Urteile zur betrieblichen Altersversorgung

Das Bundesarbeitsgericht und verschiedene Finanzgerichte hatten sich in den vergangenen fünf Quartalen mit mehreren Aspekten der betrieblichen Altersversorgung  beschäftigt. Die wichtigsten Urteile und ihre Konsequenzen im Überblick.

Klare Worte zur Hinterbliebenenversorgung und dem verpflichtenden Arbeitgeberzuschuss fand das Bundesarbeitsgericht (BAG). Und auch fünf Entscheidungen aus dem Steuerrecht sollten Personalverantwortliche kennen. 

Hinterbliebenenversorgung bei Ehe nach Ausscheiden 

Zu Beginn des Jahres 2022  musste das BAG klären, ob auch eine Ehefrau zu den Hinterbliebenen zählt, wenn die Ehe erst nach Dienstaustritt geschlossen wird. Nach Auffassung des BAG ist – soweit sich aus der Versorgungsordnung selbst keine andere Begriffsbestimmung ergibt – Witwe oder Witwer, wer zum Zeitpunkt des Todes mit dem Verstorbenen verheiratet war (BAG, Urteil vom 2.12.2021, Az. 3 AZR 212/21). Dass die Ehe erst nach dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis geschlossen wurde, stand im vorliegenden Fall nach der Formulierung in der Versorgungzusage einem Anspruch nicht entgegen. Dort war die Witwenrente nur für den Fall ausgeschlossen, dass die Ehe erst nach dem Beginn der Altersrente geschlossen wird. Das BAG betonte jedoch nochmals, dass auch andere Regelungen möglich sind, welche die Hinterbliebenenleistung nur auf Witwen oder Witwer beschränken, mit denen die Ehe noch während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses geschlossen wurde. In der Versorgungszusage könnten dann jene Fälle ausgeschlossen werden, in denen die Heirat erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder nach einem vorzeitigen Ausscheiden zustande kam. 

Ein Jahr Mindestehe ist zulässig 

In einer zweiten Entscheidung zur Hinterbliebenenversorgung war die Zulässigkeit einer einjährigen Mindestehedauerklausel fraglich (BAG, Urteil vom 2.12.2021, Az. 3 AZR 254/21). Der Arbeitgeber kann hier Hinterbliebenenleistungen versprechen, muss es jedoch nicht. Vor allem ist er nicht gehalten, sich den Regeln der gesetzlichen Sozialversicherung anzuschließen und für die betriebliche Versorgung gleiche oder entsprechende Regeln aufzustellen. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, ein Risiko nur so lange abzusichern, wie es sich nicht bereits konkretisiert hat. Damit kann er objektive Versorgungsehen ausschließen. Dies berechtigt ihn außerdem, angemessene Fristen vorzusehen. Einen Zeitraum von zwölf Monaten zwischen Eheschließung und Todeseintritt als Mindestehedauer zu vereinbaren, war hier also gerechtfertigt. Zudem war in der Klausel eine Nachweismöglichkeit vorgesehen, dass sich das Risiko noch nicht im Zeitpunkt der Eheschließung konkretisiert hatte. Dieser Nachweis konnte vorliegend nicht erbracht werden, da die schwere Erkrankung bereits bei Eheschließung feststand.

Individuelle Zusage hat nicht immer Vorrang 

In einer weiteren Entscheidung hatte sich das BAG mit der Übernahme einer individuellen Zusage vom ehemaligen Arbeitgeber zu befassen (BAG, Urteil vom 2.12.2021, Az. 3 AZR 123/21). Der Mitarbeiter war dabei gleichzeitig vom Versorgungssystem des neuen Arbeitgebers ausgeschlossen worden. Grundsätzlich können die Arbeitsvertragsparteien nach Ansicht des BAG die Zusage und den Umfang der betrieblichen Altersversorgung frei gestalten, also auch Arbeitnehmer, denen bereits eine individuelle Zusage auf betriebliche Altersversorgung erteilt wurde, von einem kollektiven Versorgungswerk ausnehmen. Wenn sich Arbeitgeber allerdings für ein kollektives System der betrieblichen Altersversorgung in ihrem Unternehmen entscheiden, können sie einzelne Arbeitnehmer nicht aus der kollektiv anwendbaren Altersversorgung ausnehmen, wenn dies nach den Gesamtumständen zu einer einseitigen gravierenden Benachteiligung führt. Denn als milderes Mittel hätte die Möglichkeit bestanden, in solchen Fällen den Arbeitnehmer in das Firmenmodell einzubeziehen und den Ausschluss von Leistungen durch eine Anrechnungsregel zu ersetzen. Daher war der Verzicht auf Aufnahme in das kollektive Versorgungswerk, den der Arbeitnehmer bei Vertragseinstellung unterschrieben hatte, unwirksam.

Zuschusspflicht für ältere Zusagen erst ab 2022

Das BAG hat sich zudem in zwei Verfahren mit der Frage befasst, inwieweit durch einen Tarifvertrag von der gesetzlichen Verpflichtung zum Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung abgewichen werden kann. Dabei ging es um Versorgungszusagen, die vor 2019 erteilt wurden. In dem ersten Urteil (BAG, Urteil vom 8.3.2022, Az. 3 AZR 361/21) stellte das BAG zunächst fest, dass ein zusätzlicher Arbeitgeberzuschuss für individual- und kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1.1.2019 geschlossen wurden, frühestens ab 2022 verlangt werden könne. Der Tarifvertrag aus dem Jahr 2008, der hier aufgrund beidseitiger Tarifbindung zur Anwendung kam, sei eine abschließende kollektivrechtliche Entgeltumwandlungsvereinbarung im Sinne des § 26a BetrAVG (Betriebsrentengesetz). Er enthalte einen Anspruch auf Entgeltumwandlung und gestaltet diesen aus. Ebenso stellte das BAG klar, dass es nicht entscheidend sei, wann die jeweilige individuelle Entgeltumwandlungsvereinbarung umgesetzt wird (hier erst 2019). 

Keine Zuschusspflicht bei abweichendem Haus­tarifvertrag

Auch in dem zweiten Urteil (BAG, Urteil vom 8.3.2022, Az. 3 AZR 362/21) lehnte das BAG den geforderten Arbeitgeberzuschuss ab. Das Gericht stellte fest, dass der Haustarifvertrag aus dem Jahr 2019 eine abweichende Regelung enthält. Das Betriebsrentengesetz erlaubt Tarifvertragsparteien hier abweichend vom Gesetz auch andere Regelungen zu vereinbaren (§ 19 Abs. 1 BetrAVG). Die abweichende Vereinbarung wurde nach Inkrafttreten der neuen Regelung zum Arbeitgeberzuschuss geschlossen und hat insoweit Gültigkeit. Offen gelassen hat das BAG die Frage, ob auch ältere Tarifverträge eine Abbedingung der gesetzlichen Regelung sein können und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen ein bereits bestehender Arbeitgeberzuschuss auf den gesetzlichen Zuschuss angerechnet werden darf.

Abgrenzung von Alt- und Neuzusagen

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit Urteil vom 1.9.2021 (VI R 21/19) zu einem Fall geäußert, in dem für eine versorgungsberechtigte Person Direktversicherungen bestehen, die sowohl vor als auch nach 2005 abgeschlossen wurden. Von der Einordnung als Alt- beziehungsweise Neuzusage hängt es ab, ob eine Direktversicherung vorgelagert pauschal oder nachgelagert zu besteuern ist. Nach Einschätzung des BFH ist bei der Frage, wann die jeweilige Zusage als erteilt gilt, grundsätzlich auf die arbeitsrechtliche beziehungsweise betriebsrentenrechtliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers abzustellen. Dies ist anhand des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen. Der BFH erteilt damit der Praxis der Finanzverwaltung eine Absage, die bislang anhand pauschaler Kriterien die Einordung von Versorgungszusagen in eine Alt- beziehungsweise Neuzusage vornehmen wollte. Insbesondere lehnt der BFH ab, dass bei Erhöhungen einer bAV in der Regel weiterhin von einer Altzusage auszugehen sei, wenn die betreffende Versorgungszusage nicht um zusätzliche biometrische Risiken (Alter, Invalidität, Tod) erweitert werde.

Erdienbarkeit und Probezeit bei Entgeltumwandlung von GGF unbeachtlich

Die Finanzverwaltung verlangt für die steuerliche Anerkennung einer einem Gesellschafter-Geschäftsführer (GGF) erteilten Versorgungszusage unter anderem, dass diese bei Zusageerteilung noch erdienbar sein müsse. Dabei unterscheidet die Finanzverwaltung bislang nicht zwischen arbeitgeber- und arbeitnehmerfinanzierten Versorgungszusagen. Dieser Auffassung ist der BFH bei Entgeltumwandlungszusagen bereits vor Jahren bei beherrschenden GGF im Hinblick auf die zehnjährige Zusagedauer entgegengetreten. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf stellt mit seinem Urteil vom 16.11.2021 (6 K 2196/17) klar, dass für die Erdienbarkeit auch kein Höchstzusagealter einzuhalten ist. Zudem war in dem zu entscheidenden Fall die Zusage bereits unmittelbar nach Gründung der GmbH erteilt worden. Insofern waren weder die personenbezogene Probezeit von zwei bis drei Jahren noch die firmenbezogene Probezeit von fünf Jahren erfüllt, welche die Finanzverwaltung zur Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Versorgungszusagen an GGF machen will. Auch dieses Kriterium hielt das FG bei einer arbeitnehmerfinanzierten Versorgungszusage nicht für einschlägig. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die bAV nicht nur zum Schein auf einer Entgeltumwandlung beruhe. 

Fünftel­ungs­regelung nach § 34 EStG

Erneut hatte der BFH sich mit der sogenannten Fünftelungsregelung nach § 34 Einkommensteuergesetz (EStG) zu befassen. Diese sieht vor, dass die Einkommensteuer, die auf bestimmte außerordentliche Einkünfte anfällt, progressionsmindernd zu bemessen ist. Die Frage, welche Leistungen der bAV  zu solchen außerordentlichen Einkünften zählen, ist ein Dauerbrenner vor den deutschen Finanzgerichten. Dort teilt man die Ansicht der Finanzverwaltung nicht, dass nur/auch bei Einmalzahlungen in den Durchführungswegen Direktzusage und Unterstützungskasse die Anwendung der Fünftelungsregelung in Betracht kommt. Außerordentlich, so seit längerer Zeit die Auffassung des BFH, ist eine Einmalzahlung allenfalls dann, wenn sie für „den betreffenden Lebens-, Wirtschafts- und Regelungsbereich atypisch“ ist. Dies sei anhand statistischen Materials zu prüfen. Das FG Köln hatte sich nun im Rahmen seines Urteils vom 30.9.2021 (15 K 855/18), mit der Frage zu befassen, wie zu verfahren sei, wenn ein solches nicht beizubringen ist. Es lehnte für diesen Fall die Einordnung der Auszahlung als atypisch mit der Begründung ab, dass das betreffende Pensionskassen-Versorgungswerk eine Kapitalisierungsoption enthielt – also die Kapitalauszahlung ausdrücklich zuließ. 

Einkünftezurechnung bei doppelter Treuhand

Der BFH hat sich auch mit der Einkünftezurechnung bei einer sogenannten doppelten Treuhand befasst. Nach der Insolvenz einer Arbeitgeberin, die zur Sicherung der Pensionsansprüche ihrer Mitarbeiter ein CTA (Contractual Trust Arrangement) eingerichtet hatte, war zwischen dem Treuhänder als rechtsfähigem Verein und dem Finanzamt strittig, wem die Dividenden aus den im Treuhandvermögen befindlichen Aktien nach dem Eintritt des Sicherungsfalls steuerrechtlich zuzuordnen sind. In den entsprechenden Körperschaftsbescheiden hatte das Finanzamt die Dividenden als Vermögen des Vereins angesehen, wogegen dieser sich wehrte. Der BFH gab dabei dem Verein Recht (Urteil vom 4.5.2022, Az. I R 19/18). Bei Treuhandverhältnissen sind Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen, soweit ein steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis vorliegt. Dies hat der BFH in vorliegendem Fall auf Grundlage des geschlossenen Treuhandvertrages bejaht.

Zufluss bei Zeitwertkonten

Beim BFH ist die Frage anhängig, ob Arbeitslohn, der auf einem Zeitwertkonto gutgeschrieben wird, beim Fehlen einer Zeitwertkontengarantie im Sinne des § 7b SGB IV nicht erst mit der Auszahlung des Arbeitslohns, sondern – wie es die Finanzverwaltung beurteilt – bereits mit dessen Gutschrift auf dem Zeitwertkonto dem Begünstigten mit steuerlicher Wirkung zufließt (VI R 28/21). Die Vorinstanz (Thüringer Finanzgericht, Urteil vom 25.11.2021, Az. 4 K 122/18) hatte einen solchen Zufluss bei fehlender Garantie nicht angenommen.  

Das Hessische FG hatte die Zuführungen auf das Zeitwertkonto eines beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführers (bGGF) steuerlich zu beurteilen (Urteil vom 29.9.2021, Az. 4 K 1476/20). Solche sind nach Ansicht des FG zumindest dann nicht als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren, wenn die Verwendung des Wertguthabens auf eine Vorruhestandsphase beschränkt ist und der bGGF bei Eintritt in den Vorruhestand als Organ der Gesellschaft ausscheidet. Die Finanzverwaltung lehnt die steuerliche Anerkennung von Zeitwertkonten für bGGF hingegen in der Regel ab.


Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin Ausgabe 4/2023. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.