erwähnt. Der nachwirkende Kündigungsschutz beginne mit der Beendigung der Amtszeit des gesamten Betriebsrates als Institution und nicht mit dem Ausscheiden einzelner Mitglieder aus dem Betriebsrat.
Das Landesarbeitsgericht hat weiter ausgeführt, es liege auch kein Verstoß gegen § 102 BetrVG vor, der die Kündigung unwirksam mache. Die Kündigung sei durch dringende betriebliche Erfordernisse i. S. des § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt.
II. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Anwendung des § 102 BetrVG und des § 1 KSchG durch das Landesarbeitsgericht frei von Rechtsfehlern ist. Das angefochtene Urteil ist schon deswegen aufzuheben, weil das Landesarbeitsgericht dem Kläger zu Unrecht den nachwirkenden Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG versagt hat.
1. Die Auslegung des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG durch das Landesarbeitsgericht entspricht allerdings der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung. Es wird vielfach angenommen, für Ersatzmitglieder greife der nachwirkende Kündigungsschutz nicht ein, wenn sie nur vorübergehend ein verhindertes Betriebsratsmitglied nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vertreten haben und nicht endgültig für ein ausgeschiedenes Mitglied nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in den Betriebsrat nachgerückt sind (so im Ergebnis übereinstimmend: Brecht, BetrVG, § 25 Anm. 18; Dietz-Richardi, BetrVG, 5. Aufl., § 25 Anm. 33; Fitting-Auffarth-Kaiser, BetrVG, 12. Aufl., § 24 Anm. 32, § 25 Anm. 12 und § 103 Anm. 20; Galperin-Löwisch, BetrVG, 5. Aufl., § 25 Anm. 8, § 103 Anm. 23; Hueck, KSchG, 9. Aufl., § 15 Rz. 24; Kammann-Hess-Schlochauer, BetrVG, § 25 Rz. 19; Meisel, Die Mitwirkung des Betriebsrates in personellen Angelegenheiten, 4. Aufl., S. 212, 213). Diese Ansicht wird unterschiedlich begründet. Götz Hueck (aaO) und Richardi (aaO) stellen insbesondere darauf ab, das Ersatzmitglied erhalte zwar alle Rechte und Pflichten eines Betriebsratsmitgliedes, wenn es als Stellvertreter vorübergehend in den Betriebsrat einrücke. Es werde aber nicht selbst Betriebsratsmitglied, sondern die Mitgliedschaft verbleibe dem zeitweilig verhinderten und deswegen vom Ersatzmitglied vertretenen Mitglied des Betriebsrates. Der nachwirkende Kündigungsschutz knüpfe an die Stellung als Betriebsratsmitglied an, die das Ersatzmitglied gerade nicht innegehabt habe. Ergänzend wird von Götz Hueck (aaO) und tragend von den übrigen Vertretern der überwiegenden Meinung darauf verwiesen, unter Beendigung der Amtszeit i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG sei nur das Ende der Amtszeit des Betriebsrates als Kollektivorgan und nicht der persönlichen Mitgliedschaft im Betriebsrat zu verstehen. Diese Unterscheidung hat Gamillscheg (ZfA 1977, 239 [267]) veranlaßt, dem nur zur Vertretung herangezogenen Ersatzmitglied dann einen nachwirkenden Schutz zu gewähren, wenn das Ende der Amtszeit des Betriebsrates in die Zeit der Vertretung im Betriebsrat fällt (aaO).
Brecht (aaO) und Richardi (aaO) begründen ihren Standpunkt weiter damit, der Zweck des nachwirkenden Kündigungsschutzes, es den ehemaligen Amtsträgern zu ermöglichen, ohne Sorge um ihren Arbeitsplatz wieder den beruflichen Anschluß zu erlangen, treffe für Ersatzmitglieder nicht zu, die nur vorübergehend in den Betriebsrat einrückten.
Demgegenüber gewinnt im Schrifttum zunehmend die gegenteilige Auffassung an Bedeutung, auch ein Ersatzmitglied des Betriebsrates werde während einer vorübergehenden Vertretung selbst Betriebsratsmitglied i. S. des § 15 Abs. 1 KSchG. Der nachwirkende Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG erstrecke sich grundsätzlich ebenfalls auf zeitweise nachgerückte Ersatzmitglieder. Die Begriffe “Amtszeit” des Betriebsrates und “Mitgliedschaft” im Betriebsrat seien im Sinne des § 15 Abs. 1 KSchG “deckungsgleich”, und der nachwirkende Schutz beginne für Ersatzmitglieder mit der Beendigung ihrer stellvertretenden Mitgliedschaft im Betriebsrat, d. h. dem Ablauf der durch die Dauer der zeitweiligen Verhinderung befristeten “Amtszeit” (so Barwasser, AuR 1977, 74 ff.; Gnade-Kehrmann-Schneider, BetrVG, § 123 Anm. 4; Thiele, GK-BetrVG, 2. Bearbeitung 1979, § 24 Anm. 42 und § 25 Anm. 38; Grossmann-Mönch-Rohr, Bremsches Personalvertretungsgesetz 1979, § 28 Anm. 13 f., 22; ebenso ArbG Berlin, DB 1978, 115; vgl. auch Hanau, Anm. zu AR-Blattei, [D] “Betriebsverfassung IX”, Entsch. 35, der den Begriff der “Amtszeit” der Ersatzmitglieder verwendet). Teilweise wird eineAusnahme von diesem Grundsatz angenommen, wenn das Ersatzmitglied nur kurzfristig (bis zu drei Tagen) nachgerückt ist und keine aktive Amtstätigkeit innerhalb oder außerhalb einer Betriebsratssitzung ausgeübt hat (so Barwasser, aaO, S. 75 – 76) oder wenn die Betriebsratstätigkeit nur “geringfügig” und “unbedeutend” gewesen ist (so Gnade-Kehrmann-Schneider, aaO).
2. Der Senat stimmt der vom Landesarbeitsgericht abgelehnten Ansicht mit der Einschränkung zu, daß der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG für ein Ersatzmitglied, das ein zeitweilig verhindertes gewähltes Mitglied vertreten hat, nur eingreift, wenn das Ersatzmitglied während der Vertretungszeit auch tatsächlich Betriebsratsaufgaben wahrgenommen hat. Diese Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG folgt aus der Rechtsstellung der vorübergehend in den Betriebsrat nachgerückten Ersatzmitglieder und dem Zweck des nachwirkenden Kündigungsschutzes. Im einzelnen gilt folgendes:
a) Schon aus der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Kündigungsschutz der Ersatzmitglieder für die Dauer der Vertretung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969 und Urteil des Fünften Senates vom 17. Januar 1979 – 5 AZR 891/77 – [demnächst] AP Nr. 5 zu § 15 KSchG 1969) sowie zur Bedeutung des Begriffes der “Amtszeit” im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG (vgl. das zum Abdruck im Nachschlagewerk des Gerichts bestimmte Urteil des Senates vom 5. Juli 1979 – 2 AZR 521/77 –) und des § 78a BetrVG (vgl. das zum Abdruck im Nachschlagewerk des Gerichts bestimmte Urteil des Sechsten Senates vom 21. August 1979 – 6 AZR 789/77 –) ergeben sich wesentliche Anhaltspunkte dafür, wie die für den Streitfall erheblichen Fragen zu beantworten sind.
aa) Die Revisionsbeklagte würdigt die genannten Entscheidungen des Fünften Senates (AP Nr. 3 und [demnächst] AP Nr. 5 zu § 15 KSchG 1969) nicht richtig, wenn sie annimmt, den Ersatzmitgliedern sei für die Dauer ihrer Vertretung nur in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG der besondere Kündigungsschutz zugebilligt worden. Der Fünfte Senat hat in seinem Urteil vom 9. November 1977 (AP Nr. 3, aaO) ausdrücklich darauf abgestellt, Ersatzmitglieder gehörten dem Betriebsrat an, solange sie stellvertretend für ein verhindertes ordentliches Mitglied nachgerückt seien. Sie seien während der Dauer des Vertretungsfalles – d. h. ihrer “Amtszeit” – vollwertige Mitglieder des Betriebsrates. Diese Beschreibung der Rechtsstellung des Ersatzmitgliedes wird in dem Urteil vom 17. Januar 1979 ([demnächst] AP Nr. 5, aaO) bestätigt, indem betont wird, ordentliche Mitglieder würden von Ersatzmitgliedern nicht nur in einzelnen Amtsgeschäften vertreten. Die Ersatzmitglieder rückten vielmehr für die Dauer der Stellvertretung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in den Betriebsrat nach. Sie gehörten für diesen Zeitraum zum Betriebsrat.
bb) Nach der Entscheidung des erkennenden Senates vom 5. Juli 1979 (aaO), der sich der Sechste Senat in seinem Urteil vom 21. August 1979 (aaO) angeschlossen hat, ist unter der Beendigung der Amtszeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch das Ausscheiden aus dem Betriebsrat aufgrund einer Beendigung der Zugehörigkeit des einzelnen Mitglieds zum Betriebsrat zu verstehen. Wie der Sechste Senat in diesem Urteil weiter entschieden hat, endet die Mitgliedschaft eines Jugendvertreters in der Jugendvertretung nach § 61 Abs. 2 BetrVG i. V. mit den §§ 65 Abs. 1, 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG auch dann, wenn der Jugendvertreter als Ersatzmitglied des Betriebsrates für ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied herangezogen wird.
b) Der erkennende Senat schließt sich der Auffassung des Fünften Senates (aaO) an, daß ein Ersatzmitglied für die Dauer der Vertretung eines ordentlichen Mitgliedes die Rechtsstellung eines vollberechtigten Mitgliedes des Betriebsrates erwirbt.
aa) Da das Ersatzmitglied unbestritten vorübergehend in alle Rechte und Pflichten eines Betriebsratsamtes eintritt (vgl. Dietz-Richardi, aaO, § 25 Anm. 30, 33), ist nicht einzusehen, warum es nicht – wenn auch im Rahmen seiner Vertretungsfunktion – zugleich zeitweise die Stellung eines Mitglieds des Betriebsrates erlangt.
Die Begründung, das Amt als Betriebsratsmitglied verbleibe dem verhinderten ordentlichen Mitglied, ist weder zwingend noch überzeugend. Sie berücksichtigt nicht, daß die Ersatzmitgliedschaft keine persönliche Nachfolge in die Funktion des zeitweilig verhinderten gewählten Mitglieds des Betriebsrates ist (Dietz-Richardi, aaO, § 25 Anm. 31; Großmann-Mönch-Rohr, aaO, § 28 Anm. 9). Das Ersatzmitglied rückt z. B. nicht in die besonderen Ämter (Mitgliedschaft im Vorstand, in einem Betriebsausschuß, Pflicht zur Protokollführung) des vorübergehend verhinderten Mitgliedes ein (h.L., vgl. Dietz-Richardi, aaO; Galperin-Löwisch, aaO, § 25 Anm. 7). Andererseits erwirbt das Ersatzmitglied die mit der Ausübung des Betriebsratsamtes verbundenen Schutzrechte (insbes. den Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG) nicht stets erst mit dem Beginn der zeitweiligen Verhinderung des ordentlichen Mitglieds. Wenn während einer kurzen Vertretung oder zu Beginn einer längeren Vertretung eine Betriebsratssitzung anberaumt ist, genießt das Ersatzmitglied vielmehr auch schon in der erforderlichen Vorbereitungszeit den besonderen Kündigungsschutz (BAG AP Nr. 4 zu § 15 KSchG 1969).
bb) Wie diese Beispiele deutlich machen, rückt das Ersatzmitglied im Falle des § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG zwar aus Anlaß der zeitweiligen Verhinderung eines gewählten Mitglieds in den Betriebsrat nach. Das Ersatzmitglied wird aber für die Dauer der Vertretung nicht ausschließlich aus abgeleitetem Recht, sondern aufgrund des ihm als Vertreter gesetzlich übertragenen eigenständigen Amtes vorübergehend Mitglied des Betriebsrates.
Diesem Verständnis der Rechtsstellung des zeitweilig in den Betriebsrat nachgerückten Ersatzmitgliedes entspricht die Auffassung von Hanau (Anm. zu BAG, AR-Blattei, [D] “Betriebsverfassung IX”, Entsch. 35), eine kurzfristige Verhinderung des ersten Ersatzmitgliedes führe nicht zu seinem Ausscheiden aus dem Betriebsrat, sondern nur zu seiner Vertretung durch das nächste Ersatzmitglied. Das zweite Ersatzmitglied sei dann unmittelbarer Vertreter des zeitweilig verhinderten ersten Ersatzmitgliedes und nur mittelbar Vertreter des verhinderten ordentlichen Mitgliedes. Aus der Rechtsstellung des zunächst zur Vertretung berufenen ersten Ersatzmitgliedes ergibt sich allerdings weiter auch die von G. Hueck (Anm. zu BAG AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969) angenommene Folge, daß ein weiteres Ersatzmitglied dann, wenn das erste Ersatzmitglied ebenfalls für nicht unerhebliche Zeit verhindert ist, im Betriebsrat tätig zu werden, unmittelbar zur Vertretung des verhinderten ordentlichen Mitgliedes berufen ist und nicht nur für den verhinderten Vertreter eintritt. Das hat seinen Grund jedoch nicht in der fehlenden Mitgliedschaft des ersten Ersatzmitgliedes. Die “Amtszeit” des ersten Vertreters wird vielmehr beendet, wenn er nach Eintritt des Vertretungsfalles nicht nur kurzfristig verhindert ist. Das Ersatzmitglied scheidet damit wieder aus dem Betriebsrat aus und verliert den besonderen Kündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG.
cc) Auch die von der h. L. vertretene Auffassung, ein Jugendvertreter, der zugleich Ersatzmitglied des Betriebsrates ist, scheide aus der Jugendvertretung endgültig aus, wenn er als Vertreter zu einer Sitzung des Betriebsrates herangezogen werde (vgl. Fitting-Auffarth-Kaiser, aaO, § 61 Anm. 8; Kraft, GK-BetrVG, § 61 Anm. 4; Galperin-Löwisch, aaO, § 61 Anm. 8 sowie das Urteil des Sechsten Senates vom 21. August 1979, aaO; aA: Dietz-Richardi, aaO, § 61 Anm. 7) beruht auf der zutreffenden Annahme, daß das Ersatzmitglied damit zeitweise zum Mitglied des Betriebsrates (vgl. § 61 Abs. 2 BetrVG) geworden ist.
dd) Die Unterscheidung zwischen einer vollwertigen Mitgliedschaft der ordentlichen Mitglieder des Betriebsrates und einer schwächeren Vertretungsfunktion der nicht auf Dauer nachgerückten Ersatzmitglieder wäre sachlich nur dann zu rechtfertigen, wenn die Ersatzmitglieder für die Zeit der Vertretung nicht alle Rechte und Pflichten eines ordentlichen Betriebsratsmitgliedes erhalten würden. Diese Auffassung, die früher von Galperin-Siebert (BetrVG, 4. Aufl., § 25 Anm. 5) zu § 25 BetrVG 1952 vertreten worden ist, findet jedoch im Gesetz keine Stütze und ist von Galperin-Löwisch (BetrVG, 5. Aufl., § 25 Anm. 6) aufgegeben worden.
c) Die Mitgliedschaft des vorübergehend in den Betriebsrat nachgerückten Ersatzmitgliedes erlischt, wenn die zeitweilige Verhinderung des vertretenen ordentlichen Mitgliedes endet oder wenn das Ersatzmitglied seinerseits für eine nich unerhebliche Dauer verhindert ist.
Nach der vom erkennenden Senat in dem Urteil vom 5. Juli 1979 – 2 AZR 521/77 – (aaO) eingehend begründeten Auffassung greift der nachwirkende Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG in der Regel auch dann ein, wenn vor der Beendigung der Amtszeit des Betriebsrates die persönliche Mitgliedschaft einzelner Mitglieder des Betriebsrates endet. Das gilt nach der aufgrund des Gesetzeswortlautes möglichen und durch den Schutzzweck dieser Vorschrift und das Schutzbedürfnis der Ersatzmitglieder gebotenen Auslegung im Grundsatz auch dann, wenn ein vorübergehend in den Betriebsrat nachgerücktes Ersatzmitglied wieder ausscheidet, nachdem der Vertretungsfall abgeschlossen ist oder die Vertretung wegen eigener nicht nur unverhältnismäßig kurzer Verhinderung nicht mehr möglich ist. Dieser Sonderfall der Beendigung der persönlichen Mitgliedschaft wird zwar in § 24 BetrVG nicht ausdrücklich genannt. Er ist aber eine gesetzliche Folge des im § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG vorgesehenen Nachrückens der Ersatzmitglieder nur für die Dauer der Stellvertretung eines vorübergehend verhinderten ordentlichen Mitgliedes. Auch die Beendigung der befristeten Mitgliedschaft des Ersatzmitgliedes erfüllt den Tatbestand der “Beendigung der Amtszeit” im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG.
d) Den zeitweise nachgerückten Ersatzmitgliedern versagt Richardi (Dietz-Richardi, aaO, § 25 Anm. 33; ähnlich Brecht, aaO, § 25 Anm. 18) einen nachwirkenden Kündigungsschutz allgemein mit der Begründung, der besondere Schutz sei aus Überlegungen ausgedehnt worden, die für Ersatzmitglieder nicht zuträfen. Der nachwirkende Schutz solle es den ehemaligen Amtsträgern ermöglichen, ohne Sorge um ihren Arbeitsplatz wieder den beruflichen Anschluß zu erlangen.
Diese Begründung ist deswegen nicht stichhaltig, weil sie den Zweck des nachwirkenden Kündigungsschutzes nur verkürzt und unvollkommen beschreibt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfes für die Neufassung des § 15 KSchG (Anl. Bd. 146, BT-Drucks. VI/1786, S. 60) dient der nachwirkende Kündigungsschutz sowohl dem von Richardi (aaO) herausgestellten Zweck als auch zugleich dem Anliegen, für eine “Abkühlung” der während der betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeit möglicherweise aufgetretener Kontroversen mit dem Arbeitgeber zu sorgen. In dem schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung wird ganz allgemein das besondere Schutzbedürfnis der ausgeschiedenen Mitglieder des Betriebsrates gegen Kündigungen hervorgehoben (Anl. Bd. 154, zu Drucksache VI/2729 S. 15).
Den beruflichen Kontakt zu ihrem Arbeitsplatz sowie zu ihren Vorgesetzten und Mitarbeitern verlieren Mitglieder des Betriebsrates auch bei einer längeren Amtstätigkeit allenfalls dann, wenn sie ganz oder weitgehend von der Arbeit freigestellt werden. Dieser Anlaß für die Gewährung eines nachwirkenden Kündigungsschutzes ist demgemäß nicht in allen Fällen der Beendigung der Mitgliedschaft gegeben. Demgegenüber ist die Erwägung, daß nach der Beendigung einer Betriebsratstätigkeit eine “Abkühlungsphase” im Verhältnis zwischen dem ausgeschiedenen Mitglied des Betriebsrates und dem Arbeitgeber eintreten soll, nicht nur für zurückgetretene ordentliche Mitglieder (vgl. dazu das Urteil des Senates vom 5. Juli 1979 – 2 AZR 521/77 – aaO), sondern auch für zeitweilig nachgerückte Ersatzmitglieder von erheblicher Bedeutung. Für die Ersatzmitglieder ist während ihrer Vertretungszeit eine Interessenkollision zwischen den von ihnen zu vertetenden Belangen der Belegschaft und denen des Arbeitgebers ebenso möglich wie für die ordentlichen Mitglieder des Betriebsrates, wenn sie an Betriebsratssitzungen teilnehmen oder wenn sie sich außerhalb von Sitzungen z. B. mit Beschwerden von Arbeitnehmern befassen. Da die Ersatzmitglieder den vollen Sonderkündigungsschutz des § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG nur haben, solange sie als Vertreter im Betriebsrat mitwirken, bedürfen sie eines nachwirkenden Schutzes sogar noch dringender als die ordentlichen Mitglieder, die – sofern sie nicht vorzeitig ausscheiden – für die gesamte Dauer der Amtszeit des Betriebsrates als Gremium gegen ordentliche und gegen außerordentliche Kündigungen, die ohne Zustimmung des Betriebsrates bzw. ohne gerichtliche Ersetzung der Zustimmung vom Arbeitgeber ausgesprochen werden, geschützt sind. Die erforderliche Unabhängigkeit der Ersatzmitglieder wäre nicht gesichert, wenn sie damit rechnen müßten, sogleich nach Beendigung ihrer “Amtszeit” z. B. bei betriebsbedingten Kündigungen herausgegriffen zu werden, falls sie sich durch die Ausübung ihres Amtes beim Arbeitgeber oder anderen Arbeitnehmern “unbeliebt” gemacht haben. Ohne nachwirkenden Schutz könnten die Ersatzmitglieder ihr Amt nicht frei und ohne Sorge um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses ausüben. Sie stünden vielmehr in der Versuchung, sich während der Zeit ihrer Vertretung möglichst zurückzuhalten und bei Entscheidungen, denen sie sich nicht entziehen können, nicht ihrer Überzeugung, sondern taktischen Überlegungen zu folgen (vgl. Barwasser, AuR 1977, 74 [75]).
Die besondere Schutzbedürftigkeit der vorübergehend in den Betriebsrat nachgerückten Ersatzmitglieder würde im übrigen eine Gleichstellung mit den übrigen, aus anderen Gründen ausscheidenden Mitgliedern des Betriebsrates auch dann rechtfertigen, wenn sie aus den abgelehnten formaljuristischen Gründen während ihrer Amtszeit nicht zu vollwertigen Mitgliedern des Betriebsrates würden (vgl. ArbG Berlin, DB 1978, 115).
e) Die für die Gewährung des nachwirkenden Kündigungsschutzes maßgebenden Gründe bestimmen zugleich die sich aus dem Schutzzweck ergebenden Einschränkungen. Der besondere Kündigungsschutz für die Dauer der Vertretung beginnt für ein Ersatzmitglied spätestens mit der Arbeitsaufnahme an dem Tage, an dem das ordentliche Mitglied erstmals verhindert ist (Urteil des Fünften Senates vom 17. Januar 1979 – 5 AZR 891/77 – aaO). Der Schutz nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG hängt nicht davon ab, ob die Ersatzmitglieder bereits tatsächlich Geschäfte eines Betriebsratsmitgliedes wahrgenommen haben, weil er an die Dauer der Mitgliedschaft im Betriebsrat anknüpft und auch die Arbeitsfähigkeit eines vollzähligen Betriebsrates sicherstellen soll (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 15 KSchG 1969; Dietz-Richardi, aaO, § 25 Anm. 3). Anders als beim Kündigungsschutz für die Dauer des Vertretungsfalles genügt es für den nachwirkenden Kündigungsschutz des Ersatzmitgliedes jedoch nicht, wenn es zwar kurzfristig oder auch für einen “gewissen Zeitraum” (vgl. Dietz-Richardi, aaO, § 25 Anm. 7) zur Vertretung eines verhinderten Mitgliedes “berufen” war, aber in der Vertretungszeit keine konkreten Vertretungsaufgaben angefallen sind. Da der nachwirkende Kündigungsschutz die unabhängige, pflichtgemäße Ausübung des Amtes eines Betriebsrates gewährleisten soll, bedarf es keiner “Abkühlungsphase”, wenn das Ersatzmitglied weder an Sitzungen des Betriebsrates teilgenommen noch andere Betriebsratstätigkeiten ausgeübt hat und deswegen vor einer möglichen Interessenkollision bewahrt worden ist.
Diese Einschränkung ist allerdings nur dann geboten, wenn das Ersatzmitglied während der Vertretung überhaupt keine Aufgaben eines ordentlichen Betriebsratsmitgliedes wahrgenommen hat. Sachlich nicht gerechtfertigt und nicht hinreichend eindeutig und bestimmt wäre eine Abgrenzung, die darauf abstellt, ob das Ersatzmitglied “wesentliche” und “wichtige” oder nur “geringfügige” und “unbedeutende” Betriebsratstätigkeiten ausgeführt hat (so allerdings Gnade-Kehrmann-Schneider, aaO, § 123 Anm. 4). Abzulehnen ist gleichfalls die Ansicht, auch das Ersatzmitglied, das während einer “längeren Vertretungszeit” von mehreren Wochen oder Monaten passiv geblieben sei, müsse den nachwirkenden Kündigungsschutz ebenso genießen, wie ein vergleichbares ordentliches Mitglied am Ende seiner Amtszeit (so Barwasser, aaO, S. 74 [76]). Die Dauer der Vertretung ist für die Gewährung und Begrenzung des nachwirkenden Schutzes ein ebenso ungeeignetes Merkmal wie die sachliche Bedeutung der Vertretungstätigkeit. Die befürwortete Gleichstellung mit einem “passiv” gebliebenen ordentlichen Mitglied des Betriebsrates geht von dem für eine Erweiterung ungeeigneten Ausnahmefall aus, daß ein ordentliches Mitglied, das dem Betriebsrat während der gesamten Amtszeit angehört hat, weder an Betriebsratssitzungen teilgenommen noch andere Aufgaben des Betriebsrates erledigt hat.
f) Der nachwirkende Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder beginnt nach der Beendigung der Mitgliedschaft im Betriebsrat. Er ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG für ehemalige Mitglieder des Betriebsrates auf ein Jahr befristet. Die Dauer des nachwirkenden Kündigungsschutzes ist für vorübergehend amtierende Ersatzmitglieder nicht in entsprechender Anwendung der Regelungen für Mitglieder der Bordvertretung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG) und des Wahlvorstandes sowie der Wahlbewerber (§ 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG) auf weniger als ein Jahr zu verkürzen. Der Senat hat zwar in dem Urteil vom 5. Juli 1979 (aaO) erwogen, ob eine teleologische Restriktion des § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG dann in Betracht zu ziehen ist, wenn ein Mitglied des Betriebsrates sein Amt niederlegt, bevor es dem Betriebsrat länger als ein Jahr angehört hat. Die Überlegung, zwischen der Dauer der Amtszeit und dem Zeitraum des nachwirkenden Schutzes solle nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ein angemessenes Verhältnis bestehen, rechtfertigt aber bei Ersatzmitgliedern keine Verkürzung des Nachwirkungszeitraumes. Bei den Mitgliedern des Betriebsrates, die nach § 24 Abs. 1 BetrVG vorzeitig endgültig ausscheiden, steht die Dauer ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat fest. Demgegenüber scheidet das nur für ein zeitweilig verhindertes Mitglied nachgerückte Ersatzmitglied nur zunächst bis zum jederzeit möglichen Eintritt eines weiteren Vertretungsfalles aus dem Betriebsrat aus. Sein Verhältnis zum Betriebsrat als ein zur Vertretung zeitweilig verhinderter oder zur Ersetzung ausgeschiedener Mitglieder berufenes Ersatzmitglied dauert bis zum Ende der Amtszeit des Betriebsrates an.
Der verlängerte Kündigungsschutz wirkt sich bei Ersatzmitgliedern damit im Ergebnis nicht nur als persönlicher Vorteil, sondern zugleich auch als Sicherung der Arbeitsfähigkeit eines vollzähligen Betriebsrates aus. Diese Wirkung ist allerdings nicht die unmittelbare Zielsetzung des nachwirkenden Schutzes. Sie schließt jedoch zwingende Gründe für eine von der gesetzlichen Jahresfrist abweichende Begrenzung des nachwirkenden Schutzes für Ersatzmitglieder aus. Zu berücksichtigen ist auch, daß Mitglieder des Wahlvorstandes, die in der Regel kurzfristiger als zur Vertretung herangezogene Ersatzmitglieder tatsächlich Aufgaben nach dem BetrVG wahrnehmen werden (vgl. § 18 BetrVG), und bei denen die Möglichkeit eines Widerstreites mit den Interessen des Arbeitgebers weit geringer ist als bei amtierenden Ersatzmitgliedern, immerhin schon einen nachwirkenden Schutz für sechs Monate genießen. Es wäre nicht gerechtfertigt, die schutzbedürftigeren Ersatzmitglieder hinsichtlich des nachwirkenden Kündigungsschutzes den Mitgliedern des Wahlvorstandes gleichzustellen. Bei einer Verkürzung der Dauer des verlängerten Schutzes müßten zudem die im Einzelfall unterschiedlich langen Vertretungszeiten der Ersatzmitglieder angemessen beachtet werden. Für eine fallgerechte, differenzierende Staffelung der Dauer des nachwirkenden Schutzes bietet § 15 KSchG jedoch keine Grundlage. Es muß vielmehr auch für vorübergehend in den Betriebsrat nachgerückte Ersatzmitglieder bei der Jahresfrist des § 15 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verbleiben.
g) Wie der Revisionsbeklagten zuzugeben ist, kann es im Einzelfall vor der beabsichtigten Kündigung eines Ersatzmitgliedes des Betriebsrates für den Arbeitgeber schwierig zu ermitteln sein, wann und für welche Dauer das Ersatzmitglied zuletzt als Vertreter im Betriebsrat amtiert hat. Diese möglichen Schwierigkeiten rechtfertigen es jedoch nicht, den nachwirkenden Kündigungsschutz für Ersatzmitglieder auszuschließen oder auf bestimmte Fallgruppen zu beschränken.
aa) Nach den überzeugenden Hinweisen, die der Fünfte Senat in seinem Urteil vom 17. Januar 1979 (5 AZR 891/77, aaO) erteilt hat, ist es für den Arbeitgeber leicht festzustellen, ob und wann ein Ersatzmitglied ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied in der Sitzung des Betriebsrates vertreten hat. Der Betriebsratsvorsitzende hat den Arbeitgeber von der Ladung des Ersatzmitgliedes zu einer Sitzung zu unterrichten. Da das Ersatzmitglied verpflichtet ist, die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu wahren, soll zudem auch das zur Vertretung herangezogene Ersatzmitglied den Arbeitgeber benachrichtigen, wann es zu einer Betriebsratssitzung geladen wird.
Diese Pflicht trifft das Ersatzmitglied auch und gerade dann, wenn es außerhalb von Sitzungen als Vertreter des verhinderten ordentlichen Mitgliedes tätig wird, weil dann eine Informationspflicht des Betriebsratsvorsitzenden nach § 30 BetrVG nicht besteht. Da das Ersatzmitglied bei einem Streit über den Erwerb des besonderen Kündigungsschutzes nach § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG und den sich daran anschließen den nachwirkenden Schutz darlegen und beweisen muß, daß es zeitweilig als Betriebsratsmitglied amtiert hat, liegt es zugleich in seinem eigenen Interesse, dem Arbeitgeber alle nicht durch ein Protokoll über Betriebsratssitzungen (§ 34 BetrVG) nachzuweisenden Amtshandlungen für ein verhindertes Mitglied unverzüglich zu melden. Dadurch wird dem Arbeitgeber auch die von der Revisionsbeklagten für erforderlich erachtete Prüfung ermöglicht, ob tatsächlich ein Vertretungsfall vorgelegen hat, d. h. ob das vertretene Mitglied des Betriebsrates wirklich zeitweise verhindert war, oder ob es tatsächlich und rechtlich in der Lage war, sein Amt auszuüben und darauf aus unbeachtlichen Gründen verzichtet hat (vgl. Dietz-Richardi, aaO, § 25 Anm. 10; Thiele, GK-BetrVG, § 25 Anm. 13, 17).
bb) Zweifelhaft, aber im Streitfall nicht entscheidungserheblich kann nur sein, ob das Ersatzmitglied sich auch dann auf den nachwirkenden Kündigungsschutz berufen kann, wenn dem Arbeitgeber die Vertretung im Betriebsrat oder ihr Zeitpunkt nicht bekannt war, weil sowohl der Vorsitzende des Betriebsrats als auch das nachgerückte Ersatzmitglied die entsprechenden Mitteilungen zunächst unterlassen hatten und erst nach Ausspruch der Kündigung nachgeholt haben. Es ist zu erwägen, ob der besondere Kündigungsschutz in diesen Fällen nur dann nicht eingreift, wenn das Verhalten des Ersatzmitgliedes als Rechtsmißbrauch zu werten ist, oder ob de dem Arbeitgeber unbekannte nachwirkende Kündigungsschutz nur erhalten bleibt, wenn er vom Arbeitnehmer zumindest innerhalb einer angemessenen Frist nach Zugang der Kündigung geltend gemacht worden ist (vgl. BAG AP Nr. 3 zu § 12 SchwbG; die Entscheidung ist auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).
Nach welchen Grundsätzen die dem Arbeitgeber unbekannte Vertretung des Ersatzmitgliedes im Betriebsrat zu beurteiler ist, bedarf vorliegend keiner Entscheidung, weil im Streitfall davon auszugehen ist, daß der Beklagten die Vertretung des durch eine Kur verhinderten ordentlichen Mitgliedes durch den Kläger vom 15. Juni bis zum 8. Juli 1976 von Anfang an bekannt war (vgl. unten zu III 2).
III. Für den Streitfall ergibt sich aus diesen Grundsätzen, daß die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. November 1976 nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG unzulässig ist.
1. Der Kläger ist zwar noch nicht durch seine Kandidatur zum Betriebsrat, wohl aber durch die Heranziehung zu einer Sitzung des Betriebsrates im Mai 1975 nach § 65 Abs. 1 i. Verb. mit § 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG als Mitglied der Jugendvertretung ausgeschieden (vgl. das Urteil des Sechsten Senates vom 21. August 1979, aaO). Auch der nachwirkende Kündigungsschutz als ehemaliges Mitglied der Jugendvertretung (§ 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG) war bereits beendet, als die Beklagte die vom Kläger angegriffene ordentliche Kündigung ausgesprochen hat. Zu diesem Zeitpunkt (16. November 1976) ist der Kläger jedoch gegen ordentliche Kündigungen nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG deswegen geschützt gewesen, weil er zuletzt am 8. Juli 1976 als Ersatzmitglied an einer Sitzung des Betriebsrates mitgewirkt hatte.
2. Der Kläger hat sich zwar erst im Berufungsverfahren darauf berufen, er sei innerhalb des letzten Jahres vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung mehrfach durch Vertretung eines zeitweilig verhinderten ordentlichen Mitgliedes in den Betriebsrat nachgerückt. Er hat den nachwirkenden Kündigungsschutz aber nicht wegen verspäteter Geltendmachung verloren. Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers nicht mit Nichtwissen bestritten, sondern die zunächst allgemeinen und ungenauen Angaben des Klägers über den Umfang seiner Vertretung im Betriebsrat sofort mit konkreten Daten eingegrenzt und klargestellt. Da die Beklagte nicht vorgetragen hat, die Betriebsratstätigkeit des Klägers sei ihr erst durch spätere Ermittlungen bekannt geworden, fehlen im Streitfall Anhaltspunkte dafür, daß die tatsächlichen Voraussetzungen des zugunsten des Klägers eingreifenden Kündigungsschutzes von der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung noch nicht festgestellt werden konnten.
3. Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG unzulässig, weil sie weder nach dem Inhalt des Kündigungsschreibens, noch nach dem Vortrag der Beklagten als eine von der Beklagten gewollte und dem Kläger erkennbare außerordentliche Kündigung mit einer der gesetzlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist auszulegen ist (vgl. BAG 1, 237 [238] = AP Nr. 1 zu § 123 GewO).
IV. Unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und der Vorentscheidung des Arbeitsgerichts war aus den genannten Gründen der Feststellungsklage des Klägers mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO stattzugeben.
Unterschriften
Hillebrecht, Dr. Gehring, Triebfürst, Fritz Zeilinger, Dr. Börner
Fundstellen