Entscheidungsstichwort (Thema)
Überversorgung als Wegfall der Geschäftsgrundlage
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu BAG Urteil vom 9.7.1985 3 AZR 546/82.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 14.09.1982; Aktenzeichen 6 Sa 407/82) |
ArbG Herford (Entscheidung vom 01.02.1982; Aktenzeichen 2 Ca 1206/81) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, die Betriebsrente des Klägers ab 1. April 1981 nur noch den Nettobezügen der aktiven Arbeitnehmer anzupassen, während zuvor die Bruttobezüge maßgebend gewesen waren.
Der Kläger ist am 3. September 1915 geboren und war seit 1938 bei der Beklagten beschäftigt. Er trat am 30. September 1975 in den Ruhestand.
Die Beklagte, ein Unternehmen der Energieversorgung, gewährt ihren Mitarbeitern und deren Hinterbliebenen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Sie hat die Versorgung geregelt in ihren "Zusatzversorgungsbestimmungen der Elektrizitätswerk M GmbH" (kurz: ZVB). Die Versorgungsordnung in der Fassung vom 1. Januar 1965 sieht eine volldynamische Betriebsrente vor. Gemäß § 4 ZVB ist Berechnungsgrundlage das im letzten Monat vor dem Ausscheiden bezogene Grundgehalt des aktiven Arbeitnehmers nebst bestimmten Zulagen. Die Betriebsrente beträgt nach zehn Jahren 30 % und steigt mit jedem weiteren Dienstjahr um 1 % bis zu höchstens 50 % der maßgeblichen Bezüge. § 7 ZVB enthält eine Obergrenzenregelung. Die Obergrenze für die Gesamtversorgung aus Betriebsrente und Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung beträgt 75 % der ruhegeldfähigen Bruttobezüge. Ab 1. Januar 1967 wurde diese Obergrenze für Mitarbeiter mit mehr als 25 Dienstjahren auf 80 % erhöht. § 17 Nr. 1 ZVB enthält eine Anpassungsklausel. In der beim Ausscheiden des Klägers geltenden Fassung vom 1. Januar 1965 lautete die Vorschrift wie folgt:
"Wenn sich nach dem 31. Dezember 1964 und nach
Eintritt des Versorgungsfalles das Grundgehalt
oder das Hausstandsgeld allgemein - namentlich
durch Tarifvertrag - erhöht oder vermindert,
so ist die Berechnungsgrundlage nach § 4 insoweit
entsprechend zu ändern. ..."
Mit Wirkung vom 1. Januar 1975 erließ die Beklagte neue Bestimmungen, die Angleichungen an das Betriebsrentengesetz vorsahen. Zum 1. April 1981 wurde mit Zustimmung des Betriebsrats § 17 Nr. 1 ZVB nochmals geändert. Die Vorschrift wurde unter anderem wie folgt ergänzt:
"Das prozentuale Ausmaß der Anpassung wird
von der Geschäftsführung des EMR im Ein-
vernehmen mit dem Beirat (§ 20) gemäß Pro-
tokollerklärung festgesetzt unter Berück-
sichtigung der den aktiven Bediensteten
erwachsenden Belastung durch Steuern und
Sozialabgaben..."
Das betriebliche Ruhegeld des Klägers betrug am 1. Januar 1981 monatlich 803,13 DM. Am 1. April 1981 wurden die Gehälter der aktiven Arbeitnehmer um 4,9 % erhöht. Bei einer entsprechenden Anhebung hätte die Betriebsrente des Klägers monatlich 940,90 DM betragen. Die Beklagte erhöhte die Bemessungsgrundlage jedoch nur um 3,5 %. Sie zahlte dem Kläger demgemäß nur monatlich 901,53 DM. Dabei berechnete sie die Rente nach der Neufassung des § 17 Nr. 1 ZVB. In einer Anlage zum Rentenbescheid erläuterte sie diese Maßnahme und wies darauf hin, der Rentner unterliege im Gegensatz zu einem aktiven Arbeitnehmer im allgemeinen nicht der Steuerpflicht. Daher habe sich die Nettoversorgung der Rentner im Vergleich zu den Nettoeinkünften der aktiven Arbeitnehmer ständig verbessert. Teilweise sei eine "Überversorgung" eingetreten; das verfügbare Einkommen der Rentner liege insgesamt vielfach über den Nettoeinkünften vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer. Bei einer Gehaltserhöhung blieben den Aktiven nur rund 70 % der Steigerung. Die Erhöhung der Gehälter um 4,9 % zum 1. April 1981 entspreche daher einer Nettoanpassung der Renten von aufgerundet 3,5 %. Außerdem habe sich die Ertragslage des Unternehmens seit dem Jahre 1980 erheblich verschlechtert. Es sei zwar keine wirtschaftliche Notlage eingetreten, aber eine Bruttoanpassung der Renten im bisherigen Umfang sei künftig nicht mehr tragbar. Gleichwohl sei vorgesehen, nach fünf Jahren zu prüfen, ob eine Rückkehr zur Bruttoanpassung möglich und erforderlich sei.
Der Kläger will die Kürzung nicht hinnehmen. Er hat geltend gemacht, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Versorgungsregelung einseitig zu seinen Lasten zu ändern. Die Altersversorgung sei Gegenleistung für die von ihm erbrachte Betriebstreue. Er habe auf die Fortgewährung der Leistungen mit den bisherigen Steigerungen vertraut und seinen Lebensstandard entsprechend eingerichtet. Sein Vertrauen müsse geschützt werden. Der Kläger verlangt, daß die Beklagte seine Betriebsrente weiterhin nach der Versorgungsordnung in der Fassung vom 1. Januar 1965 berechnet. Ferner verlangt er Zahlung der nach seiner Ansicht rückständigen Beträge für die Monate April bis November 1981.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet
sei, über den 31.03.1981 hinaus seine Zusatz-
versorgungsrente nach § 17 der Bestimmungen
über die Gewährung einer Zusatzversorgung in
der Fassung vom 01.01.1965 zu berechnen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 314,96 DM
nebst 4 % Zinsen von 236,22 DM seit dem
16.10.1981 und von weiteren 78,74 DM seit dem
26.11.1981 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, ihre Versorgungsordnung sei eine mit Zustimmung des Aufsichtsrats erlassene autonome Satzung; diese habe ohne Beteiligung des Betriebsrats geändert werden können. Die Änderung sei sachlich gerechtfertigt. Für die Regelung aus dem Jahre 1965 sei die Geschäftsgrundlage entfallen. Zweck der Versorgungsordnung sei es gewesen, den Lebensstandard der ausgeschiedenen Mitarbeiter zu wahren, jedoch nicht anzuheben. Das habe man seinerzeit mit der Begrenzung der Gesamtversorgung aus Sozialversicherungsrente und Betriebsrente auf 80 % der ruhegeldfähigen Bezüge erreicht. Aber inzwischen hätten sich die Verhältnisse grundlegend geändert. Angesichts der gestiegenen Abgabenlast der aktiven Arbeitnehmer werde der bisherige Lebensstandard der Rentner schon bei einer Gesamtversorgung auf der Grundlage von etwa 70 % des Grundgehalts der aktiven Arbeitnehmer erhalten. Der Übergang zur Nettoanpassung bewirke, daß künftig die Versorgung der Rentner der Entwicklung der Nettoeinkünfte der aktiven Arbeitnehmer folge. Zudem sei die Kürzung angesichts der wirtschaftlichen Einbußen, die sie in den letzten Jahren erlitten habe, erforderlich. Sie entspreche auch der Billigkeit. Das Vertrauen der Rentner werde nicht unzumutbar enttäuscht. Andererseits verlange die Wahrung des Betriebsfriedens, daß die Nettogehälter der aktiven Belegschaft nicht niedriger seien als die Gesamtversorgung der Rentner. Im übrigen sei die Maßnahme auf fünf Jahre befristet. Die Kürzung falle auch geringer aus, als es den Anschein habe. Bis zur Neuregelung habe sie die Renten zweimal im Jahr korrigiert, nämlich zunächst anläßlich der Tariflohnerhöhungen angehoben und dann anläßlich der Rentenanpassungen in der Sozialversicherung wieder auf die Obergrenze gekürzt. Künftig werde sie die Renten nur noch einmal jährlich bei Tariflohnerhöhungen etwa zur Jahresmitte überprüfen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz. Es kann noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beklagte ihre Versorgungsordnung wirksam geändert hat.
I. Durch die Neufassung des § 17 Nr. 1 ZVB zum 1. April 1981 hat die Beklagte die ursprünglich vorgesehenen Steigerungen der Renten gekürzt. Sie hat damit einseitig in die vertraglich begründeten Versorgungsansprüche eingegriffen. Das Berufungsgericht hat angenommen, dazu sei die Beklagte nicht berechtigt gewesen. Die bisher getroffenen Feststellungen stützen diese Auffassung nicht ausreichend.
1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, daß sich der Versorgungsordnung kein Änderungsvorbehalt entnehmen läßt, der die Kürzung zuließe. Die allein in Betracht kommende Vorschrift des § 23 ZVB sieht ein solches Gestaltungsrecht nicht vor. Sie betrifft lediglich das Verfahren bei Änderungen der Versorgungsordnung: Die Geschäftsleitung darf Änderungen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats herbeiführen. Daraus ergibt sich nichts für die hier allein interessierenden Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verschlechterung von Versorgungsgrundsätzen zum Nachteil der Versorgungsberechtigten einseitig eingeführt werden kann.
2. Hingegen ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte ihre Neuregelung auf allgemeine Grundsätze des Zivilrechts stützen kann, weil die Geschäftsgrundlage, auf der die Versorgungsordnung ursprünglich aufbaute, inzwischen weggefallen war.
a) Das Berufungsgericht hat den Wegfall der Geschäftsgrundlage verneint, weil eine erhebliche Störung der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung nicht eingetreten sei. Die beiderseitigen vertraglichen Verpflichtungen, nämlich die vom Rentner erbrachte Betriebstreue und die vom Arbeitgeber dafür gewährte Altersversorgung, seien nicht in ein so grobes Mißverhältnis geraten, daß der Versorgungsvertrag seinen Sinn als Austauschvertrag eingebüßt hätte. Die Änderungen der Verhältnisse im Zeitablauf bewegten sich noch im Rahmen des normalen Risikos langfristiger Verträge. Es müsse immer damit gerechnet werden, daß sich Kosten und Löhne änderten. Im Streitfall seien Leistung und Gegenleistung in ihrem Wert nicht so stark auseinandergefallen, daß eine Anpassung an die veränderten Umstände geboten erscheine.
b) Mit dieser Begründung kann die Berechtigung der Beklagten zur Anpassung nach Ansicht des Senats nicht abgelehnt werden.
(1) Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, daß in einem Austauschvertrag, also auch in einem Vertrag über eine betriebliche Altersversorgung, der Wert von Leistung und Gegenleistung vornehmlich durch den Willen der Vertragspartner bestimmt wird. Es trifft auch zu, daß gerade in langfristig angelegten Vertragsverhältnissen Änderungen der äußeren Umstände in Kauf genommen werden müssen und daher nur gravierende Störungen im Verhältnis der beiderseitigen Leistungen eine Anpassung erlauben. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage kommt jedoch nicht nur bei derartigen Äquivalenzstörungen in Betracht; auch eine Störung des Vertragszwecks gebietet u.U. nachträgliche Korrekturen. Die Geschäftsgrundlage kann entfallen, wenn der von den Parteien gemeinsam vorausgesetzte Zweck wegen Änderungen der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse nicht mehr erreichbar ist (Larenz, Geschäftsgrundlage und Vertragserfüllung, 3. Aufl., S. 91 ff., S. 150 ff.). Eine Störung des Vertragszwecks ist in unterschiedlichen Formen denkbar. Sie kann sich daraus ergeben, daß der angestrebte Erfolg einer vertraglichen Regelung auf Dauer vereitelt wird; sie kann aber auch darin bestehen, daß der Erfolg bereits unabhängig von der vertraglich geschuldeten Leistung auf planwidrige Weise eintritt (Wiedemann, Zum Widerruf von betrieblichen Versorgungszusagen, Festschrift für Stimpel, 1985, S. 955, 963). Auch hieraus kann sich die Notwendigkeit ergeben, Verträge an die geänderten Verhältnisse anzupassen, um die Vertragsgerechtigkeit wieder herzustellen.
Diese Grundsätze gelten auch für die vertragsrechtlichen Beziehungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Auch hier steht die Vertragserfüllung unter dem Gebot, daß Treu und Glauben zu beachten sind. Das Betriebsrentengesetz hat daran nichts geändert. Es regelt ausdrücklich nur bestimmte Folgen von Leistungsstörungen in der Insolvenz und setzt in § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG die Zulässigkeit des Widerrufs von Versorgungszusagen voraus. Demgemäß obliegt es der Rechtsprechung, Fallgruppen zu bilden und Grundsätze zu entwickeln, mit deren Hilfe sich beurteilen läßt, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange Versorgungszusagen an wesentlich veränderte Verhältnisse angepaßt werden dürfen.
(2) Das Berufungsgericht hat zu Recht betont, daß Versorgungszusagen durch ihre weit in die Zukunft reichenden Wirkungen gekennzeichnet sind und daß insbesondere Zusagen, die Betriebsrenten im Rahmen einer Gesamtversorgung an die Entwicklung der Einkünfte aktiver Arbeitnehmer anbinden, ganz erheblichen Unsicherheiten ausgesetzt sind. Nicht nur ist zur Zeit der Zusage die allgemeine Lohnentwicklung ungewiß, auch die anrechenbaren Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen Schwankungen und sozialpolitischen Unwägbarkeiten. Die Belastung der Bruttolöhne mit Abzügen für Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ist auf lange Sicht zuverlässig kaum kalkulierbar. Ein Arbeitgeber, der eine betriebliche Altersversorgung zusagt, die von derart ungewissen Faktoren abhängen soll, übernimmt regelmäßig das Risiko globaler Schwankungen. Von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage kann nur bei so krassen und unvorhersehbaren Änderungen gesprochen werden, wie sie z.B. mit der Rentenreform des Jahres 1957 verbunden waren (vgl. zuletzt Urteile des Senats vom 10. Mai 1971 - 3 AZR 322/70 - und vom 14. Mai 1971 - 3 AZR 321/70 - AP Nr. 152 und 153 zu § 242 BGB Ruhegehalt sowie Blomeyer/Otto, BetrAVG, Einl. Rz 360 und Dieterich, Festschrift für Hilger/Stumpf, S. 77, 89 ff. m. w. N.).
Ein großzügigerer Maßstab muß aber dann gelten, wenn die Versorgungszusage von vornherein klar zum Ausdruck gebracht hat, daß sie die Überschreitung einer bestimmten Gesamtversorgungsobergrenze vermeiden will und daß Rentner keinesfalls besser gestellt werden sollen als vergleichbare aktive Arbeitnehmer. Wenn die Steuer- und Sozialgesetzgebung in solchen Fällen bewirkt, daß die ursprünglich sachgerechte Obergrenze ihr Ziel verfehlt, weil erhebliche Erhöhungen der Abzüge zu einer unerwarteten Besserstellung der Rentner führen, so hat das Anpassungsinteresse des Arbeitgebers großes Gewicht, während das Interesse der Versorgungsberechtigten an einem unveränderten Fortbestand der eingetretenen "Überversorgung" weniger schutzwürdig erscheint (vgl. BAG 36, 327, 342 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrAVG Ablösung, unter III 2 b (1) der Gründe).
c) Hieran gemessen ergibt sich für die umstrittene Änderung der Versorgungsordnung der Beklagten folgendes:
(1) Die Versorgungsordnung wollte die Einkünfte der ausgeschiedenen Mitarbeiter so ausgestalten, daß diesen der Lebensstandard erhalten blieb, den sie als aktive Arbeitnehmer erreicht hatten. Dazu heißt es in der Präambel, Ziel der Versorgungsleistungen sei es, die Werksangehörigen und deren Hinterbliebene nach dem Ausscheiden aus dem Dienst "über die bestehende Sozialversicherung hinaus nach Möglichkeit wirtschaftlich zu sichern". Demgemäß wird die Anrechnung von Sozialversicherungsrenten vorgesehen (§ 7 ZVB) und die Betriebsrente der Höhe nach in verschiedener Hinsicht begrenzt. Die Betriebsrenten sollen 50 % der Aktivenbezüge, die Gesamtversorgungen 75 % oder 80 % der Bruttobezüge der aktiven Arbeitnehmer nicht übersteigen (§ 5 Nr. 1, § 7 Nr. 1 ZVB). Berechnungsgrundlage ist die Vergütung des aktiven Arbeitnehmers (Grundgehalt, anrechnungsfähige Zulage und Familiengeld) zur Zeit des Ausscheidens (§ 4 Nr. 1 ZVB). Um eine Entwertung der Renten durch Kaufkraftverluste zu vermeiden, soll die Rente auch während des Ruhestandes der Lohnentwicklung folgen und entsprechend den Erhöhungen der Bruttogehälter der aktiven Arbeitnehmer ansteigen (§ 17 Nr. 1 ZVB in der Fassung vom 1. Januar 1965), jedoch stets nur bis zu den festgesetzten Gesamtversorgungsobergrenzen.
(2) Als die Beklagte im Jahre 1965 die Obergrenze der Gesamtversorgung auf 75 % der Bruttobezüge der Aktiven festsetzte, erreichte sie recht genau das Ziel, den Lebensstandard des ausscheidenden Mitarbeiters auf seinem bisherigen Stand zu erhalten. Der Gesamtversorgungsgrad ergab unstreitig 101,4 % des letzten Nettogehalts. Seither erhöhte sich die Belastung der Löhne und Gehälter mit Steuern und Sozialversicherungsabgaben beträchtlich. Ein Arbeitnehmer hatte im Jahre 1981 nicht mehr mit Abzügen von 20 bis 25 % des Lohns zu rechnen, sondern durchschnittlich mit Abzügen von mehr als 30 %. Dies hatte zur Folge, daß die von Sozialabgaben und weitgehend auch von Steuern befreiten Rentner bei einer Anbindung der betrieblichen Versorgungsleistungen an die Bruttolöhne eine Gesamtversorgung von 115,4 % der vergleichbaren Nettobezüge aktiver Arbeitnehmer erreichten. Ein Anstieg der Belastung mit Steuern und Beiträgen von rund 20 % auf 30 %, also um rund die Hälfte, käme den Rentnern voll zugute und erhöhte deren Lebensstandard im Vergleich zu ihren aktiven Kollegen. Eine solche Dynamik wollte die Ruhegeldordnung der Beklagten für den Regelfall vermeiden. Der Vertragszweck ist durch die dargestellte, von der Beklagten nicht voraussehbare Entwicklung gestört. Das Ansteigen der Belastungen der Aktiveneinkünfte um rund 50 % ist auch nicht so geringfügig, daß es als kalkulierte Ungewißheit von der Versorgungsordnung gedeckt wäre. Eine Anpassung an die veränderten Umstände erscheint insofern gerechtfertigt.
(3) Im Streitfall ist jedoch eine Besonderheit zu beachten: Im Jahre 1967 wurde die Obergrenze für Mitarbeiter mit mehr als 25 Dienstjahren von 75 % auf 80 % des letzten Bruttogehalts angehoben. Auch der Kläger gehört zu diesem Personenkreis. Das Berufungsgericht hat angenommen, die begünstigten Arbeitnehmer mit mehr als 25 Dienstjahren hätten hieraus schließen können, ihre Überversorgung werde bewußt hingenommen, etwa mit Rücksicht auf ihre besonders lange Betriebstreue. Diese Annahme liegt dann nahe, wenn schon zur Zeit der Anhebung, also im Jahre 1967, die Nettobezüge der Aktiven unter denen der Rentner lagen, also niedriger waren als 80 % der Bruttobezüge. Nach dem Vortrag der Beklagten war das aber damals noch nicht der Fall.
Die Beklagte hat geltend gemacht, die Anhebung der Gesamtversorgungsobergrenze habe nicht das der Versorgungsordnung zugrundeliegende Prinzip durchbrochen, daß die Rentner nicht besser gestellt sein sollten als die aktiven Arbeitnehmer. Im Jahre 1967 sei bei einer Obergrenze von 80 % noch keine Überversorgung in störendem Umfange eingetreten. Dieses Vorbringen ist erheblich, vom Berufungsgericht aber nicht gewürdigt worden. Es ist also denkbar, daß die Anhebung der Obergrenze lediglich als Ausdruck einer besonderen Großzügigkeit gegenüber altgedienten Mitarbeitern zu verstehen war. Angesichts des ohnehin rechnerisch nicht völlig exakten Maßstabs der Obergrenze läßt sich nicht ausschließen, daß am Grundsatz der Gleichstellung der Aktiven und der Rentner festgehalten wurde und die Altgedienten lediglich einen (geringen) Vorsprung erhalten sollten. Dieser müßte sich dann aber auch in einer Neuregelung niederschlagen, durch die das Versorgungssystem der Beklagten an die geänderten Verhältnisse angepaßt wird. Bei der Zurückführung der Versorgungsordnung auf eine Nettoanpassung der Renten müßte den Rentnern mit mehr als 25 Dienstjahren erneut ein Versorgungsvorsprung von 5 % gegenüber den übrigen Mitarbeitern zugebilligt werden, weil die Gründe ihrer Besserstellung nichts mit den Gründen zu tun hätten, die die Beklagte für ihre Neuregelung anführt.
Wie die Anhebung der Obergrenze im Jahre 1967 zu beurteilen ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden, weil die dazu erforderlichen Feststellungen fehlen.
II. Eine Zurückverweisung an die Vorinstanz läßt sich nicht mit der Begründung vermeiden, daß die Neuregelung schon allein wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats unwirksam wäre.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Zusatzversorgungsbestimmungen keine Satzung einer autonomen Einrichtung, die die Befugnis zur Rechtsetzung hätte. Es handelt sich vielmehr um die betriebseinheitliche Regelung von Direktzusagen des Arbeitgebers. Für die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats ist allein das Betriebsverfassungsgesetz maßgebend.
Die Änderungen vom 1. Januar 1975 und 1. April 1981 bedurften der Zustimmung des Betriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da die betriebliche Altersversorgung Teil der betrieblichen Lohngestaltung ist (BAG Beschluß vom 18. März 1976 - 3 AZR 32/75 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu II B 2 der Gründe; BAG 38, 365, 369 = AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu 2 a der Gründe).
Ob die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorlagen, ist zwar eine Rechtsfrage, die nicht zur Disposition der Betriebspartner steht. Ist diese Frage aber zu bejahen, so schließt sich daran die weitere Frage an, wie die bisherige Regelung an die veränderten Umstände anzupassen ist. Dabei sind verschiedene Lösungen denkbar. Es besteht somit ein Entscheidungsspielraum mit einem entsprechenden Regelungsbedarf. Bei einer kollektiven Regelung muß die Anpassung mit dem Betriebsrat ausgehandelt werden. Es geht um Verteilungsgrundsätze und nicht um mitbestimmungsfreie Grundentscheidungen des Arbeitgebers oder reine Rechtsfragen, für die allein die Gerichte zuständig wären (Hilger, Festschrift für Larenz zum 80. Geburtstag, 1983, S. 241, 251).
2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist auch nicht deshalb im vorliegenden Fall unerheblich, weil der Kläger schon ausgeschieden war, als die Änderungen in Kraft traten. Zwar ist der Betriebsrat nach Auffassung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG 3, 1, 6 ff. = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG 1952, zu I 3 der Gründe) nicht legitimiert, in die Versorgungsrechte von Betriebsrentnern gestaltend einzugreifen. Die Änderungen vom 1. Januar 1975 und 1. April 1981 betreffen aber nicht in erster Linie die schon ausgeschiedenen Arbeitnehmer, sondern gestalten vor allem die zur Zeit der Änderungen bestehenden Arbeitsverhältnisse. Die aktiven Arbeitnehmer sollen künftig nicht mehr mit Betriebsrenten rechnen dürfen, die den Bruttobezügen folgen, sondern ihre Anwartschaft soll nur noch von den Nettobezügen abhängig sein. Soweit sie betroffen sind, greift das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ein.
Eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts hätte Folgen nicht nur für die aktive Belegschaft, sondern mittelbar auch für die Betriebsrentner, selbst wenn die Rechtsprechung des Großen Senats zur begrenzten Regelungsmacht des Betriebsrats unter der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes von 1972 weiterhin maßgebend bleibt. Ist nämlich die Neuregelung für die aktive Belegschaft wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts unwirksam, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie für die Rentner allein wirksam sein sollte. Die Unwirksamkeit für die bestehenden Arbeitsverhältnisse würde zur vollständigen Unwirksamkeit auch für die Versorgungsverhältnisse führen (§ 139 BGB analog).
3. Das Berufungsgericht hat nicht erörtert, ob der Betriebsrat im Streitfall den Neuregelungen zugestimmt hat. Das ist aber unstreitig. Die Parteien sind zwar unterschiedlicher Ansicht darüber, ob eine Betriebsvereinbarung Wirkungen auch für die Rentenbezieher entfalten könne, aber der Behauptung der Beklagten, der Betriebsrat habe der Neuregelung formlos zugestimmt, hat der Kläger nicht widersprochen. Zur Erfüllung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 BetrVG reicht eine formlose Regelungsabsprache aus. Eine Betriebsvereinbarung ist nicht geboten (jetzt einhellige Ansicht, vgl. die Nachweise bei GK-Wiese, BetrVG, § 87 Rz 45).
III. Bei der neuen Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht folgendes zu beachten haben:
1. Es wird zunächst zu prüfen sein, in welchem Ausmaß sich die Belastung der Löhne mit Abzügen von 1965 bis 1967 und von 1967 bis 1981 erhöht hat. Für die gleichen Zeitabschnitte wird festzustellen sein, in welchem Umfang die Gesamtversorgung der Rentner die Nettolöhne überstiegen hat. Abzustellen ist auf Durchschnittsbeträge. Ergibt sich, daß im Jahre 1965 eine Versorgung angestrebt wurde, die ungefähr den Nettoeinkünften der Aktiven entsprach, und ergibt sich weiter, daß Arbeitsvergütung und Versorgung zu den Zeiten der Änderungen der Versorgungsordnung erheblich auseinanderklafften, so durfte die Beklagte die Versorgungsordnung unter Beachtung der Mitbestimmung des Betriebsrats an die veränderten Verhältnisse anpassen. Einen von der Beklagten behaupteten Anstieg der Abzüge um rund 50 % und einen daraus resultierenden gleichzeitigen Anstieg der Gesamtversorgung um rund 15 % sieht der Senat als erheblich an. Hingegen wäre die Anpassung unberechtigt, wenn und soweit die Beklagte von vornherein Überversorgungen zugestanden hätte.
2. Sollten die Voraussetzungen einer Anpassung gegeben sein, wäre der Inhalt der Neuregelung auf seine Angemessenheit hin zu überprüfen. Dabei müßte sich das Landesarbeitsgericht erneut der Frage zuwenden, welche Bedeutung der Erhöhung der Obergrenze für Mitarbeiter mit mehr als 25 Dienstjahren im Jahre 1967 zukam. Auch wenn es zutrifft, wie die Beklagte behauptet, daß das Grundprinzip der Vermeidung von "Überversorgung" nicht aufgegeben wurde, durfte die dann möglicherweise zulässige Kürzung nicht dazu führen, daß die in der Versorgungsordnung zugesagte Besserstellung der "Altgedienten" aufgehoben wurde.
Jede Anpassung an die geänderten Verhältnisse, muß darauf Rücksicht nehmen, daß die Rentner ihre volle Gegenleistung bereits erbracht haben. Nur ausnahmsweise kann in die erdienten Besitzstände eingegriffen werden. Die Billigkeit muß generell und im Einzelfall gewahrt werden. Soweit das Anpassungsmodell der Beklagten die Dynamik der Betriebsrenten nicht beseitigt, sondern lediglich abschwächt, indem es von der Bruttolohnbezogenheit auf die Nettolohnbezogenheit übergeht, sind dagegen keine grundsätzlichen Bedenken zu erheben.
Dr. Dieterich Griebeling Dr. Peifer
Dr. Bermel Falkenstein
Fundstellen