Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung - Wettbewerbsverbot

 

Orientierungssatz

1. Das nach § 60 Abs 1 HGB für kaufmännische Angestellte geltende Verbot gilt auf Grund der Treuepflicht für jeden Arbeitnehmer.

2. Der Handel zwischen Arbeitnehmer und dem Prinzipal als Anbieter oder Abnehmer wird vom Wortlaut des § 60 HGB nicht umfaßt.

3. Nach § 626 BGB ist die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 09.12.1987; Aktenzeichen 2 Sa 32/87)

ArbG Reutlingen (Entscheidung vom 03.03.1987; Aktenzeichen 2 Ca 482/86)

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht nur noch Streit, ob das zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 3. Oktober 1986 fristlos beendet worden ist.

Die früher einzelkaufmännisch betriebene Beklagte, die 20 Arbeitnehmer beschäftigt, stellt Arbeitsschutzbekleidung, insbesondere Arbeitshandschuhe her, und vertreibt diese wie auch solche von anderen Herstellern stammende Produkte.

Der Kläger betrieb am selben Ort wie die Beklagte einen eigenen Gewerbebetrieb, der seit 1969 beim Gewerbeamt M unter der Bezeichnung "Heinz F, Lederbekleidung" angemeldet war. Er stellte Herren- und Damenoberbekleidung aus Leder her und vertrieb diese. In der Zeit vom 21. November 1969 bis 23. Juni 1976 lieferte er der Beklagten im wesentlichen Schweißerschutzkleidung, umgekehrt bezog er von der Beklagten vor allem Arbeitsschutzhandschuhe aus Leder und Spaltlederschürzen.

Seit 25. August 1976 war der Kläger bei der Beklagten als Meister tätig (Zuschneiden und Versand), sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.865,-- DM. Seine selbständige Lederwarenfertigung mit Verkauf betrieb er im Einverständnis der Beklagten weiter. Die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kläger als Gewerbetreibender und der Beklagten blieben aufrechterhalten, mit Rechnung vom 5. August 1977 lieferte er der Beklagten 166 Paar Fünffingerhandschuhe, in der Zeit vom 23. Februar 1977 bis 4. September 1978 bezog er von der Beklagten in verschiedenen Lieferungen insgesamt 40 Paar Arbeitsschutzhandschuhe, 10 rechte Arbeitsschutzhandschuhe sowie 45 Spaltlederschürzen, außerdem laut Quittungen vom 12. Juni 1981 und 10. Januar 1984 Schurzband.

Mit Schreiben vom 30. August 1986 bat der Kläger einen Lieferanten der Beklagten (Firma MAB) um Zusendung einer Musterkollektion ihrer günstigsten Handschuhe, wovon die Beklagte Anfang September 1986 aufgrund eines Anrufes der Firma MAB erfuhr. Am 11. September 1986 bestellte der Kläger bei der Firma L GmbH, die ebenfalls in Geschäftsbeziehungen zur Beklagten steht, 300 Segeltuchschürzen und 120 Paar Arbeitshandschuhe, worüber die Lieferantin die Beklagte wenige Tage später informierte. Am 26. September 1986 erfuhr die Beklagte, daß der Kläger bei der Firma R. S. gemäß Rechnung vom 23. September 1986 576 Arbeitshandschuhe bezogen hatte.

Am 19. September 1986 fand zwischen dem Kläger und dem Sohn des Geschäftsführers der Verwaltungs-GmbH der Beklagten, am 1. Oktober 1986 ein weiteres Gespräch zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten statt, bei dem es um den Handel des Klägers mit Arbeitshandschuhen ging. Der Kläger teilte dem Geschäftsführer der Beklagten hierbei mit, er habe mit seinen Söhnen eine GmbH gegründet, in der er als Geschäftsführer tätig sein werde, und die mit Schutzkleidung handele. Seit Oktober 1986 wird das ursprünglich einzelkaufmännische Unternehmen des Klägers in der Rechtsform einer GmbH weiter betrieben.

Nach entsprechender Vorbereitung eröffnete die Beklagte am 6. Dezember 1986 in G, dem Wohnort des Klägers, ein Einzelhandelsgeschäft, in dem Lederbekleidung zum Verkauf angeboten wird.

Am 3. Oktober 1986 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos.

Der Kläger hält diese fristlose Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, der Beklagten sei bei seiner Einstellung bekannt gewesen, daß er einen Gewerbebetrieb unterhalte, in dem nicht nur Lederbekleidung hergestellt und vertrieben worden sei, sondern auch Arbeitsschutzbekleidung, und in dem er auch mit Arbeitshandschuhen gehandelt habe. Die Beklagte habe ihm die Fortführung des Betriebes ausdrücklich gestattet, was sich auch daraus ergebe, daß die Parteien noch nach seiner Einstellung Geschäfte über einschlägige Artikel getätigt hätten. Aus dem Umfang seines Warenbezuges ergebe sich, daß es sich nicht um Käufe für private Zwecke gehandelt habe.

Bei Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten habe er sich nicht verpflichtet, den Handel mit Handschuhen nicht mehr betreiben zu wollen, im übrigen falle der Umfang seines Bezugs an Arbeitsschutzhandschuhen gegenüber dem Umsatz der Beklagten mit diesem Artikel nicht ins Gewicht.

Zudem sei zu berücksichtigen, daß er mit zunehmender Übertragung von verantwortlichen Tätigkeiten an Herrn S auf das Abstellgleis geschoben worden sei, in den beiden Jahren vor der Kündigung habe er keine Gehaltserhöhung mehr erhalten.

Die Beklagte habe gegen ein zwischen den Parteien bestehendes "gentlemen's agreement" sich im beiderseitigen Gewerbebetrieb nicht wehzutun, verstoßen, indem sie im April 1986 die Herstellung und den Vertrieb von modischer Damen- und Lederoberbekleidung vorbereitet und schließlich ein Einzelhandelsgeschäft in Glems eröffnet habe. Im Hinblick auf seine eigene Existenzsicherung sei ihm nichts anderes übrig geblieben, als seine eigene gewerbliche Tätigkeit nunmehr zu intensivieren. Einen Zugang zu wichtigen Geschäftsinformationen der Beklagten habe er nicht gehabt.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 3. Oktober 1986 nicht aufgelöst worden sei.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat geltend gemacht, sie habe dem Kläger bei seiner Einstellung gestattet, weiterhin Lederbekleidung herzustellen und zu verkaufen. Daß der Kläger bereits vor Gründung der GmbH auch mit Arbeitsschutzkleidung und insbesondere mit Arbeitsschutzhandschuhen gehandelt habe, habe sie nicht gewußt. Soweit sie an den Kläger Arbeitsschutzartikel geliefert habe, sei sie davon ausgegangen, die Ankäufe dienten privaten Zwecken, nämlich für den Kläger selbst und seine Bekannten, die über ihn bezogen hätten. In diesem Umfang verkaufe sie auch an ihre anderen Arbeitnehmer Waren, das sei in ihrem Betrieb so üblich. Die 166 Paar Handschuhe habe sie seinerzeit auf Wunsch des Klägers übernommen, der diese als Restposten deklariert habe. Erstmals im September 1986 habe sie dann erfahren, der Kläger handele mit Arbeitshandschuhen. Erst nachdem sie ihn in mehreren Gesprächen aufgefordert habe, diesen Handel zu unterbinden, habe sie fristlos gekündigt. Es sei unerträglich, täglich im Betrieb einen Konkurrenten zu beschäftigen, der Zugang zu sämtlichen Geschäftsinformationen habe. Der Kläger habe nämlich durch seine Tätigkeit im Versand die Adressen von Lieferanten in Erfahrung bringen können. Ein Übereinkommen, sich gegenseitig im Handel nicht zu beeinträchtigen, habe nicht bestanden. Sie habe dem Kläger sogar angeboten, Änderungsarbeiten, die sich nach der Aufnahme des Vertreibens modischer Lederbekleidung durch sie ergäben, in seinem Betrieb ausführen zu lassen. Nach der Intensivierung des Geschäftsbetriebes durch den Kläger falle auch vom Volumen her die Konkurrenztätigkeit so ins Gewicht, daß die fristlose Kündigung gerechtfertigt sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Beklagten sei durch die Kündigung vom 3. Oktober 1986 nicht fristlos, sondern erst zum 31. März 1987 aufgelöst worden. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, das in § 60 Abs. 1 HGB für kaufmännische Angestellte verankerte Verbot gelte auch im Hinblick auf den Kläger. Es stehe fest, daß der Kläger seit September/Oktober 1986 im Handelszweig der Beklagten ein Handelsgewerbe betreibe, wobei für den wesentlich gesteigerten Handel mit Arbeitshandschuhen keine Einwilligung der Beklagten vorliege, bzw. daß der Kläger seither im Handelszweig der Beklagten ohne ihre Einwilligung für eigene Rechnung Geschäfte gemacht und dadurch gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Dies folge aus dem unstreitigen Umfang der Bestellungen des Klägers bei der Firmen L GmbH sowie bei der RS-GmbH. Außerdem habe der Kläger sich an eine weitere Firma zwecks Belieferung gewandt.

Es sei allerdings in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 2 HGB davon auszugehen, die Beklagte sei nach Begründung des Anstellungsverhältnisses damit einverstanden gewesen, daß der Kläger einen Gewerbebetrieb, der auch den Handel mit Arbeitshandschuhen umfaßt habe, weiterbetreibe. Aufgrund der Geschäfte, die die Parteien vor der Einstellung des Klägers getätigt hätten, sei der Beklagten der Handel des Klägers mit Handschuhen in geringem Umfange bekannt gewesen. Bis Mitte 1976 seien immer wieder Arbeitshandschuhe bezogen worden, wobei sich die Menge nur im Rahmen von etwa 30 Paaren im Jahr bewegt habe. Die Einwilligung der Beklagten habe sich jedoch nicht auf die Intensivierung des Geschäfts bezogen. Die Menge des Bezugs im September/Oktober 1986 habe den durchschnittlichen früheren jährlichen Bezug um mehr als das Zehnfache überstiegen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß die Beklagte nach ihrem eigenen Vortrag im Jahr 300.000 Paar Handschuhe umsetze, bestehe bei der jetzigen Tätigkeit des Klägers die Gefahr, der Kläger dringe in den Kundenkreis der Beklagten ein und mindere ihre Absatzchancen.

Die Beklagte habe ein gewichtiges Interesse am sofortigen Ende des Arbeitsverhältnisses, denn der Kläger habe aufgrund seiner Mitarbeit im Versand die Möglichkeit gehabt, anhand der vorliegenden Lieferscheine und Rechnungen die Namen und Anschriften von Kunden der Beklagten zu erfahren und damit die Möglichkeit erlangt, sein Geschäft zu Lasten der Beklagten zu erweitern. Dennoch habe das Arbeitsverhältnis erst nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. März 1987 geendet. Zwar habe die Beklagte nicht die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB versäumt, es sei jedoch zu berücksichtigen, daß der Kläger über 10 Jahre dem Betrieb angehört habe und daß er aufgrund einer langjährigen Mitarbeit ohnehin die Namen der Kunden und die Preise der Beklagten gekannt habe. Die Gefahr, der Kläger erlange bis zum Ablauf der Kündigungsfrist wesentliche neue Kenntnisse, sei gering. Vor allen Dingen falle ins Gewicht, daß die Beklagte durch die Eröffnung des Einzelhandelsgeschäftes im Jahre 1986 ihrerseits in einem Geschäftsbereich tätig geworden sei, den der Kläger betrieben habe. Zwar habe es der Beklagten freigestanden, ihre Angebotspalette zu erweitern, denn ein die Konkurrenz einschränkendes Übereinkommen der Parteien habe nicht bestanden. Der Kläger habe aber befürchten müssen, mit seinem kleinen Gewerbebetrieb in wirtschaftliche Bedrängnis geraten zu können.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen seine Rechtsanwendung nicht. Eine abschließende Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ist bei der derzeitigen unzureichenden Tatsachenfeststellung nicht möglich.

1. Nach § 626 BGB kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der Kläger verhalte sich dann vertragswidrig, wenn er durch seinen Handel mit Arbeitshandschuhen der Beklagten Konkurrenz mache. Das nach § 60 Abs. 1 HGB für den kaufmännischen Angestellten geltende Verbot gilt aufgrund der Treuepflicht für jeden Arbeitnehmer (BAG Urteil vom 17. Oktober 1969 - 3 AZR 442/68 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu III 3 der Gründe; BAGE 22, 344, 352 = AP Nr. 4 zu § 60 HGB, zu I 3 d der Gründe; Urteil vom 16. Juni 1976 - 3 AZR 73/75 - AP Nr. 8 zu § 611 BGB Treuepflicht, zu II 1 der Gründe und 6. August 1987 - 2 AZR 226/87 - EzA § 626 BGB n.F. Nr. 109).

b) Soweit die Revision rügt, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob ein Kündigungsgrund vorliege, ob das Verhalten des Klägers "an sich" geeignet gewesen sei, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen, kann dem nach dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Urteils nicht gefolgt werden. Die Entscheidungsgründe befassen sich von Seite 10 bis 15 Mitte des Urteils ausschließlich mit der Berücksichtigung der durch die vorhandenen Tatsachen gegebenen Kündigungslage. Aus dem dann unter d) folgenden Satz, der mit dem Wort "gleichwohl" verknüpft wird, ergibt sich klar, daß das Landesarbeitsgericht an sich einen Grund zur fristlosen Kündigung bejaht hat.

2. Soweit das Landesarbeitsgericht in Anwendung dieser Rechtsgrundsätze angenommen hat, dem Kläger sei eine Wettbewerbstätigkeit in geringem Umfange erlaubt gewesen, nicht jedoch diejenige nach Intensivierung seines Geschäftes, sind seine Ausführungen revisionsrechtlich nicht bindend.

a) Der Umstand, daß der Kläger sich als Gewerbetreibender mit dem Vertrieb von Lederbekleidung befaßte, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ohne Bedeutung, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die Beklagte diese Tätigkeit "erlaubt" hatte oder nicht. Der Kläger stand nämlich insoweit bis zum Zeitpunkt der Kündigung nicht in einem Wettbewerbsverhältnis zur Beklagten, denn diese war in dieser Branche zunächst gar nicht tätig (vgl. BAGE 22, 344 = AP, aa0 und BAG Urteil vom 7. September 1972 - 2 AZR 486/71 - AP Nr. 7 zu § 60 HGB).

b) Ob dem Kläger hingegen gestattet war, in dem Teilbereich gewerblich tätig zu sein, in dem auch die Beklagte sich bewegte (Arbeitsschutzkleidung, insbesondere Arbeitshandschuhe), läßt sich aus den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Der Schluß des Berufungsgerichts, eine Erlaubnis der Betätigung "in geringem Umfang" ergebe sich daraus, daß der Kläger bisher Waren geringer Menge an die Beklagte geliefert und umgekehrt bezogen habe, trägt nicht. Der Handel zwischen dem Arbeitnehmer und dem Prinzipal als Anbieter oder Abnehmer wird nämlich von dem Wortlaut des § 60 HGB überhaupt nicht umfaßt (vgl. BAGE 42, 329 = AP Nr. 10 zu § 60 HGB), was entsprechend für das vorliegende Vertragsverhältnis gilt. Außerdem ist die vom Gericht erfolgte Festlegung auf eine Tätigkeit "in geringem Umfange" keine hinreichend klare Rechtsanwendung und würde darüber hinaus im Falle einer solchen Möglichkeit zudem auch noch die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Tätigkeit des Klägers abdecken. Es bedarf deswegen einer genaueren Konkretisierung des Inhalts und der Grenzen des Wettbewerbs verboten.

3. Bei der Interessenabwägung hat das Landesarbeitsgericht den Regelungsgehalt von § 626 BGB nicht beachtet.

Es hat maßgebend darauf abgestellt, es falle "vor allen Dingen" ins Gewicht, daß die Beklagte durch die Eröffnung eines Einzelhandelsgeschäftes für den Verkauf modischer Lederbekleidung im Herbst 1986 ihrerseits in dem Geschäftsbereich tätig geworden sei, den der Kläger bis dahin vor allem betrieben habe. Nach § 626 BGB ist die Frage der Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zu prüfen. Soweit die Beklagte sich durch die spätere Eröffnung eines Lederbekleidungshandels im Gewerbebereich des Klägers betätigte, war diese erweiterte Aktivität nicht vom Vertragsinhalt des Arbeitsverhältnisses umfaßt. Die Beklagte konnte daher ohne irgendwelche arbeitsvertragliche Positionen des Klägers zu berühren, in dem von ihr für sachdienlich erachteten Handelsbereich tätig werden, ohne daß dies zugunsten des Klägers zu berücksichtigen wäre.

4. Das Landesarbeitsgericht wird daher zunächst festzustellen haben, ob es dem Kläger gestattet war, im Handelszweig der Beklagten tätig zu sein, was dieser behauptet. Soweit ersichtlich, gehen die Parteien bezüglich der Darlegungs- und Beweislast von den Grundsätzen aus, die der Dritte Senat im Urteil vom 16. Juni 1976 (aa0) aufgestellt hat. Der erkennende Senat hat diese Rechtsauffassung jedoch bereits im Urteil vom 6. August 1987 (- 2 AZR 226/87 - EzA, aa0) aufgegeben und ausgeführt, es sei Sache des Arbeitgebers, die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Ausübung der Kündigung rechtfertigten, hierzu gehöre auch der Ausschluß einer vom Arbeitnehmer behaupteten Einwilligung in eine Wettbewerbstätigkeit. Es ist daher Sache der Beklagten, die entsprechende Behauptung des Klägers zu entkräften. Der Kläger hat allerdings bisher nicht substantiiert vorgetragen, wann und in welchem Umfang ihm eine Erlaubnis erteilt worden ist (§ 138 Abs. 1 ZPO). Es genügt insoweit nicht die allgemeine Behauptung, seine Handlungsweise sei ihm erlaubt gewesen. Er wird seinen Vortrag dahin zu ergänzen haben, wer ihm wann und wo eine entsprechende Genehmigung erteilt hat. In diesem Zusammenhang ist es auch bedeutsam, ob und inwieweit über die Rechtsform der Betätigung des Klägers gesprochen worden ist. Sollte sich die Erlaubnis ausdrücklich auf eine einzelkaufmännische Betätigung bezogen haben, so wäre zu prüfen, ob und wenn ja inwieweit die bisher nicht genau festgestellte geschäftliche Tätigkeit des klägers in der neugegründeten GmbH von Bedeutung ist. Die Beklagte wird ihren Vortrag dann hierauf auszurichten haben. Gelangt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, ein Kündigungsgrund liege an sich vor, so kann es bei der Interessenabwägung unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen nicht zugunsten des Klägers berücksichtigen, daß die Beklagte ihrerseits einen Handel mit Lederbekleidung eröffnet hat und damit zum Kläger in seiner Eigenschaft als selbständiger Gewerbetreibender in Konkurrenz getreten ist.

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Fundstellen

Haufe-Index 437866

RzK, I 6a 48 (ST1)

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