Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer pädagogischen Unterrichtshilfe (Berlin). Teilweise Parallele zu Senatsurteil 8. August 2002 – 8 AZR 647/00 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen. Eingruppierung einer pädagogischen Unterrichtshilfe als Lehrkraft im Land Berlin. Anspruch auf Abschluß einer Vergütungsvereinbarung. Eingruppierung Lehrer
Orientierungssatz
Der auf § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O iVm. Nr. 3a Unterabs. 2 SR 2 I I BAT-O iVm. der 2. BesÜV gestützte Anspruch einer Lehrkraft auf Abschluß einer Vergütungsvereinbarung (BAG 8. August 1996 – 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46) ist mit dem Außerkrafttreten der 2. BesÜV seit dem 1. Juli 1995 entfallen. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O reicht für die Annahme eines Kontrahierungszwangs nicht aus.
Normenkette
BAT-O §§ 22, 23 Lehrer; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991 § 2; Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991; Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I I BAT-O) Nr. 3a
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 10. August 2000 – 10 Sa 923/00 – aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 22. Februar 2000 – 91 Ca 27688/99 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land der als pädagogischen Unterrichtshilfe beschäftigten Klägerin für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis 28. Februar 1997 Vergütungsdifferenzen zur geltend gemachten Vergütungsgruppe IVb BAT-O zu zahlen hat.
Die Klägerin ist ausgebildete Kindergärtnerin. Seit dem 1. Mai 1992 wurde sie von dem beklagten Land als pädagogische Unterrichtshilfe an einer Sonderschule in H… in Klassen für geistig Behinderte beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Die Klägerin wurde in dem hier maßgeblichen Zeitraum nach VergGr. Vb BAT-O bzw. nach VergGr. Vc BAT-O vergütet.
Grundprinzip des Unterrichts an Schulen für geistig Behinderte in Berlin ist die lebenspraktische Erziehung. Den Schülern sollen Fertigkeiten vermittelt werden, die sie zur Selbständigkeit und zur sozialen Integration führen. Der Unterricht findet von montags bis freitags statt und umfaßt 35 Zeitstunden. Bestandteil des Unterrichts ist ua. die Vorbereitung, Einnahme und Nachbereitung von Mahlzeiten. Neben den pädagogischen Unterrichtshilfen sind an der Sonderschule Sonderschullehrer und Betreuerinnen tätig. Der Sonderschullehrer erteilt im Jahresdurchschnitt 24,5 Stunden/Woche Unterricht. Ihm steht zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts ein Kontingent von 15 Stunden/Woche zur Verfügung. Den pädagogischen Unterrichtshilfen werden für die Vor- und Nachbereitung ihrer Tätigkeit insgesamt 7,5 Stunden/Woche zugebilligt.
Im Kalenderjahr 1996 erfolgte rückwirkend zum 1. Juli 1995 eine Neuregelung der Vergütung ua. für pädagogische Unterrichtshilfen und für Lehrer an Sonderschulen. Die im Rundschreiben II Nr. 65/1996 vom 20. September 1996 in Bezug genommenen und dem Rundschreiben beigefügten Lehrerrichtlinien enthalten ua. folgende Eingruppierungsregelung:
“…
8. Jugendleiterinnen mit staatlicher Prüfung, Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung oder Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung 34)
…
in der Tätigkeit von Lehrern an Sonderschulen oder als pädagogische Unterrichtshilfen |
IVb |
nach mindestens achtjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe 22) |
IVa. |
”
Wieder eingefügt wurde eine Fußnote 34, die nunmehr lautet:
“Erzieher(innen), Kindergärtnerinnen, Hortnerinnen mit staatlicher Anerkennung als Erzieher oder mit staatlicher Prüfung als Kindergärtnerin/Hortnerin sowie Angestellte in der Tätigkeit von Erziehern mit abgeschlossener mindestens gleichwertiger Fachausbildung, werden nach diesem Tätigkeitsmerkmal eingruppierungsmäßig behandelt, wenn sie am 1. August 1971 die in dem Tätigkeitsmerkmal geforderte Tätigkeit ausübten oder ihnen bis zum 31. Oktober 1992 diese Tätigkeit übertragen wurde.”
Bei einigen Vergütungsgruppen, die Merkmale für pädagogische Unterrichtshilfen enthalten, ist in den Lehrerrichtlinien zusätzlich eine Fußnote 23 angefügt worden. Sie lautet:
“Pädagogische Unterrichtshilfen sind Lehrkräfte, die zeitlich mindestens zur Hälfte der mit ihnen vereinbarten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit Unterricht erteilen und unter Umständen auch eine Klasse leiten, aber stets unter der übergreifenden Verantwortung einer für das Lehramt an Sonderschulen ausgebildeten Lehrkraft.”
Mit Rundschreiben II Nr. 92/1996 vom 18. Dezember 1996 wurde erstmals darauf hingewiesen, daß in dem vorangegangenen Rundschreiben versehentlich auf die Wiedereinführung der Fußnote 34 nicht aufmerksam gemacht worden ist. Spätestens durch eine Anfang September 1997 stattfindende Versammlung für pädagogische Unterrichtshilfen erfuhr die Klägerin, daß die Möglichkeit einer Höhergruppierung in die VergGr. IVb BAT-O bestand. Mit Schreiben vom 12. August 1997 machte die Klägerin die Höhergruppierung in die VergGr. IVb BAT-O ab dem 1. Juli 1995 schriftlich geltend.
Das beklagte Land antwortete mit Schreiben vom 6. November 1997:
“…
Sehr geehrte Frau L…,
…
Auf Sie ist die Tätigkeit einer pädagogischen Unterrichtshilfe somit bis zum 31.10.1992 übertragen worden. Auf Sie findet demnach die Fußnote 34 und damit das Tätigkeitsmerkmal nach Abschnitt B Buchstabe c Nr. 8 LehrerRL Anwendung, und zwar mit Inkrafttreten der neuen Lehrerrichtlinien zum 01.07.1995.
Sie sind demnach ab dem 01.07.1995 nach gr. IVb BAT-O eingruppierungsmäßig zu behandeln. Die Vergütung ist allerdings unter Beachtung der Ausschlußfrist nach § 70 BAT-O zu zahlen. Mit Schreiben vom 12.08.1997 (Eingang: 18.08.1997) machten Sie ihren Anspruch geltend, somit erfolgt die Aufnahme der Zahlung nach gr. IVb BAT-O rückwirkend zum 01.03.1997.
Auf die achtjährige Bewährungszeit nach gr. IVa BAT-O kann – bei Erfüllung der üblichen Voraussetzungen – die Tätigkeit ab 01.05.1992 angerechnet werden.”
Mit ihrer bei Gericht am 30. März 1998 eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Vergütungsdifferenzen zur VergGr. IVb BAT-O auch für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis zum 28. Februar 1997.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie sei Lehrkraft im Sinne der Lehrerrichtlinien des Landes Berlin, sie erteile zu mehr als 50 % ihrer Arbeitszeit Unterricht. Im Gegensatz zu den pädagogischen Unterrichtshilfen in Sachsen und Brandenburg sei sie einer Klasse fest zugeteilt und nähme auch die selbständige Durchführung von Unterricht nach Absprache mit dem Lehrer vor. Eigenverantwortlicher Unterricht könne von einer pädagogischen Unterrichtshilfe auch unter der übergreifenden Verantwortung eines Lehrers erteilt werden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr für den Zeitraum vom 1. Juli 1995 bis zum 30. September 1995 den aufgelaufenen Nettodifferenzbetrag zwischen den VergGr. IVb und Vc BAT-O und für den Zeitraum vom 1. Oktober 1995 bis 28. Februar 1997 den aufgelaufenen Nettodifferenzbetrag zwischen der VergGr. IVb und Vb BAT-O nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise,
das beklagte Land zu verurteilen, ihr ein Angebot auf Regelung der Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O für die Zeit ab 1. Juli 1995 bis 28. Februar 1997 zu machen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Rechtsansicht vertreten, pädagogische Unterrichtshilfen seien nicht als Lehrkräfte zu qualifizieren. Die pädagogische Unterrichtshilfe betreue die Kinder, erteile aber nicht eigenständigen, eigenverantwortlichen Unterricht. Verantwortung und Konzeption des Unterrichts liege bei den Sonderschullehrern. Von diesen werde die pädagogische Verantwortung getragen. Die pädagogischen Unterrichtshilfen würden nur nach Absprache mit den Lehrern tätig. Etwaige Unterrichtstätigkeiten gäben der Arbeit der pädagogischen Unterrichtshilfen nicht das Gepräge. Im übrigen sei von der Klägerin nicht zu mehr als der Hälfte ihrer Arbeitszeit eigenverantwortlicher Unterricht erteilt worden.
Etwaige Ansprüche der Klägerin seien verjährt. Zudem seien die Ansprüche gem. § 70 BAT-O verfallen. Die Klägerin hätte seit dem Eingang des Rundschreibens II Nr. 65/1996 in der Schule die Möglichkeit gehabt, von den geänderten Richtlinien Kenntnis zu nehmen. Die Berufung des beklagten Landes auf die Verfallsfrist sei auch nicht treuwidrig, denn es sei nicht verpflichtet gewesen, jedem Lehrer eine Änderung der Lehrerrichtlinien bekanntzumachen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprechend dem Hauptantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes im übrigen teilweise abgeändert und das beklagte Land entsprechend dem Hilfsantrag verurteilt. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land sein Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zu Unrecht entsprechend dem Hilfsantrag verurteilt, der Klägerin das beantragte Angebot zu unterbreiten.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Hauptantrag unbegründet, der Hilfsantrag jedoch begründet sei. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen für eine Vergütung nach VergGr. IVb BAT-O iVm. Teil B Abschn. c Nr. 8 sowie Fußnote 34 der Lehrerrichtlinien. Insbesondere sei die Klägerin Lehrkraft iSv. § 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O, der Sonderregelung SR 2 I I und der Vorbemerkung Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen des BAT. Maßgeblich für den Begriff der “Lehrkraft” sei die Frage, ob die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten der Tätigkeit der Angestellten das Gepräge gebe. Dies sei dann der Fall, wenn sie für die Tätigkeit maßgeblich seien und die unmittelbare Unterrichtstätigkeit mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit der Angestellten in Anspruch nähme. Nach § 3 des Schulverfassungsgesetzes des Landes Berlin sowie Fußnote 23 zum Teil B Abschn. c der Berliner Lehrerrichtlinien sei die Klägerin als Lehrkraft zu qualifizieren. Die Bundesländer seien bezüglich der rechtlichen Regelung der Verhältnisse an ihren Schulen autonom. Sie könnten dabei unter Beachtung der sonstigen maßgeblichen Vorschriften Regeln aufstellen über die Rechtsverhältnisse der bei ihnen tätigen Lehrkräfte, und zwar in Abgrenzung zu anderen an der Schule tätigen Beschäftigten, wie etwa Betreuern. Die diesbezüglichen landesrechtlichen Regelungen in Sachsen und Brandenburg unterschieden sich von den Vorschriften im Lande Berlin.
Allerdings stehe der Klägerin der Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. IVb BAT-O nicht unmittelbar zu. Auch nach dem Außerkrafttreten der Zweiten BesÜV habe sich ergeben, daß eine Eingruppierung nur durch eine arbeitsvertragliche Vereinbarung unter entsprechender Heranziehung der Richtlinien erfolgen könne. Da Vergütungserlaß und Rundschreiben alleine verwaltungsinterne Bedeutung besäßen, seien sie im Einzelfall nur dann relevant, wenn sie Gegenstand des Arbeitsvertrages geworden seien. Dies erfordere eine eindeutige, den Erfordernissen des bürgerlichen Rechts entsprechende zivilrechtliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts treffe das beklagte Land eine tarifvertragliche Verpflichtung auf Abgabe eines eindeutigen Angebots. Das Schreiben des beklagten Landes vom 6. November 1997 sei indessen nicht als rechtsgeschäftliche Erklärung, sondern als bloße Wissenserklärung zu qualifizieren. Die für einen Erfolg im Hauptantrag notwendige Änderung der vertraglichen Beziehungen der Parteien sei nicht erfolgt. Der Klägerin stehe aber ein Anspruch auf Vereinbarung der Vergütung nach der VergGr. IVb BAT-O ab dem 1. Juli 1995 zu.
Der Anspruch der Klägerin sei auch nicht gem. § 70 Abs. 1 BAT-O verfallen. Zum Zeitpunkt der Geltendmachung sei der Anspruch noch nicht länger als sechs Monate fällig gewesen. Für den Eintritt der Fälligkeit könne es nicht als ausreichend angesehen werden, wenn sich der Arbeitgeber darauf beschränke, die Richtlinien in der Dienststelle auszulegen, ohne die Adressaten darauf mittels eines Umlaufs oder zumindest mündlich hinzuweisen. Dementsprechend genüge die erfolgte Auslage der Lehrerrichtlinien im Lehrerzimmer im Jahr 1996 nicht den Anforderungen an die Verschaffung der Möglichkeit der Kenntnisnahme.
Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Hilfsantrag der Klägerin auf Abschluß einer Vereinbarung ist unbegründet. Über den abgewiesenen Hauptantrag war in der Revision nicht zu entscheiden.
- Grundsätzlich richtet sich der Umfang der revisionsrechtlichen Nachprüfung nach dem Anfall des Streitgegenstandes in der Revisionsinstanz. Der Umfang der Anfallwirkung ist nicht anders zu bestimmen als im Berufungsverfahren (so BGH 24. Januar 1990 – VIII ZR 296/88 – NJW-RR 1990, 518, zu I 2a der Gründe; Stein/Jonas/ Grunsky ZPO 21. Aufl. § 559 Rn. 2; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 59. Aufl. § 559 Rn. 2). Dementsprechend fällt ein Hauptantrag beim Revisionsgericht nicht an, wenn der Beklagte gegen ein Urteil, durch das unter Abweisung des Hauptantrages nach dem Hilfsantrag erkannt ist, Revision einlegt. Das Revisionsgericht kann über den Hauptantrag nur dann entscheiden, wenn der Kläger – zulässigerweise – die Revision oder Anschlußrevision verfolgt. Wird der Hauptantrag abgewiesen und nach dem Hilfsantrag erkannt, liegt eine Entscheidung über beide Anträge vor. Der Kläger ist durch die Abweisung seines Hauptantrages, der Beklagte durch seine Verurteilung nach dem Hilfsantrag beschwert. Jede Partei kann dann im Rahmen der Zulassung Revision einlegen. Ist die Revision nicht zugelassen oder macht die Partei hiervon keinen Gebrauch, so wird die Entscheidung in diesem Umfang rechtskräftig (vgl. für die gleichgelagerte Problematik der Berufung BGH 29. Januar 1964 – V ZR 23/63 – BGHZ 41, 38, 41). Diejenige Partei des Rechtsstreits, für die die Revision nicht zugelassen wurde, kann weder durch Revision noch durch eine Anschlußrevision die gerichtliche Entscheidung insoweit anfechten (zB Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 72 Rn. 37). Danach ist im Streitfall auf den Hauptantrag nicht einzugehen, denn das Landesarbeitsgericht hat die Revision nur für das beklagte Land zugelassen.
Der Hilfsantrag und nunmehrige Hauptantrag ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen das beklagte Land auf Abgabe eines Angebots, eine Vergütungsvereinbarung gemäß den Eingruppierungsrichtlinien des Landes Berlin auf der Grundlage der VergGr. IVb BAT-O ab dem 1. Juli 1995 abzuschließen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts fehlt es bereits an einer Anspruchsgrundlage für ein solches Klagebegehren.
Nach § 5 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Ersten Tarifvertrag in der Fassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Es gilt mithin auch der Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 8. Mai 1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 30. Juni 2000 (insoweit ständig gleichlautend seit 1991). Damit sind für die Eingruppierung der Klägerin ua. folgende Bestimmungen einschlägig:
“Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 8. Mai 1991, zuletzt geändert durch den Änderungstarifvertrag Nr. 10 vom 30. Juni 2000
…
§ 2
Übernahme der Vergütungsordnung des BAT
…
3. Die Anlage 1a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden,
die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 I I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …
Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I I BAT-O)
Nr. 1
Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemein bildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).
…
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
…
Nr. 3a
(Zu §§ 22 bis 25 – Eingruppierung –)
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben. …”
Das Landesarbeitsgericht stützt sich zu Unrecht auf eine Entscheidung des Sechsten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 8. August 1996 (– 6 AZR 1013/94 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 46). Dort wird ua. folgendes ausgeführt:
“Nach § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 ist die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte ‘gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien’ vorzunehmen, während nach Nr. 3a Unterabs. 2 SR 2 l I BAT-O die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der 2. BesÜV arbeitsvertraglich zu regeln ist, soweit in der 2. BesÜV Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind.
Nach der Auslegung dieser tariflichen Bestimmungen durch den Vierten Senat, der sich der Senat angeschlossen hat, (vgl. Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 858/94 – und – 6 AZR 972/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) regeln beide tariflichen Bestimmungen im Ergebnis nichts unterschiedliches. Für die Eingruppierung ist in erster Linie die 2. BesÜV maßgebend. Ist danach eine Eingruppierung nicht möglich, weil ein Amt i.S.d. 2. BesÜV für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht ist, bedarf es einer arbeitsvertraglichen Regelung die unter Heranziehung der entsprechenden Richtlinien zu treffen ist (BAG Urteil vom 26. April 1995 – 4 AZR 97/95 – AP Nr. 7 zu § 11 BAT-O auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Ist die ergänzende Geltung der Richtlinien bereits arbeitsvertraglich vereinbart, so ergibt sich daraus ein entsprechender arbeitsvertraglicher Vergütungsanspruch. Liegt eine solche arbeitsvertragliche Vereinbarung, wie vorliegend nicht vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine den Richtlinien entsprechende Vergütungsvereinbarung anzubieten.”
Danach hat der Sechste Senat die Anspruchsgrundlage für einen Kontrahierungszwang aus § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 iVm. Nr. 3a Unterabs. 2 SR 2 l I BAT-O iVm. der Zweiten BesÜV iVm. den TdL-Richtlinien hergeleitet. Darauf kann indessen seit dem 1. Juli 1995 – und damit im Klagezeitraum – zur Begründung einer Anspruchsgrundlage nicht mehr abgestellt werden. An diesem Tag ist die Zweite BesÜV außer Kraft getreten und wurde durch das Berliner Besoldungsgesetz abgelöst. Damit ist die tarifvertragliche Forderung einer arbeitsvertraglichen Regelung – SR 2 l I BAT-O in Verbindung mit der Zweiten BesÜV – ersatzlos entfallen. Die Vorschrift der SR 2 l I Nr. 3a Unterabs. 1 BAT-O ist mittlerweile gem. § 1 Nr. 13 des Änderungstarifvertrages Nr. 9 vom 5. Mai 1998 mit Wirkung zum 1. Januar 1998 ebenfalls gestrichen worden.
§ 2 Nr. 3 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O reicht für die Annahme eines Kontrahierungszwangs nicht aus. Diese Bestimmung verweist lediglich auf die beamtenrechtlichen Besoldungsvorschriften und gegebenenfalls auf Richtlinien, nicht aber auf arbeitsvertragliche Vereinbarungen. Ohne jegliche Anhaltspunkte im Wortlaut des Tarifvertrages sowie den von ihm in Bezug genommenen Vorschriften kann ein tarifvertraglich begründeter Kontrahierungszwang nicht angenommen werden.
- Über die Frage, ob und ggf. seit wann die Klägerin unmittelbar in VergGr. IVb BAT-O eingruppiert ist und ob ihr deshalb tarifvertragliche Zahlungsansprüche wegen etwaiger Vergütungsdifferenzen zustehen, hatte der Senat nicht zu entscheiden (vgl. dazu die Parallelentscheidung Senat 8. August 2002 – 8 AZR 647/00 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Hauck, Dr. Wittek, Laux, Morsch, R. Iskra
Fundstellen
NZA 2003, 1359 |
PersR 2003, 330 |
NJOZ 2003, 3356 |
Tarif aktuell 2003, 12 |