Entscheidungsstichwort (Thema)
Absoluter Revisionsgrund. Unterbrechung des Verfahrens
Leitsatz (redaktionell)
- Die Unterbrechung des Verfahrens infolge Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen der gegnerischen Partei steht der Wirksamkeit einer Revisionseinlegung nicht entgegen.
- Ist das Verfahren unterbrochen, darf ein Urteil auch nicht zugunsten der nicht vertretenen Partei ergehen.
Normenkette
ZPO §§ 240, 249 Abs. 2, § 547 Nr. 4
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 11.05.2006; Aktenzeichen 8 Sa 720/05) |
ArbG Chemnitz (Urteil vom 13.07.2005; Aktenzeichen 2 Ca 1002/05) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Mai 2006 – 8 Sa 720/05 – einschließlich des Verfahrens ab dem 17. März 2006 aufgehoben.
- Die Sache wird an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, dem die Entscheidung über die Kosten der Revision vorbehalten bleibt.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger stand vom 1. Januar bis Mitte März 2005 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Er verlangt Vergütung für den Monat Januar 2005. Die Parteien haben darüber gestritten, ob die Voraussetzungen eines Annahmeverzugs vorlagen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.500,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2005 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie auf die mündliche Verhandlung vom 11. Mai 2006 durch Urteil vom selben Tage abgewiesen. Zuvor war am 17. März 2006 über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision ist zulässig.
§ 249 Abs. 2 ZPO steht der Wirksamkeit der Revisionseinlegung nicht entgegen. Zwar ist das gerichtliche Verfahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen. Die Revision ist aber nicht “der anderen Partei gegenüber” vorzunehmen und stellt auch keine “in Ansehung der Hauptsache vorgenommene Rechtshandlung” dar, sondern soll lediglich die Unterbrechung des Verfahrens zur Geltung bringen (vgl. BAG 24. Januar 2001 – 5 AZR 228/00 – ZInsO 2001, 727, zu I 1 der Gründe mwN).
Der Kläger kann die Rechtsfolge der Unterbrechung des Verfahrens gegen die Schuldnerin, die insoweit selbst prozessführungsbefugt bleibt, geltend machen (vgl. BGH 21. Juni 1995 – VIII ZR 224/94 – AP ZPO § 240 Nr. 4). Der Insolvenzverwalter kann für die Schuldnerin als deren Rechtsnachfolger auftreten (vgl. BAG 24. Januar 2001 – 5 AZR 228/00 – ZinsO 2001, 727, zu I 2 der Gründe; BGH 16. Januar 1997 – IX ZR 220/96 – NJW 1997, 1445, zu B II 1 der Gründe).
II. Die Revision ist begründet.
Der Kläger beruft sich zu Recht auf den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO. Da über das Vermögen der Beklagten am 17. März 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, war das Verfahren gem. § 240 ZPO unterbrochen. Das Berufungsurteil vom 11. Mai 2006 hätte nicht ergehen dürfen. Es ist zugunsten einer Partei ergangen, die nicht nach der Vorschrift des Gesetzes vertreten war, und deshalb ohne Sachprüfung einschließlich des Verfahrens ab dem 17. März 2006 aufzuheben (§ 562 Abs. 1 und 2 ZPO). Auf eine Kenntnis des Gerichts vom Unterbrechungsgrund kommt es nicht an (vgl. BAG 24. Januar 2001 – 5 AZR 228/00 – ZInsO 2001, 727, zu II und III der Gründe; BGH 21. Juni 1995 – VIII ZR 224/94 – AP ZPO § 240 Nr. 4; BGH 16. Januar 1997 – IX ZR 220/96 – NJW 1997, 1445, zu C der Gründe).
Unterschriften
Müller-Glöge, Mikosch, Linck R. Rehwald, Feldmeier
Fundstellen
Haufe-Index 1672614 |
AnwBl 2007, 84 |