Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers im Konkurs
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein Betrieb im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für schon entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang. Das bedeutet für Versorgungsansprüche, daß der Betriebserwerber nur den Teil der Leistung schuldet, den der Arbeitnehmer bei ihm erdient hat; für die beim Veräußerer bis zum Insolvenzfall erdienten unverfallbaren Anwartschaften haftet der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 17. Januar 1980, 3 AZR 160/79 = BAGE 32, 326 = AP Nr 18 zu § 613a BGB; zuletzt BAG Urteil vom 4.7.1989 3 AZR 756/87 = BAGE 62, 224 = AP Nr 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).
2. Diese durch die Eröffnung des Konkursverfahrens eingetretene Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers wird durch die spätere Einstellung des Konkursverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse (§ 204 KO) nicht berührt.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 30.10.1990; Aktenzeichen 6 Sa 1327/89) |
ArbG Herford (Entscheidung vom 25.04.1989; Aktenzeichen 3 Ca 506/88) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger eine betriebliche Altersrente zusteht und wer gegebenenfalls Rentenzahlungen zu erbringen hat, die Beklagte als Betriebserwerberin oder der Pensions-Sicherungs-Verein VVaG (PSV - Streithelfer) als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung.
Der am 1. März 1925 geborene Kläger war seit November 1972 bei der W. B GmbH & Co. KG beschäftigt. Über das Vermögen dieses Unternehmens wurde am 23. Juli 1985 das Konkursverfahren eröffnet.
Auf der Betriebsversammlung vom 24. Juli 1985 teilte der Konkursverwalter den Beschäftigten der Gemeinschuldnerin mit, er sei bemüht, einen Betriebserwerber zu finden, bei dem der Großteil der bisherigen Arbeitnehmer die Arbeit fortsetzen könnte, Voraussetzung dafür sei jedoch, daß eine Mehrzahl der Beschäftigten Eigenkündigungen ausspräche. Am Ende der Betriebsversammlung unterschrieben der Kläger sowie eine große Anzahl weiterer Mitarbeiter eine vorbereitete Kündigungsliste, die folgenden Text aufwies:
"Wegen erheblicher Lohnzahlungsrückstände kündige
ich hiermit mein Arbeitsverhältnis bei der Firma
Wilhelm B GmbH & Co. KG mit sofortiger Wir-
kung."
Am 29. Juli 1985 setzte die Beklagte die Produktion mit 230 vormals bei der Gemeinschuldnerin beschäftigten Arbeitnehmern fort. Der Kläger nahm die Arbeit bei der Beklagten am 31. Juli 1985 auf und arbeitete bei ihr bis zum 28. Februar 1988. Seit 1. März 1988 (Vollendung des 63. Lebensjahres) bezieht der Kläger vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Gemeinschuldnerin gewährte ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung über eine Unterstützungskasse in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Nach § 2 der Vereinssatzung der Unterstützungskasse vom 14. Oktober 1960 besteht der ausschließliche Zweck des Vereins in der freiwilligen Gewährung von Leistungen an Angehörige und ehemalige Angehörige der Gemeinschuldnerin im Alter, bei Berufsunfähigkeit sowie in Notfällen. § 10 Satz 2 der Satzung bestimmt:
"Richtungsweisend für die Leistungen des Vereins
ist der vom Vorstand jeweils aufzustellende Ge-
schäftsplan (Rentenplan) mit den sich daraus er-
gebenden Voraussetzungen."In dem erwähnten Rentenplan heißt es einleitend:
"Anspruchsberechtigt sind Belegschaftsmitglieder
der Firma Wilhelm B ... bei eintretender
Invalidität nach Beschlußfassung der Mitglieder-
versammlung vom 24.8.1961."
Das Konkursverfahren über das Vermögen der W. B GmbH & Co. KG wurde am 9. August 1988 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt.
Der Unterstützungskassenverein bestand auch nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der B GmbH & Co. KG fort. Von der Beklagten wurde die Unterstützungskasse nicht übernommen. Inzwischen ist die Kasse vermögenslos.
Der Kläger verlangt von der Beklagten ab 1. März 1988 (Vollendung des 63. Lebensjahres) die Zahlung einer betrieblichen Altersrente. Diese errechnet er nach dem Rentenplan bei einem zuletzt bezogenen Bruttojahreslohn bis zu 15.000,-- DM für eine Dienstzeit von 15 Jahren mit 37,50 DM monatlich.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Kündigung sei unwirksam. Dazu hat er behauptet, er habe die Kündigungsliste nur unterzeichnet, da in der Betriebsversammlung vom 24. Juli 1985 gesagt worden sei, eine neue Gesellschaft sei bereit, die Produktion mit einem Großteil der Mitarbeiter fortzusetzen, wenn die Beschäftigten zuvor kündigten. Weiter hat er die Auffassung vertreten, das mit der Gemeinschuldnerin bestehende Arbeitsverhältnis sei auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte schulde ihm daher als Betriebserwerberin die betriebliche Altersrente.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 75,-- DM
brutto rückständige Rente für die Monate März
und April 1988 nebst 4 % Zinsen seit 6. Mai
1988 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, jeweils am 15.
Kalendertag eines Monats beginnend mit dem
15. Mai 1988 an ihn 37,50 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger könne schon deshalb keine Altersrente beanspruchen, weil nach dem Rentenplan nur Leistungen für den Fall der Invalidität vorgesehen seien. Im übrigen hafte sie nicht für Zusagen der Gemeinschuldnerin. Das Arbeitsverhältnis des Kläger sei durch dessen Kündigung am 24. Juli 1985 vor der Betriebsübernahme wirksam beendet worden. Wegen der vorherigen Konkurseröffnung schulde allenfalls der PSV die Betriebsrente.
Der Kläger hat dem PSV den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit auf seiten des Klägers beigetreten. Der PSV hat den Kläger auch ermächtigt, den Anspruch auf Betriebsrente gegen die Beklagte im eigenen Namen für sich geltend zu machen.
Der Streithelfer hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe als Betriebserwerberin die Produktion ohne Betriebsunterbrechung fortgesetzt. Dies lasse darauf schließen, daß sie schon vor Konkurseröffnung errichtet worden und das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits vor Konkurseröffnung auf die Beklagte übergegangen sei. Jedenfalls müsse die Beklagte für den vollen Anspruch des Klägers einstehen; sie könne sich nicht auf die Regeln über die Haftungsbeschränkung eines Betriebserwerbers im Konkurs berufen. Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze fänden keine Anwendung, wenn ein Konkursverfahren mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt werde.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Beklagten muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden. Das Berufungsgericht hat noch aufzuklären, ob die in der Versorgungsordnung der B GmbH & Co. KG vorgesehene "Invalidenrente" auch die vom Kläger begehrte Altersrente umfaßt.
I.Gegen die Prozeßführungsbefugnis des Klägers bestehen keine Bedenken. Zwar gehen nach § 9 Abs. 2 BetrAVG Ansprüche des Berechtigten gegen den Arbeitgeber, die den Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung begründen, im Falle des Konkurses auf den PSV über. Der PSV hat jedoch den Kläger zur Prozeßführung im eigenen Namen bemächtigt. Diese gewillkürte Prozeßstandschaft ist zulässig (vgl. BAGE 42, 188, 192 = AP Nr. 2 zu § 9 BetrAVG, zu 3 c der Gründe, mit zustimmender Anmerkung von Blomeyer).
II.Der Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht dem Kläger eine betriebliche Altersrente zugesprochen hat, kann der Senat nicht folgen. Die Auslegung der Versorgungsordnung, wie sie das Berufungsgericht vorgenommen hat, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Es muß noch geklärt werden, was unter "Invalidität" im Sinne des Rentenplans zu verstehen ist.
1.Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Anspruch des Klägers auf Altersrente stehe nicht entgegen, daß nach dem Rentenplan der Unterstützungskasse nur Belegschaftsmitglieder bei "eintretender Invalidität" anspruchsberechtigt seien. Der Rentenplan des Vorstands habe die satzungsmäßigen Leistungen nicht einschränken können. Die Satzung sehe Leistungen im Alter vor. Der Vorstand sei nur berechtigt gewesen, die Voraussetzungen und die Höhe der in der Satzung vorgesehenen Leistungen zu bestimmen.
2.Mit dieser Beurteilung verkennt das Landesarbeitsgericht das Verhältnis von Satzung und Rentenplan. Die Ansprüche des Klägers können sich nur aus dem Rentenplan ergeben.
Die Satzung des rechtsfähigen Vereins ist seine Verfassung (§ 25 BGB). Sie enthält Bestimmungen über Namen, Zweck und Sitz des Vereins, über den Erwerb und den Verlust der Mitgliedschaft, über Beitragspflichten, über die Bildung des Vorstands und über die Voraussetzungen und die Form für die Einberufung der Mitgliederversammlung (§§ 57, 58 BGB). Darüber hinaus kann die Satzung weitere Bestimmungen enthalten, die die Tätigkeit des Vereins betreffen.
Im vorliegenden Fall enthält die Satzung nur die Mindestvorschriften. Sie regelt nicht Voraussetzungen und Höhe der Leistungen, die die begünstigten Arbeitnehmer erhalten sollen. Insoweit verweist die Satzung auf den Rentenplan, den der Vorstand aufzustellen hat. Das ist das bei Unterstützungskassen übliche und zweckmäßige Verfahren. Die Bestimmungen über Voraussetzung und Höhe der Leistung müssen häufig an geänderte Verhältnisse angepaßt werden. Wären diese Bestimmungen Bestandteil der Satzung, könnten sie nur nach Maßgabe des § 33 BGB in einem umständlichen Verfahren abgeändert werden. Deshalb wird die Aufgabe, die Leistungsvoraussetzungen im einzelnen zu regeln, meist dem Vereinsvorstand übertragen. Das ist auch hier geschehen. § 2 der Satzung bestimmt den Zweck des Vereins; § 10 sagt etwas über die Leistungen an die Begünstigten zum Verhältnis von Satzung und Leistungsrichtlinien bei einer Unterstützungskasse, die in der Rechtsform einer GmbH betrieben wird (vgl. Urteil des Senats vom 11. Februar 1992 - 3 AZR 113/91 -, zur Veröffentlichung bestimmt).
Bei seinen Beschlüssen muß sich der Vorstand an die Satzung halten. Er darf keine Leistungen beschließen, die nach dem Zweck des Vereins nicht vorgesehen sind. Er braucht aber andererseits die Möglichkeiten der Satzung nicht voll auszuschöpfen.
3.Maßgebend sind deshalb allein die Bestimmungen des Rentenplans. Das Landesarbeitsgericht hat bisher noch nicht geprüft, wie die im Rentenplan genannte Voraussetzung "bei eintretender Invalidität" zu verstehen ist. Dies wird es nachzuholen haben; denn hierauf kommt es entscheidend an.
Als "Invalidität" im Sinne des Rentenplans könnten die Fälle der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit verstanden werden. Dann hätte der Kläger keinen Anspruch auf betriebliche Altersrente. Invalidität könnte aber auch in einem weiteren Sinne verstanden werden, so daß neben der Berufs- und Erwerbsunfähigkeit auch der Fall des altersbedingten Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis mit umfaßt ist. (Alter als typischer oder normativ verstandener Fall der Invalidität).
Für die Auslegung wird es darauf ankommen, wie "Invalidität" im Beschluß der Mitgliederversammlung vom 24. August 1961 verstanden wurde. Auch dürfte es darauf ankommen, wie der Rentenplan in der Folgezeit praktiziert wurde, ob also ab 1961 nur solche ehemalige Belegschaftsmitglieder eine Betriebsrente erhielten, die wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ausschieden oder auch solche Arbeitnehmer, die altersbedingt aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden.
III.Soweit das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Versorgungsordnung der B GmbH & Co. KG dem Kläger einen Anspruch auf Altersrente gewährt, wird es zu beachten haben, daß der Klage nur teilweise stattgegeben werden könnte. Der Kläger könnte von der Beklagten nur den Teil der Rente verlangen, der auf der Beschäftigung nach der Konkurseröffnung beruht. Für den bis zur Konkurseröffnung erdienten Teil der Rente hätte der PSV als Träger der Insolvenzsicherung einzustehen.
1.Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der auf § 613 a BGB gestützte Anspruch gegen die Beklagte als Betriebserwerberin nicht an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers vor der Betriebsübernahme scheitert. Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete nicht am 24. Juli 1985. Die außerordentliche Kündigung des Klägers war unwirksam.
Werden Arbeitnehmer mit dem Hinweis auf eine geplante Betriebsveräußerung und Arbeitsplatzgarantien des Erwerbers veranlaßt, ihre Arbeitsverhältnisse mit dem Betriebsveräußerer selbst fristlos zu kündigen oder Auflösungsverträgen zuzustimmen, um dann mit dem Betriebserwerber neue Arbeitsverträge abschließen zu können, so liegt darin eine Umgehung des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB. Soweit unverfallbare Anwartschaften betroffen sind, wird darüber hinaus § 4 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG umgangen. Die fristlosen Kündigungen und Auflösungsverträge sind unwirksam (BAGE 55, 228 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).
Der Konkursverwalter hatte sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf der Betriebsversammlung vom 24. Juli 1985 darum bemüht, daß die Mehrzahl der Beschäftigten Eigenkündigungen aussprachen, und dabei erklärt, daß andernfalls eine Auffanggesellschaft, bei der eine Großzahl der bisherigen Mitarbeiter die Arbeit fortsetzen könnten, nicht gegründet werden könne. Die Listen für die Eigenkündigungen waren durch Bürokräfte der Gemeinschuldnerin, vermutlich auf Veranlassung des Konkursverwalters, vorgefertigt worden. Damit hat der Kläger die Kündigung nur wegen der Chance übernommen zu werden ausgesprochen.
2.Gleichwohl schuldet die Beklagte, die den Betrieb erst nach der Konkurseröffnung übernommen hat, allenfalls eine Teilrente. Der PSV hat für den bis zur Konkurseröffnung erdienten Teil der Rente (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG) einzustehen.
a)Geht ein Betrieb oder Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen anderen Inhaber über, so tritt dieser gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Zu den Rechten und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis gehören auch Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber die Altersversorgung über eine rechtlich selbständige Unterstützungskasse erbringen will (BAG Beschluß vom 5. Mai 1977 -3 ABR 34/76 - AP Nr. 7 zu § 613 a BGB; Urteil vom 15. März 1979 - 3 AZR 859/77 - AP Nr. 15 zu § 613 a BGB; BAGE 50, 62 = AP Nr. 4 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung; BAGE 60, 118, 125 = AP Nr. 6 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, zu II 2 a der Gründe; Urteil vom 23. Juli 1991 - 3 AZR 366/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
b)Wird der Betrieb im Rahmen eines Konkursverfahrens veräußert, ist § 613 a BGB insoweit nicht anwendbar, wie diese Vorschrift die Haftung des Betriebserwerbers für schon entstandene Ansprüche vorsieht. Insoweit haben die Verteilungsgrundsätze des Konkursverfahrens Vorrang. Das bedeutet für die betriebliche Altersversorgung, daß der Erwerber zwar in die Versorgungsanwartschaften der begünstigten Arbeitnehmer eintritt, daß er aber im Versorgungsfall nur die bei ihm erdiente Versorgungsleistung schuldet; für die beim Veräußerer bis zum Insolvenzfall erdienten unverfallbaren Anwartschaften haftet der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 17. Januar 1980, BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB; zuletzt für das gerichtliche Vergleichsverfahren Urteil vom 4. Juli 1989, BAGE 62, 224 = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).
Für die Beurteilung der Frage, ob ein Betrieb im Rahmen eines Konkursverfahrens oder außerhalb des Konkursverfahrens übergeht, kommt es auf den Zeitpunkt der Konkurseröffnung und der Betriebsübernahme an. Wird der Betrieb vor Eröffnung des Konkursverfahrens auf einen Erwerber übertragen, so treten die Rechtsfolgen des § 613 a BGB ohne eine Haftungsbegrenzung ein: Der Erwerber und nicht der PSV haftet dann für die beim Betriebsveräußerer erdienten Anwartschaften. Das gilt auch in den Fällen der Übernahme eines schon konkursreifen Betriebs (BAG Urteil vom 15. November 1978 - 5 AZR 199/77 - AP Nr. 14 zu § 613 a BGB) und der Ablehnung der Konkurseröffnung mangels einer ausreichenden Masse (BAGE 47, 206 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB).
Im Streitfall war der Konkurs am 23. Juli 1985 eröffnet worden. Erst danach ist der Betrieb auf die Beklagte übergegangen. Maßgeblich für den Betriebsübergang ist der Zeitpunkt, in dem der Erwerber die Leitungsmacht im Betrieb im Einvernehmen mit dem Betriebsveräußerer ausüben kann (BAG Urteil vom 23. Juli 1991 - 3 AZR 366/90 - zur Veröffentlichung vorgesehen; BAG Urteil vom 16. Oktober 1987 - 7 AZR 519/86 - AP Nr. 69 zu § 613 a BGB). Die Leitungsmacht konnte die Beklagte vor der Konkurseröffnung am 23. Juli 1985 nicht ausüben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte der Konkursverwalter auf der Betriebsversammlung vom 24. Juli 1985 erklärt, er bemühe sich, eine Auffanggesellschaft zu finden. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Auffanggesellschaft sei am 28. Juli 1985 "installiert" gewesen. Es gibt nicht genügend Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte bereits vor der Konkurseröffnung die Leitungsmacht hätte übernehmen können. Dagegen spricht, daß die Beklagte auf der Betriebsversammlung vom 24. Juli 1985 nicht einmal vertreten war. Der Umstand, daß die Beklagte bereits am 29. Juli 1985 die Produktion fortsetzte, reicht nicht für die Annahme aus, die Beklagte hätte bereits zur Zeit der Konkurseröffnung die Leitungsmacht im Betrieb übernehmen können.
3.Diese durch die Eröffnung des Konkursverfahrens eingetretene Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers wird entgegen der Auffassung des PSV und des Landesarbeitsgerichts durch die spätere Einstellung des Konkursverfahrens mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse (§ 204 KO) nicht berührt.
a)Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Grundsätze der Konkursordnung stünden einer Anwendung des haftungsrechtlichen Teils des § 613 a BGB deshalb nicht entgegen, weil das Konkursverfahren letztlich nicht durchgeführt, sondern am 9. August 1988 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt worden sei. Da es zu keiner gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gekommen sei, entfalle der Grund für die Haftungsbeschränkung des Betriebserwerbers. Für die nachträgliche Einstellung des Konkursverfahrens könne nichts anderes gelten als für die Ablehnung der Eröffnung des Konkursverfahrens. Dem kann der Senat nicht zustimmen.
b)Zuzugeben ist dem Landesarbeitsgericht, daß für die einschränkende Anwendung des § 613 a BGB im Konkursverfahren der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung maßgeblich war und nicht die Gewährleistung eines angemessenen Insolvenzschutzes der versorgungsberechtigten Arbeitnehmer (BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613 a BGB; BAGE 47, 206, 212 = AP Nr. 38 zu § 613 a BGB, zu 2 b der Gründe). Deshalb hat der Senat auch eine Haftung des Betriebserwerbers nach § 613 a BGB angenommen, wenn der bisherige Arbeitgeber zur Zeit der Betriebsveräußerung zahlungsunfähig war und ein Konkursverfahren nur deshalb nicht durchgeführt werden konnte, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Masse nicht mehr vorhanden war. Der Senat hat dies damit begründet, daß außerhalb eines Konkursverfahrens der Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht gelte (BAGE 47, 206, 213 = AP, aaO).
Die Entscheidung des Senats darf aber nicht mißverstanden werden. Sie gilt nicht für den Fall der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse (a.A. Paulsdorff in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl., § 7 Rz 61 c). Die Rechtsfolgen, die mit der Eröffnung des Konkursverfahrens eintreten, können nicht als ungeschehen behandelt oder rückgängig gemacht werden. Nach der Eröffnung des Konkursverfahrens hat der Konkursverwalter das Vermögen des Gemeinschuldners in Besitz und Verwaltung zu nehmen und zu verwerten (§ 117 Abs. 1 KO). Danach wird die bare Masse an die Konkursgläubiger verteilt (§ 149 KO). Das geschieht nach dem Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Damit gehen auch die konkursrechtlichen Verteilungsgrundsätze der Haftung des Betriebsübernehmers nach § 613 a BGB vor. Für die Annahme einer Haftungsbeschränkung genügt die Chance gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung. Ob es letztlich zur konkursrechtlichen Gläubigerbefriedigung kommt, ist unerheblich. Deshalb kann die durch die Eröffnung des Konkurses eingetretene Haftungsbeschränkung nicht dadurch entfallen, daß das Konkursverfahren nach der Betriebsübernahme mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt wird. Dabei kann es auch nicht darauf ankommen, ob bei Konkurseröffnung bereits Massearmut bestand und das Konkursverfahren vielleicht hätte gar nicht eröffnet werden dürfen.
Gegen den späteren Wegfall der Haftungsbeschränkung sprechen auch praktische Gründe. Die Konkurseröffnung ist ein Sicherungsfall im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG. Der PSV hat nach Maßgabe dieser Bestimmung bei Eintritt des Versorgungsfalles die Ansprüche der Arbeitnehmer zu erfüllen. Darum gehen die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber und das Vermögen einer Unterstützungskasse auf ihn über (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 BetrAVG). Alle diese mit der Konkurseröffnung verknüpften Wirkungen entfallen nicht mit der Einstellung des Konkursverfahrens mangels Masse. Das Betriebsrentengesetz geht von einem endgültigen und nicht von einem nur vorläufigen Forderungs- und Vermögensübergang aus.
4.Das Berufungsgericht wird gegebenenfalls die Teilrente zu berechnen haben. a)Gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB tritt der Erwerber eines Betriebs in alle Rechte und Pflichten aus den zur Zeit des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen ein. Das gilt auch für die bestehenden Versorgungsanwartschaften (statt aller BAGE 29, 94, 98 = AP Nr. 6 zu § 613 a BGB, zu 1 der Gründe). Im Konkurs ist die Haftung des Erwerbers allerdings eingeschränkt. Für die bis zur Konkurseröffnung erdienten Rechte hat der PSV einzustehen. Der Betriebserwerber hat nur die Leistung zu erbringen, die der Arbeitnehmer bei ihm erdient hat (BAGE 62, 224 = AP Nr. 10 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung).
b)Im Streitfalle müßte - falls eine Altersrente zu zahlen wäre - der zwischen den Parteien rechnerisch unstreitige volle Rentenbetrag von monatlich 37,50 DM im Verhältnis der Beschäftigungszeit bis zur Konkurseröffnung (November 1972 bis Juli 1985 = 153 Monate) zur Beschäftigungsdauer bis zum Alter 65 (November 1972 bis Februar 1990 = 208 Monate) geteilt werden. Für 27,58 DM (37,50 DM x 153 : 208) hätte der PSV nach § 7 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG einzutreten. Den Rest, nämlich 9,92 DM monatlich, müßte die Beklagte zahlen.
Dr. Heither Griebeling Dr. Wittek
Fieberg Oberhofer
Fundstellen
Haufe-Index 438321 |
DB 1992, 2559-2560 (LT1-2) |
DStR 1993, 334 (T) |
NJW 1993, 157 |
NJW 1993, 157 (L) |
BetrVG, (7) (LT1-2) |
EWiR 1992, 859 (L) |
KTS 1992, 658-662 (LT1-2) |
NZA 1993, 20 |
NZA 1993, 20-23 (LT1-2) |
RdA 1992, 284 |
ZAP Fach 17 R, 41 (S) |
ZIP 1992, 1247 |
ZIP 1992, 1247-1250 (LT1-2) |
AP § 1 BetrAVG, Nr 13 |
AR-Blattei, ES 460 Nr 278 (LT1-2) |
EzA § 613a BGB, Nr 97 (LT1-2) |
VersR 1993, 338-340 (LT1-2) |