Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Internationales Privatrecht. Kündigung eines Außendienstmitarbeiters. Anwendung belgischen oder deutschen Rechts bei Sitz des Arbeitgebers in Belgien und Tätigkeit des Arbeitnehmers im deutschsprachigen Raum. Kündigungsentschädigung nach belgischem Recht
Orientierungssatz
- Nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf bei Arbeitsverträgen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch zwingende Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre.
- Danach unterliegt zwar auch der Arbeitsvertrag dem nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB für alle schuldrechtlichen Verträge geltenden Grundsatz der Privatautonomie. Jedoch können hierdurch zwingende Bestimmungen des ohne Rechtswahl nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB anwendbaren Rechts nicht abbedungen werden. Die Regelalternativen sind voneinander durch ein komplementäres Kriterium abgegrenzt: Arbeit muss entweder genau in einem Staat oder nicht genau in einem Staat verrichtet werden. Diese Voraussetzungen können nicht gleichzeitig vorliegen.
- Primäre Anknüpfungskriterien im Rahmen des Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers und der Wohnsitz des Arbeitnehmers, also die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses.
- Ergänzend ist die Vertragsdimension, also Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden.
- Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt
Normenkette
EGBGB Art. 27, 30
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Freiburg – vom 15. Oktober 2002 – 11 Sa 49/02 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Kündigungsentschädigung nach belgischem Recht.
Der in V… wohnhafte Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, unterzeichnete im Jahre 1984 in Brüssel einen Anstellungsvertrag in deutscher Sprache mit der Beklagten, einem belgischen Unternehmen, das Zahlungsverkehrs-Terminals herstellt.
Der Anstellungsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
“§ 1 – Vertragsgegenstand
Der Unternehmer stellt den Vertreter im Angestelltenverhältnis als Handlungsreisenden ein. Aufgabe des Vertreters ist es, die Kunden des Unternehmers aufzusuchen und Aufträge für den Unternehmer und die von ihm vertriebenen Produkte zu suchen.
§ 2 – Vertragsbeginn und Dauer
Das Arbeitsverhältnis beginnt am 15.12.1983.
Die Zeit bis 30.6.1984 gilt als Probezeit. Innerhalb dieser Probezeit, kann jede Partei den Vertrag kündigen unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Monat der am Ende eines Kalendermonats anfängt.
Ohne Ausspruch einer Kündigung, endet der Vertrag mit Ablauf des Monats, in dem der Vertreter das 65. Lebensjahr vollendet.
…
§ 4 – Aufgaben des Vertreters
Der Vertreter hat dem Unternehmer seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Bei Vertragsverhandlungen ist er an die allgemeinen Vertragsbedingungen und Richtlinien des Unternehmers sowie an etwaige besondere Einzelanweisungen gebunden. Der Vertreter hat über seine Tätigkeit wöchentlich zu berichten und alle verlangten Informationen zu geben, insbesondere über Besuche, Kontakte, Beobachtungen usw. Ebenso hat er für die jeweils kommende Woche seinen Wochenplan schriftlich vorzulegen.
Zum Inkasso ist der Vertreter nur ausnahmsweise und nach vorheriger ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung des Unternehmers berechtigt.
§ 5 – Vertragsgebiet
Das Vertragsgebiet ist die Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin, Österreich und die Schweiz.
§ 6 – Arbeitszeit
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt mindestens 40 Stunden wöchentlich, richtet sich im übrigen aber nach den speziellen Erfordernissen der Branche und der Wünsche der Kunden. Im Hinblick auf die Höhe des vereinbarten Gehaltes sind Über-Stunden durch das Gehalt mit abgegolten.
Der Vertreter hat sich bei der Einteilung seiner Arbeitszeit nach den betrieblich üblichen und sachlichen Gegebenheiten der von ihm anzusprechenden und zu besuchenden möglichen Kunden zu richten.
…
§ 15 – Berichte
Der Vertreter ist verpflichtet, dem Unternehmer wöchentlich Mitteilungen über seine Tätigkeit zu übersenden. …
Die Vertragsparteien sind darüber einig, daß die Verletzung dieser Verpflichtungen eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt und nach erfolgloser Abmahnung Grund zur fristlosen Kündigung sein kann.
…
§ 23 – Erfüllungsort, anwendbares Recht und Gerichtsstand Dieser Vertrag unterliegt deutschem Recht, Erfüllungsort ist BRUESSEL, Gerichtsstand für alle Streitigkeiten aus diesem Vertrag ist V.…”
Weiterhin vereinbarten die Parteien in § 7 des Anstellungsvertrags die Zahlung eines Gehalts und einer Provision, zahlbar in belgischen Franc, wobei die Zahlung später dauerhaft auf DM umgestellt wurde. Der Kläger sollte für die Beiträge zur Krankenversicherung selbst verantwortlich sein, ebenso für die Abführung der von ihm zu entrichtenden Steuern. Ferner verpflichtete sich der Kläger, die Anmeldung zur Sozial-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung selbst vorzunehmen. Der Anstellungsvertrag enthielt des Weiteren Regelungen über das Verhalten bei Arbeitsverhinderungen und die Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, den Urlaub, die Verschwiegenheitspflicht, eine Schriftformklausel und das Vertragsschicksal bei Teilnichtigkeit. Nach einer Vertragslaufzeit von sechs Monaten erhielt der Kläger einen Dienstwagen auch zur Privatnutzung. Hierüber schlossen die Parteien 1986 eine gesonderte Vereinbarung ebenfalls in deutscher Sprache.
In der Folgezeit entfaltete der Kläger, der der einzige Arbeitnehmer der Beklagten in Deutschland war, in seinem Reisegebiet für die Beklagte Verkaufstätigkeiten. Sein Verkaufsgebiet wurde mit der Zeit auch auf die skandinavischen Länder ausgedehnt. Dienstreisen zu entfernteren Kunden erfolgten in der Regel im Flugverkehr, wobei der Kläger von Stuttgart und Zürich, sehr häufig aber auch von Brüssel aus die Kunden aufsuchte. Am Firmensitz der Beklagten in Brüssel, später in Z… bei Brüssel, nutzte der Kläger ein Büro, über dessen Ausstattung und Bedeutung die Parteien ebenso streiten wie über den zeitlichen Umfang der beruflichen Tätigkeiten des Klägers in Brüssel bzw. von Brüssel aus.
Mit Schreiben vom 7. Januar 1997 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 1997. Hiergegen erhob der Kläger am 23. Juli 1997 beim Arbeitsgericht Brüssel Klage und machte Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 331.660,40 DM geltend. Die Klage wurde vom Arbeitsgericht Brüssel rechtskräftig abgewiesen, weil auf Grund wirksamer Vereinbarung in Art. 23 des Arbeitsvertrags nicht das belgische, sondern das deutsche Gericht zuständig sei (Arbeitsgericht Brüssel – Berufungsurteil vom 6. Februar 2001 – A.R. 39.2 98).
Mit seiner am 31. Dezember 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger – soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse – die Zahlung einer Entlassungsentschädigung nach belgischem Recht verlangt.
Er vertritt die Auffassung, auf das Arbeitsverhältnis finde entgegen der im Arbeitsvertrag getroffenen Rechtswahl belgisches Recht Anwendung, da eine engere Beziehung zum belgischen als zum deutschen Rechtskreis bestanden habe. Er habe im Verlauf des Arbeitsverhältnisses immer häufiger und zuletzt überwiegend in Brüssel gearbeitet und von dort aus seine Dienstreisen angetreten. Ferner sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihren Sitz in Belgien habe. Das belgische Recht sei für ihn günstiger als das deutsche. Er könne die Zahlung von insgesamt 270.160,90 DM = 138.131,07 Euro (Rückkehrprämie, Abschlagszahlung in Anwendung der Formel Claeys, Abstandsentschädigung) verlangen.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 270.160,90 DM nebst 10 % Zinsen hieraus seit 1. Juli 1997 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält unter Verweis auf die im Arbeitsvertrag getroffene Rechtswahl deutsches Recht für anwendbar. Im Hinblick auf die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers, seinen Wohnsitz in Deutschland und die Tatsache, dass der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit des Klägers in Deutschland und den deutschsprachigen Ländern gelegen habe, seien keine engeren Beziehungen zum belgischen Recht gegeben.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
- Das Landesarbeitsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: Auf das Arbeitsverhältnis finde nicht belgisches, sondern deutsches Recht Anwendung. Die Rechtswahl der Parteien im Arbeitsvertrag sei nach Art. 27 ff. EGBGB wirksam. Art. 30 EGBGB stehe der vereinbarten Anwendung deutschen Rechts nicht entgegen. Zwar beinhalte das belgische Recht hinsichtlich der Dauer der Kündigungsfrist eine zwingende günstigere Regelung als das deutsche Kündigungsrecht. Jedoch ergebe sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zum deutschen Staat aufweise (Art. 30 Abs. 2 2. Halbs. EGBGB). Für die Anwendung belgischen Rechts spreche lediglich der Ort der einstellenden Niederlassung. Der Arbeitsort des Klägers habe nicht in Belgien gelegen; der Schwerpunkt seiner Tätigkeit als Handlungsreisender liege, wie auch der Anstellungsvertrag zum Ausdruck bringe, im Aufsuchen der Kunden, die ihren Sitz überwiegend in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den skandinavischen Ländern gehabt hätten. Nicht entscheidend sei, wieviel Zeit der Kläger am Sitz der Beklagten in Brüssel verbracht habe. Für eine engere Beziehung zum deutschen Recht sprächen die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers und sein Wohnsitz in Deutschland, wobei die Parteien diesen Kriterien zulässigerweise besonderes Gewicht beigemessen hätten. Unter Berücksichtigung der Verwendung von Deutsch als Vertragssprache, der Vereinbarung typisch deutscher Vertragsbestandteile, der Unterwerfung des Vertrags unter den Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers und der Währung, in der die Vergütung erfolgte, sei deutsches Recht anzuwenden.
Dem folgt der Senat im Ergebnis und überwiegend auch in der Begründung.
1. Zu Recht und in Übereinstimmung mit der rechtskräftigen Entscheidung des Arbeitsgerichts Brüssel ist das Landesarbeitsgericht von der internationalen Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichte ausgegangen.
2. Zutreffend ist auch der Ausgangspunkt des Landesarbeitsgerichts, wonach auf das Arbeitsverhältnis des Klägers das deutsche internationale Privatrecht in der Fassung des Gesetzes vom 25. Juli 1986 zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts anzuwenden ist. Der Senat hat die zunächst (24. August 1989 – 2 AZR 3/89 – BAGE 63, 17)noch offen gelassene Frage, ob das frühere Internationale Privatrecht bei Dauerschuldverhältnissen wie Arbeitsverhältnissen auch dann anwendbar bleibt, wenn der zugrunde liegende Vertrag, wie hier der Arbeitsvertrag des Klägers, vor dem 1. September 1986 abgeschlossen wurde, inzwischen (29. Oktober 1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297)verneint. Er hat dazu ausgeführt, die Zuordnung der Dauerschuldverhältnisse unter die Neuregelung entspreche dem Ziel des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ) vom 19. Juni 1980, das Recht auf dem Gebiet des internationalen Schuldvertragsrechts zu vereinheitlichen. Ferner hat er auf die ansonsten auf unabsehbare Zeit eintretende Rechtsspaltung des Kollisionsrechts verwiesen. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Sie wird auch überwiegend in der Literatur vertreten (vgl. nur Rüthers/Heilmann in Anm. zu BAG 24. August 1989 – 2 AZR 3/89 – EzA EGBGB Art. 30 Nr. 1; MünchKomm-Sonnenberger Art. 220 EGBGB Rn. 22).
3. Auch die weitere Würdigung des Berufungsgerichts, nach Art. 27 Abs. 1, Art. 30 EGBGB sei deutsches Recht anzuwenden, ist nicht zu beanstanden.
a) Die Parteien haben im Arbeitsvertrag die Anwendung deutschen Rechts vereinbart, was nach dem in Art. 27 Abs. 1 EGBGB niedergelegten Prinzip der Parteiautonomie grundsätzlich möglich ist (vgl. nur MünchKomm-Martiny Art. 27 EGBGB Rn. 7; Junker Internationales Arbeitsrecht im Konzern S. 198).
b) Nach Art. 30 Abs. 1 EGBGB darf bei Arbeitsverträgen die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch zwingende Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Abs. 2 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Danach unterliegt zwar auch der Arbeitsvertrag dem nach Art. 27 Abs. 1 EGBGB für alle schuldrechtlichen Verträge geltenden Grundsatz der Privatautonomie. Jedoch können hierdurch zwingende Bestimmungen des ohne Rechtswahl nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB anwendbaren Rechts nicht abbedungen werden. Art. 30 Abs. 2 EGBGB enthält in den Nrn. 1 und 2 des Halbs. 1 die alternativen Regelanknüpfungen des Arbeitsortes sowie der einstellenden Niederlassung. Das so bestimmte Recht ist jedoch nach der Ausnahmeklausel des Halbs. 2 nicht maßgebend, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Arbeitsvertrag engere Verbindungen zu einem anderen Staat aufweist; dann ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden (allgemeine Meinung, vgl. BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130; 29. Oktober 1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297).
aa) Die Auffassung der Revision, dass die Regelanknüpfungspunkte nach Art. 30 Abs. 2 Nrn. 1 und2 EGBGB für die Anwendung belgischen Rechts heranzuziehen seien, ist nicht überzeugend. Art. 30 Abs. 2 EGBGB enthält zwei Regelalternativen und eine Ausnahmeklausel. Die Regelalternativen sind voneinander durch ein komplementäres Kriterium abgegrenzt: Arbeit muss entweder genau in einem Staat oder nicht genau in einem Staat verrichtet werden (Mankowski IPRax 1996, 405, 406; Junker Internationales Arbeitsrecht im Konzern S. 186). Diese Voraussetzungen können nicht gleichzeitig vorliegen.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, ein Ort, an dem der Arbeitnehmer “gewöhnlich seine Arbeit verrichtet” (Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB), lasse sich hier nicht feststellen, nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Kläger nach Arbeitsvertrag und tatsächlicher Handhabung als Handlungsreisender beschäftigt war, dessen Aufgabe es war, die Kunden der Beklagten aufzusuchen und Aufträge hereinzuholen. Das Reisegebiet des Klägers lag in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den später hinzugekommenen skandinavischen Ländern. Dort befanden sich auch der überwiegende Teil der Kunden und der Projekte, mit denen der Kläger befasst war. In Belgien hatte der Kläger keine Kunden zu betreuen. Diese mit Berichtigungsanträgen und Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen im unstreitigen Tatbestand und in den Gründen des angefochtenen Urteils sind für den Senat gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindend. Soweit der Kläger in der Revisionsbegründung erstmals behauptet, nicht als Handlungsreisender, sondern im Bereich Business Development beschäftigt gewesen zu sein, handelt es sich um in der Revisionsinstanz unbeachtliches neues tatsächliches Vorbringen. Dies gilt auch für die nunmehrige (nicht weiter substantiierte) Behauptung, 56 % seiner Tätigkeit in Belgien verrichtet zu haben.
cc) Weiter zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, da die Einstellung des Klägers durch die Niederlassung der Beklagten in Brüssel erfolgte, wäre nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 2 EGBGB belgisches Recht anzuwenden.
c) Schließlich ist auch die Annahme des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis weise im Sinne der Ausnahmeklausel des Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB engere Verbindungen zu Deutschland auf, nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht insoweit die Gesamtheit der Umstände für maßgeblich gehalten (BAG 29. Oktober 1992 – 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297; 24. August 1989 – 2 AZR 3/89 – BAGE 63, 17). Primäre Anknüpfungskriterien sind der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers, die Staatsangehörigkeit beider Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeitnehmers, also die räumliche Dimension des Arbeitsverhältnisses. Ergänzend sind die Vertragsdimension, also Vertragssprache und Währung, in der die Vergütung gezahlt wird, zu berücksichtigen und gegebenenfalls weitere vertragswesentliche Gesichtspunkte, die in ihrer Gesamtheit hinreichendes Gewicht haben, um die Bedeutung der Regelanknüpfung zu überwinden (Schlachter in Anm. zu BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – BAGE 100, 130). Das von der Regelanknüpfung berufene Recht wird nur verdrängt, wenn die Gesamtheit wichtiger und nicht nur nebensächlicher Anknüpfungsmerkmale zu einem anderen Ergebnis führt (BAG 12. Dezember 2001 – 5 AZR 255/00 – aaO; 29. Oktober 1992 – 2 AZR 267/92 – aaO). Dabei hat der gewöhnliche Arbeitsort nach Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 1 EGBGB ein stärkeres Gewicht als die einstellende Niederlassung des Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 Nr. 2 EGBGB (Mankowski in Anm. zu LAG Niedersachsen 20. November 1998 – 3 Sa 909/98 – AR-Blattei ES 920 Internationales Arbeitsrecht Nr. 6 S. 8 f.; Thüsing BB 2003, 898, 900). Die ausdrückliche und stillschweigende Rechtswahl als solche kann nicht herangezogen werden, da es gerade auf das ohne eine Rechtswahl maßgebliche Recht ankommt (vgl. Mankowski Anm. zum Berufungsurteil des LAG Niedersachsen aaO in LAGE Art. 30 Nr. 6).
d) Die Anwendung dieser Grundsätze führt, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, zur Geltung deutschen Rechts. Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff der “engeren Verbindungen” iSd. Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB richtig angewandt, so dass – wie schon im Urteil vom 29. Oktober 1992 (– 2 AZR 267/92 – BAGE 71, 297) – dahingestellt bleiben kann, ob dieser Begriff als unbestimmter Rechtsbegriff revisionsrechtlich nur einer eingeschränkten Nachprüfung unterliegt (für nur eingeschränkte Revisibilität BGH 9. März 1977 – IV ZR 112/76 – NJW 1977, 1586; Thüsing BB 2003, 898, 900). Sowohl die räumliche als auch die vertragsrechtliche Dimension des Arbeitsverhältnisses weisen im vorliegenden Fall objektiv eine deutlich vorherrschende deutsche Prägung auf.
aa) Für die Anwendung belgischen Rechts spricht lediglich, dass die Beklagte ihren Sitz in Belgien hat. Dagegen befand sich nach den den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Arbeitsort des Klägers jedenfalls nicht in Belgien.
bb) Dagegen sprechen für eine engere Beziehung zum deutschen Recht, wie das Berufungsgericht zu Recht ausführt: Der Wohnsitz des Klägers in Deutschland, die Vertragssprache, die Vereinbarung typisch deutscher Vertragsbestandteile, die Unterwerfung des Vertrags unter das deutsche Sozialversicherungssystem, die Unterwerfung der Parteien unter den Gerichtsstand am Wohnsitz des Klägers und die Währung, in der die Vergütung erfolgte.
cc) Wenn auch der Revision zuzugeben ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers im Gegensatz zur Auffassung des Landesarbeitsgerichts nur mittelbar berücksichtigt werden kann, weil sie, anders als die gemeinsame Staatsangehörigkeit, keine Rückschlüsse auf einen objektiven, also den Parteien gemeinsamen Rechtshorizont zulässt, überwiegen dennoch die objektiven Verbindungen zu Deutschland bei weitem denjenigen zum belgischen Staat. Letztere waren auf im Wesentlichen administrativen Zwecken dienende Aufenthalte am Geschäftssitz der Beklagten begrenzt, wie sie für die Kontakte eines Außendienstmitarbeiters zum Dienstherrn typisch sind. Dagegen erledigte der Kläger seine wesentliche, Geschäfte zwischen der Beklagten und ihren Kunden vermittelnde Tätigkeit, für die er eingestellt wurde und die deshalb den wirtschaftlichen Kern des Arbeitsverhältnisses ausmachte, in Deutschland. Denn von seinem Wohnsitz in Deutschland brach er immer wieder auf und kehrte dorthin auch immer wieder zurück. Der Wohnsitz wurde damit das Zentrum seiner Berufstätigkeit. Der Wohnsitz war auch deshalb für den Vertragszweck besonders bedeutsam, weil der Kläger für den deutschen Sprachraum einschließlich Österreich und der Schweiz zuständig war. Die Wohnung im Mittelpunkt dieses Gebiets war also gewissermaßen “maßgeschneidert” zur Erreichung des Vertragszwecks.
Daneben ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht der Tatsache, dass die Parteien einen Arbeitsvertrag in deutscher Sprache und mit für das deutsche Recht typischen Vertragsbestandteilen abgeschlossen haben, Gewicht beigemessen hat. In der Vertragssprache kommt hier die enge Verbindung zum deutschen Rechtskreis zum Ausdruck, weil sie im Zusammenhang mit dem Wohnsitz des Klägers und seiner Zuständigkeit für den deutschen Sprachraum zu sehen ist. Die Tätigkeit des Klägers vollzog sich eben nicht nur räumlich, sondern auch inhaltlich im Wesentlichen im deutschen Sprachraum. Daran und an die damit in jeder Hinsicht objektiv naheliegende deutsche Rechtsbegrifflichkeit haben die Parteien angeknüpft, indem sie den Vertrag in deutscher Sprache geschlossen haben. Auch die Vereinbarung von für das deutsche Recht typischen Vertragsbestimmungen, wie beispielsweise Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, einmonatige Kündigungsfrist in der Probezeit, die Urlaubsregelung und die Geheimhaltungsverpflichtung sowie die Verpflichtung zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen nach deutschem Recht sprechen in diesem Zusammenhang für die Annahme der Geltung deutschen Rechts (vgl. LAG Bremen 17. April 1996 – 2 (3) Sa 328/94 – AP EGBGB nF Art. 30 Nr. 5), ebenso die Vereinbarung des deutschen Gerichtsstands und der Vertragswährung (vgl. Leffler RdA 1978, 97, 99).
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Baerbaum, Sieg
Fundstellen
Haufe-Index 1150720 |
BB 2004, 1393 |
DB 2004, 1272 |
EWiR 2004, 703 |
NZA 2004, 680 |
SAE 2004, 312 |
AP, 0 |
EzA-SD 2004, 12 |
EzA |
ArbRB 2004, 174 |
BAGReport 2004, 211 |
NJOZ 2004, 2331 |
SPA 2004, 6 |